Skip to main content

Vier Gewinner

Eindrucksvolle Vergabe des Kulturpreises der Technologieregion Karlsruhe an Amateurtheater

Diese Qualität hat selbst Szenenkenner überrascht: Bei der Vergabe des Kulturpreises der Technologieregion Karlsruhe spielten alle vier nominierten Amateurtheater groß auf.

Preisverleihung KULT2022 im Kammertheater Karlsruhe am 17.12.2022: Erster Preis für den Gospelchor Forst, rechts im Bild: Chorleiter Klaus Heinrich.
Das Theaterprojekt „Tartufo“ des Gospelchors Forst wurde bei der Vergabe des KULT2022 mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Foto: Paul Needham

„Die Bandbreite hat mich nicht überrascht“, sagt Markus Joos. „Aber die durchweg enorm hohe Qualität.“ Das will etwas heißen. Denn Joos ist Vorsitzender des Landesverbandes für Amateurtheater in Baden-Württemberg und hat als solcher einen ziemlich guten Überblick über das Schaffen der dort gemeldeten 600 Bühnen.

Nun gehörte Joos in Karlsruhe zur Jury bei einer Auszeichnung, um die vier Amateurtheater-Produktionen ins Rennen gingen: Im Kammertheater wurde der Kulturpreis des Verbandes Technologieregion Karlsruhe KULT2022 vergeben.

Diese Auszeichnung wird alle zwei Jahre ausgeschrieben und will ehrenamtliche Kulturarbeit ins Rampenlicht rücken. Eingeladen zur Bewerbung waren diesmal Amateurbühnen unter der Themenvorgabe „Bühne frei für eine bessere Welt“.

Die Bedeutung von Theaterspiel für die Zivilgesellschaft unterstrich auch Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup als Vorsitzender der Technologieregion: „Das Übernehmen einer Rolle und die Arbeit im Team fördern soziales Verhalten und soziale Kompetenzen auf spielerische Weise.“

Preisvergabe KULT2022 im Kammertheater Karlsruhe am 17.12.2022.
Bei der Vergabe des KULT2022 im Kammertheater Karlsruhe wurden alle vier nominierten Amateurtheatergruppen ausgezeichnet. Foto: Paul Needham

Jury des Kulturpreises findet ein salomonisches Urteil

Das belegten die vier nominierte Gruppen in zehnminütigen Ausschnitten durchweg so überzeugend, dass die Jury ein salomonisches Urteil fand: Sie vergab zwei Mal den zweiten Preis (je 500 Euro) und zwei Mal den ersten Preis (je 1.000 Euro), so dass es am Ende nur Gewinner gab.

Beispielsweise das Stück „Tartufo“, eine Koproduktion des Gospelchors Forst mit dem Tiyatro Diyalog Karlsruhe. Das Stück bereitet die Themen Migration und Integration höchst unterhaltsam mit Musik auf und basiert auf Recherche in der eigenen Ortsgeschichte.

Ich kann mich selber noch an die ersten italienischen Eisdielen erinnern.
Klaus Heinrich, Leiter Gospelchor Forst

„Ich kann mich selber noch an die ersten italienischen Eisdielen erinnern, die ab den 1960er Jahren von Gastarbeitern aufgemacht wurden“, sagt Chorleiter Klaus Heinrich.

Seit 2016 engagiert er sich zudem durch ein arabisch-deutsches Chorforum für die Integration syrischer Flüchtlinge. Als dieses Forum und der Gospelchor ein gemeinsames Projekt auf die Beine stellen wollten, kam es zum Impuls, die konkrete Zuwanderungsgeschichte in Forst zu recherchieren.

Szenisch umgesetzt wurden die Ergebnisse dann mit Hilfe von Oliver Metzner vom Tiyatro Diyalog – und selbst der nur zehnminütige Ausschnitt zeigte, mit welch gutem Theatergespür hier die verschiedenen Zeitebenen miteinander verbunden werden und welch ansteckende Vitalität das vielköpfige Ensemble auf die Bühne bringt.

Theatergruppe der Musik- und Kulturschule Bruchsal: Gemeinschaft seit der Kindheit

Hierfür gab es ebenso einen ersten Preis wie für das Stück „Antigone – grenzenlos unbeugsame Held*innen“ von der Theatergruppe der Musik- und Kulturschule Bruchsal.

Diese besteht schon seit rund 15 Jahren und ihre Mitglieder sind von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen, wie Leiterin Beate Metz erklärt. Vier Mitglieder bilden derzeit den harten Kern, der sich auch durch Studienjahre und Berufseinstieg nicht ausbremsen ließ.

Preisvergabe KULT 2022 im Kammertheater Karslruhe am 17.12.2022: Einer von zwei ersten Preisen geht an die  Theatergruppe der Musik- und Kunstschule Bruchsal
Die Theatergruppe der Musik- und Kunstschule Bruchsal spielt bereits seit 15 Jahren zusammen und wird seit 2010 von Beate Metz (links) geleitet. Foto: Paul Needham

„Es ist für uns einfach ein ganz tolles Hobby“, sagt Alix Savin, eine der Beteiligten. Dieses wird aber auch sehr reflektiert mit Inhalten gefüllt: Die aktuelle Produktion lenkt anhand der antiken Dramenfigur Antigone, die sich aufgrund ihres Gewissens gegen ein unmenschliches Gesetz auflehnt, den Blick auf den Einsatz von Seeleuten wie Carola Rackete, die sich als Lebensretter auf dem Mittelmeer gegen die unmenschliche Abschottung der EU gegenüber Flüchtlingen einsetzen – eine starke und nachhallende Deutung.

Inklusives Projekt aus Karlsruhe kurz vor 20. Geburtstag

Ein ganz besonderes Ensemble sind auch „D!e Sp!nner“, das inklusive Theaterprojekt am Sandkorn-Theater Karlsruhe unter der Leitung von Steffi Lackner. Dieses kann im nächsten Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiern. Und die erste Szene des hierzu entstehenden Stücks zeigte, dass dem Ensemble aus Menschen mit und ohne Behinderung die Einfälle nicht ausgehen.

Ihr öffnet unsere Augen und integriert uns in eine Welt voller Vielfalt.
Katrin Lorbeer, Jurysprecherin

Das neue Stück dreht sich um Umweltfragen und blickt in einer kabarettreifen Szene auf die ganze Bandbreite der Reaktionen auf Klimapolitik, von störrischer Besitzstandswahrung bis zum Unverständnis jener, die längst weiter sind als die Regierung.

Mit dem zweiten Preis wurde sowohl dieses Stück prämiert als auch die Arbeitsweise dieser Gruppe: „Ihr öffnet unsere Augen und integriert uns in eine Welt voller Vielfalt“, erklärte Kathrin Lorbeer, Vorsitzende der Bundesvereinigung deutscher Musik- und Theater-Fördergesellschaften, die als Sprecherin der Jury die Preise bekannt gab.

Erwachsene bitten Grundschüler um Entschuldigung

Bei den allerjüngsten Teilnehmern des Wettbewerbs allerdings müssten die Erwachsenen um Entschuldigung bitten, so Lorbeer. Nicht wegen der Preisvergabe, sondern angesichts des Stücks, das hier präsentiert wurde.

Eine dritte Klasse der Südendschule Karlsruhe hatte das mit Karoline Saal vom Theaterprojekt Werkraum entwickelte Stück „Heute bin ich...“ präsentiert, in dem es um Gefühle und um Meeresverschmutzung geht. Das Stück mache bewusst, „dass wir es nicht geschafft haben, unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen“, so Lorbeer.

Der märchenhafte und spielerische Appell des Stücks für mutigen Einsatz gegen Plastikverschmutzung zeigte das große Potenzial guter Theaterarbeit und wurde ebenfalls zu Recht mit einem zweiten Preis ausgezeichnet. Und manche Sätze dieser kleinen Spieler könnten sich viele „Große“ ins Stammbuch schreiben. Als zwei kleine Fische etwas Gefährliches wagen, um viele andere Fische zu retten, erklären sie: „Wir sind nicht mutig für uns. Wir sind mutig für die Anderen.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang