Wer Unterstützung in der Pflege eines Angehörigen braucht, steht oft vor einem Berg, der kaum zu bewältigen ist. Sowohl im privaten als auch im professionellen Bereich werden zudem die Hilfsangebote immer brüchiger.
Diese Engpässe in der Pflege nehmen auch die Pflegestützpunkte im Landkreis Karlsruhe wahr. Deshalb findet am 4. Mai die zweite kommunale Pflegekonferenz in Hambrücken statt.
Im Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied Judith Midinet-Horst erklärt die Koordinatorin der fünf Pflegestützpunkte, Sabrina Menze, wie wichtig Kooperation und Vernetzung im Umfeld von Pflege sind.
Frau Menze, wie schätzen Sie die Pflegesituation im Landkreis Karlsruhe ein?
Sabrina MenzeDie Pflegeinfrastruktur im Landkreis Karlsruhe ist sehr gut. Wir haben eine breite Angebotspalette. Es gibt ja nicht nur die ambulante Pflege, sondern das Spektrum reicht von stationärer über ambulante und Tagespflege bis hin zu niedrigschwelligen Angeboten wie Nachbarschaftshilfe, Betreuungs- und hauswirtschaftliche Dienste. Aber hier und da treten Engpässe auf.
Mit welchen Folgen?
MenzeDie Engpässe sind mit sehr viel Druck und Not bei den Angehörigen verbunden. Dabei kommt es immer auf den Einzelfall an. Mit den Angehörigen muss man dann auf die ganze Palette der Angebote schauen, um eine Versorgung zu kreieren, die in der Notlage hilfreich ist. Manchmal ist aber nicht alles machbar.
Wie sieht die professionelle Beratung aus?
MenzeDie Beraterinnen in den Pflegestützpunkten kennen die Infrastruktur besonders gut, wir haben dieses Spezialwissen für jede Stadt und jede Gemeinde. Wir wissen, welche Pflegedienste es gibt, wo Kapazitäten frei sind, aber auch ob Seniorennachmittage oder Gymnastikkurse angeboten werden oder eine Nachbarschaftshilfe aktiv ist. Man muss die Puzzle-Teile, aus der die Versorgung am Ende besteht, kennen. Für eine Lösung braucht es manchmal den professionellen Blick, um zu entscheiden, wann welches Angebot richtig ist. Denn man kann nicht alles ehrenamtlich auffangen, gerade bei medizinischen und pflegerischen Leistungen. Das können auch die Angehörigen nicht in jedem Fall.
Welche Sorgen und Nöte haben die Angehörigen?
MenzeFür pflegende Angehörige ist es belastend, so gebunden zu sein, dass man kaum noch Zeit für sich selbst hat, dass man immer diese Sorge trägt. Gespräche können eine mögliche Entlastung sein. Wir haben in der Corona-Krise eine virtuelle Angehörigen-Gesprächsgruppe eingeführt. Die wird sehr gut besucht. Da erleben wir, dass das Gespräch untereinander dazu führt, dass neue Perspektiven geschaffen werden, dass man merkt: Ich bin nicht allein. Das kann eine große Hilfe sein. Wenn man es dann noch spickt mit Tipps vom Profi, was es zum Beispiel noch für Leistungen von der Pflegekasse gibt, dann gehen die Angehörigen häufig gestärkt aus der Beratung. Wir sind interessiert daran, den Angehörigen so viel Wissen zu vermitteln, dass sie wieder autonom und souverän in ihrem Pflegealltag werden, weil sie bestimmte Dinge abgeben können.
Welchen Anteil an der Pflege macht das Engagement von Angehörigen aus?
MenzeZwei Drittel der ambulanten Pflege werden in Baden-Württemberg von Angehörigen gestemmt. Um die müssen wir uns kümmern. Deshalb haben wir die Beratungsinfrastruktur mit fünf Pflegestützpunkten entwickelt, damit wir die häusliche Pflege stärken können. Die Beratung sollte möglichst frühzeitig beginnen. Viele kommen leider erst sehr spät zu uns, wenn die Grenze an Belastung erreicht oder schon überschritten ist. Wir wünschen uns eigentlich, dass man frühzeitiger zu uns kommt und sich ein gutes Netzwerk schafft. Das erleichtert die Entwicklung der Pflegesituation.
Haben Sie einen Überblick, wie viele Pflegefachkräfte im Landkreis fehlen?
MenzeDer Landkreis macht dazu keine Erfassung, aber wir haben seit über 20 Jahren die Kreispflegeplanung, die sich auf Bedarfe konzentriert. Sie wird mit Hochrechnungen in Bezug auf die Altersstruktur unserer Bevölkerung erstellt, die uns das Sozialministerium Baden-Württemberg liefert. So können wir beispielsweise prognostizieren, wie viele stationäre Pflegeheimplätze wir brauchen. Die Personalsituation erfassen wir aber nicht. Die Planung wird alle fünf Jahre fortgeschrieben. Dafür sind wir auch in Gesprächen mit den Städten und Gemeinden. Das sind Trends, mit denen wir arbeiten, keine absoluten Zahlen.
Wie macht sich die Personalnot in der Pflege bei Ihnen bemerkbar?
MenzePflegeeinrichtungen haben Schwierigkeiten ihre Stellen zu besetzen. Egal auf welche Homepage eines Pflegedienstes man geht, da steht immer „Wir suchen Fachkräfte“. Das hat sich in der Corona-Krise verschärft. Auch bei uns kam an, wie hoch die Arbeitsbelastung war, und wie schwer es zu ertragen war, das Infektionsgeschehen medizinisch und emotional zu begleiten. Dann kam noch die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die den Druck nochmal erhöht hat. Was noch ansteht, ist die tarifgebundene Bezahlung, die durch die Gesetzesreform ab September auf die Pflegeeinrichtungen zukommt. Die Ressourcen sind knapp. Deshalb wollen wir in der kommunalen Pflegekonferenz versuchen, Netzwerkpartner zusammenzubringen, die sich gegenseitig stützen. Der Titel ist deshalb „Zusammen pflegt man weniger allein“ – Kooperation und Vernetzung in der Pflege auf kommunaler Ebene.