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Neustart ab 50?

Personalerin ist überzeugt: Das „alte Eisen“ bietet gute neue Chancen

Arbeitgeber können es sich eigentlich nicht mehr leisten, ältere Bewerber links liegen zu lassen. Einige tun es trotzdem. Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, meint Ariane Durian.

Ihren Traum von der Flugbegleiterin erfüllte sich die Britin Pam Clark im Alter von 53. Jetzt feierte sie ihren 73. Geburtstag und fliegt noch immer.
Ihren Traum von der Flugbegleiterin erfüllte sich die Britin Pam Clark im Alter von 53. Jetzt feierte sie ihren 73. Geburtstag und fliegt noch immer. Foto: Easyjet

Für den Traumberuf ist es nie zu spät. Die Britin Pam Clarke ist dafür ein Paradebeispiel. Im Alter von 53 Jahren entschied sich die gelernte Friseurin für einen beruflichen Neustart.

„Ich habe immer davon geträumt, Flugbegleiterin zu sein“, erzählte die inzwischen 73-Jährige kürzlich in einem Interview mit britischen Medien. Als sie mit Anfang 50 eine Stellenanzeige der britischen Billig-Fluglinie Easyjet entdeckte, bewarb sie sich. Der Quereinstieg klappte.

Mit 73 Karriere-Vorbild für die Generation Ü50

Zu ihrem 20-jährigen Berufsjubiläum im Juli dieses Jahres gratulierte ihr Arbeitgeber und machte sie zur offiziellen Werbebotschafterin. Pam Clark soll als Karriere-Vorbild auch anderen Menschen jenseits der 45 Mut machen, sich beruflich noch einmal neu zu orientieren.

Die vor rund einem Jahr gestartete Ü-45-Kampagne läuft nach Angaben der Fluggesellschaft recht erfolgreich. Die Zahl der Besatzungsmitglieder über 45 Jahren sei um zehn, die der über 60-Jährigen um 160 Prozent gewachsen. Absolute Zahlen allerdings nennt die Unternehmensleitung nicht.

Arbeitgeber sind zurückhaltend

„Wir sehen die Generation Ü50 und auch die der Ü60 als ein wertvolles Potenzial für Unternehmen auch in Deutschland“, sagt Ariane Durian. Die Unternehmerin aus Bad Herrenalb hat eine Firma zur Personalvermittlung und ist Vize-Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe.

Ariane Durian hat eine eigene Personalvermittlungsfirma und ist
 Vizepräsidentin der IHK Karlsruhe. Außerdem ist sie
 Europäische Botschafterin für Unternehmensgründungen.
Ariane Durian hat eine eigene Personalvermittlungsfirma und ist Vizepräsidentin der IHK Karlsruhe. Außerdem ist sie Europäische Botschafterin für Unternehmensgründungen. Foto: Privat

In ihrer täglichen Arbeit, aber auch auf Vorträgen und anderen öffentlichen Veranstaltungen, wirbt sie bei Arbeitgebern für die Einstellung älterer Arbeitnehmer.

Mit Erfolg? „Fifty-fifty“, gibt Ariane Durian offen zu. „50 Prozent der Unternehmen, die ich berate, haben keinerlei Vorbehalte. Die anderen 50 Prozent schließen das erst mal aus.“

Die Argumente seien dabei immer die gleichen. „Viele möchten Angestellte, die mindestens zehn Jahre bleiben und sie denken, dass die Älteren eher früher gehen.“

Chance gegen den Fachkräftemangel?

Trotzdem ist Ariane Durian stolz auf ihre Vermittlungen. „In den vergangenen fünf Jahren waren 35 Prozent der Kandidaten und Kandidatinnen, die wir in Arbeitsverhältnisse bringen konnten, über 50 Jahre alt. Sechs Prozent der erfolgreich vermittelten Bewerber waren über 60“, erklärt sie.

Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Überall in Deutschland suchen Unternehmen händeringend Fachkräfte. Die Einstellung älterer Menschen könnte diesen Mangel lindern, sagt die Personalerin Durian. Auch die Bundesagentur für Arbeit teilt diese Einschätzung in ihrem im Jahr 2022 veröffentlichten Bericht zur Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt.

Doch für die Personalerin Durian ist der Fachkräftemangel nicht das einzige Argument, sich für die Generation Ü50 und Ü60 einzusetzen. Im Gegenteil: Sie ist fest davon überzeugt, dass ein Unternehmen von älteren Angestellten mehr profitiert als von den ganz jungen.

Der Erfolg des Unternehmens ist Älteren wichtiger als die Work-Life-Balance.
Ariane Durian
Personalvermittlerin und Vize-Präsidentin der IHK

„Neben der fachlichen Kompetenz bringen Ältere nämlich einen großen Erfahrungsschatz und auch eine heute oftmals nicht mehr so übliche gewissenhafte Arbeitsweise mit, von der auch die jüngeren Kollegen und Kolleginnen profitieren können“, meint sie.

Viel Erfahrung und noch mehr Resilienz

Bei Älteren sei vor allem die Leistungsbereitschaft deutlich ausgeprägter. „Ich habe oft beobachtet, dass der eigene Erfolg und auch der des Unternehmens älteren Arbeitnehmern wichtiger ist als die Themen Work-Life-Balance, Vier-Tage-Woche oder Homeoffice“, so die Personalerin.

Außerdem könne man sich auf diese Mitarbeiter verlassen. „Sie werden nicht gleich eine Krankmeldung einreichen, wenn sie mal ein bisschen Schnupfen haben.“

Durian traut den Älteren auch mehr Resilienz zu. „Die haben in der Vergangenheit in ihrem Berufsleben sehr gute Zeiten, aber auch Wirtschaftskrisen, oft auch andere negative Entwicklungen bei ihren Unternehmen erlebt. Das hat sie geprägt“, sagt Durian. Und: „Man kann sich fast zu 100 Prozent auf die ältere Generation verlassen.“

Erwerbsquote der Älteren steigt

Tatsächlich ist laut der Agentur für Arbeit die Erwerbsquote der 55- bis unter 65-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren bereits stärker gestiegen als die der 15- bis unter 65-Jährigen. Das hat aber auch damit zu tun, dass auch deren Bevölkerungsstärke zugenommen hat. Im Jahr 2023 soll sie ihren Höchststand erreichen.

Im europäischen Vergleich sind die Erwerbsquote und die Erwerbstätigenquote Älterer in Deutschland sogar überdurchschnittlich hoch. Gleichwohl sind Ältere noch immer stärker als der Durchschnitt von Arbeitslosigkeit betroffen, auch wenn sich die Arbeitslosenquote der Gesamtquote immer mehr angenähert hat.

Ältere haben trotzdem schlechtere Chancen

Die Untersuchung kommt allerdings auch zu dem Schluss, dass sich die Chancen auf eine Neueinstellung in den vergangenen zehn Jahren nicht verbessert haben. „Ältere sind hier gegenüber Jüngeren immer noch benachteiligt“, heißt es in dem Bericht.

Ariane Durian will das ändern. Sie sieht auch in der Erfahrung der „alten Hasen“ einen großen Pluspunkt. „Die wissen sich einfach zu helfen. Sie wissen, wen sie fragen müssen, wo sie sich Hilfe holen und viele haben über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut, von dem sie auf der Suche nach der Lösung für ein Problem profitieren können.“

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