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Ausschreitungen vorige Woche

Polizisten über Stuttgarter Krawallnacht: Sind uns sicher, dass Antifa dabei war

Nach den Ausschreitungen in Stuttgart wird weiter über Ursachen und Hintergründe gerätselt. Polizeibeamte, die dort Samstagnacht im Einsatz waren, behaupten nun: Linksradikale hätten sich unter die Menschenmenge gemischt und die Gewalt gezielt eskaliert. Auch die Polizei ermittelt inzwischen in diese Richtung. Eine Bestätigung gibt es für diese Theorie aber noch nicht.

Verwüstete Innenstadt: War das wirklich nur eine unpolitische Partyjugend? Innerhalb der Polizei wachsen daran die Zweifel.
Verwüstete Innenstadt: War das wirklich nur eine unpolitische Partyjugend? Innerhalb der Polizei wachsen daran die Zweifel. Foto: dpa

Nach den Ausschreitungen in Stuttgart wird weiter über Ursachen und Hintergründe gerätselt. Polizeibeamte, die dort Samstagnacht im Einsatz waren, behaupten nun: Linksradikale hätten sich unter die Menschenmenge gemischt und die Gewalt gezielt eskaliert.

Auch die Polizei ermittelt inzwischen in diese Richtung. Eine Bestätigung gibt es für diese Theorie aber noch nicht.

Am vergangenen Sonntag trat trat die Stuttgarter Polizeiführung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister vor die Fernsehkameras. Nach dem nächtlichen Gewaltexzess mussten sie auch die Frage nach dem möglichen politischen Hintergrund der Ausschreitungen beantworten.

Mich hat es an den G20-Gipfel in Hamburg erinnert.
Polizist, der in der Stuttgarter Krawallnacht im Einsatz war

Polizeipräsident Franz Lutz sagte dazu knapp und deutlich: „Ich kann aus der momentanen Sicht der Dinge eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten ausschließen.“ Es war die Rede von einer „Party- und Eventszene“. Junge Leute, die sich in der Innenstadt treffen, und nun nach einer Drogenkontrolle ausgerastet seien.

Innerhalb der Polizei stießen Lutz’ Worte auf Unverständnis. Denn dass die stundenlangen Ausschreitungen allein das Werk einer unpolitischen Partyjugend, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, waren, glaubte kaum jemand der in der Nacht eingesetzten Beamten.

„Mich hat es an den G20-Gipfel in Hamburg erinnert“, sagt ein Polizist, der an dem Abend mit Flaschen und Pflastersteinen beworfen wurde. „Meine Kollegen und ich sind uns ziemlich sicher, dass die Antifa mit dabei war. Sonst wäre das nicht so eskaliert.“

Einkaufswagen voller Steine in Stuttgart?

Der Grund für diese Vermutung: „Wir haben einen Einkaufswagen voller Steine und anderer Wurfgeschosse gesehen. Und es flogen Flaschen, die mit Lackfarbe gefüllt waren. So etwas hat kein normaler Partygänger dabei.“ Auch schwarz vermummte Personen mit Brechstangen seien aufgefallen.

Jürgen Engel, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, teilt diese Einschätzung. In Göppingen ist er als Kreisvorsitzender für die Bereitschaftspolizei zuständig, von der rund 30 Beamten die Stuttgarter Krawallnacht von Anfang an miterlebt haben.

Gewerkschafter: Linksautonome haben Krawalle in Stuttgart unterstützt und angeheizt

Mit ihnen hat Engel danach ausführlich über deren Erlebnisse und Beobachtungen gesprochen. „Nach allem, was mir die Kollegen berichtet haben und was man auf den Videos sieht, ist davon auszugehen, dass die Ausschreitungen zwar innerhalb der sogenannten Eventszene begonnen haben, aber dann von Linksautonomen unterstützt und angeheizt worden sind“, bekräftigt der Gewerkschafter die Schilderungen des anderen Polizisten.

Es ist bislang nur eine Theorie, für die es zwar Anhaltspunkte, aber noch keine Beweise gibt. Doch offenbar halten sie auch die Ermittler, die das Tatgeschehen aufklären sollen, nicht für abwegig.

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Denn auf Nachfrage dieser Redaktion, ob Stuttgarts Polizeipräsident bei seiner Aussage von Sonntag bleibe, kommt eine sorgfältig formulierte Antwort: „Das Polizeipräsidium Stuttgart hatte zur Pressekonferenz keine Hinweise auf eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten und hat diese auch weiterhin, wenn abzielend auf eine mögliche Urheberschaft, nicht.“

Dass „Einzelpersonen aus dem linken Spektrum“ an den Aktionen teilgenommen haben, könne jedoch nicht ausgeschlossen werden. „Unsere Ermittlungen laufen, wie immer, in alle Richtungen weiter.“

Verfassungsschutz warnt vor wachsender Gewaltbereitschaft

Das Landesamt für Verfassungsschutz, das erst kürzlich vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft der autonomen Antifa-Szene in Baden-Württemberg gewarnt hat, hält sich in dieser Frage zurück. Erkenntnisse über die „Teilnahme gewaltorientierter Linksextremisten an den Ausschreitungen“ habe man nicht, teilt ein Behördensprecher mit. Allerdings habe man Reaktionen registriert.

„In Teilen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene von Stuttgart sind im Nachgang zu den Ausschreitungen Versuche erkennbar, diese mit den linksextremistischen Aktionsfeldern ,Antikapitalismus‘, ,Antirassismus‘ und ,Antirepression‘ in Verbindung zu bringen.“

So werde argumentiert, die Geschehnisse seien die Antwort auf „strukturellen Rassismus“ und „Polizeigewalt“. Aufgabe sei es nun, den „Kampf gegen das rassistische System ganz konkret mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus zu verknüpfen“, zitiert der Verfassungsschutz aus aktuellen Szeneäußerungen.

Beteiligung der Antifa an Stuttgarter Krawallnacht ist noch nicht bestätigt

Der Eindruck der beteiligten Polizisten, dass sich die örtliche Antifa-Szene in der Stuttgarter Krawallnacht mit der „Eventszene“ verbündet habe, bleibt damit unbestätigt. Die polizeilichen Ermittlungen, bei denen zahlreiche Videoaufnahmen ausgewertet werden, liefern vielleicht Antworten.

Dass solche Bündnisse unter Linksautonomen zumindest diskutiert werden, ist allerdings bekannt. Zu hören war das etwa in Frankfurt bei einem Szenetreffen nach den Ausschreitungen beim Hamburger G20-Gipfel im Jahr 2017.

An den „Riots“, wie man in diesem Kreis die Krawalle nannte, hätten sich viele „migrantische Jugendliche aus den Vorstädten beteiligt“, sagte ein jüngerer Gesprächsteilenehmer damals anerkennend. „Die haben sich spontan radikalisiert. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir Strukturen schaffen, um dieses Potenzial zu nutzen.“

Gibt es solche Ideen auch in Baden-Württemberg? Der Landesverfassungsschutz sagt dazu: Gewaltorientierte Linksextremisten hätten „grundsätzlich ein Interesse daran, die eigene Klientel zu vergrößern.“ Vereinzelt sei eine Zusammenarbeit mit Angehörigen des „nicht extremistischen subkulturellen Spektrums“ festzustellen.

Ob dazu auch die nun bekannt gewordene Stuttgarter „Eventszene“ zähle, lässt der Verfassungsschutzsprecher offen. Der Begriff „subkulturelles Spektrum“ sei bewusst weit gefasst, antwortet er.

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