Saarlouis: ein Kind Vaubans
Ein echtes Juwel die neue Stadt. Chef-Architekt Vauban ist höchst zufrieden mit seinem jüngsten Werk, das Frankreichs Anspruch auf den Landstrich am Saarufer unterstreichen soll.
Einer der schönsten und angenehmsten Orte im Königreich
notiert der Festungsbauer, der Tausende von französischen Soldaten und Handwerker aus dem Landesinnern schuften ließ.
Louis Quatorze ist ebenfalls höchst erfreut über die städtische Schönheit. Zur Einweihung reist er höchstpersönlich in den Osten seines Landes. Er bestaunt Wäle, Wassergräben und Bastionen in Form eines Sterns und schenkt dem Neuzugang seines Reiches ein Wappen mit Lilien, Wolken und Sonne – Letzteres eine Anspielung auf die eigene Person. Eine solch moderne, symmetrische Superstadt mit Kasernen für 4 000 Soldaten, Brunnen für die Trinkwasser-Versorgung der Bevölkerung und noblen Wohnhäusern hat die Welt noch nicht gesehen.
Die Stadt wächst - erzwungenermaßen
Dass ein Großteil der Untertanen nicht französisch, sondern wie die Nachbarn im Umland einen fränkischen Dialekt spricht, stört Majestät zunächst nicht. Wenn sich einer querstellt, greifen die neuen Herren eben durch. Als die Menschen aus dem benachbarten Wallerfangen den Umzug verweigern, wird ihr Dorf kurzerhand dem Erdboden gleichgemacht. Notgedrungen ziehen sie nach Saarlouis. Das uneinnehmbare Bollwerk hat nur einen Zweck – dem Erbfeind im Osten die Macht des französischen Königs zu demonstrieren.
Die Franzosen gehen - die Preußen kommen
150 Jahre später ist diese Epoche vorbei. In den Amtssitz des französischen Gouverneurs zieht der preußische Kommandant ein. Überm Deutschen Tor thronen preußischer Adler und Krone. Frankreich sieht bestürzt die Kanonen auf sich gerichtet. Dass ein Teil der Untertanen nur französisch spricht, nehmen die neuen Herrn in Kauf, angesichts des Zugewinns an Land und Macht.
Ein Wachsoldat namens Lacroix
Nur einer bleibt beim Abzug der französischen Truppen auf der Strecke - ein Wachsoldat namens Poilu Lacroix. Von ihm wird erzählt, dass er in der Nacht zuvor so ausgiebig mit Einheimischen gezecht hatte, dass er den Aufbruch seiner Kameraden verschlief.
Natürlich hat keiner der Schlafmütze ein Haar gekrümmt; er erlangte vielmehr eine gewisse Berühmtheit, in Saarlouis gar Unsterblichkeit. Mal prangt er als Mosaik an einem Privathaus, mal grüßt er die Spaziergänger von seinem Denkmalsockel.
Saarlouis: mitten in Europa
Einst war Saarlouis, 1680 gegründet, ein Geschöpf des Krieges, geboren aus dem Wunsch nach Macht. Heute liegt die ehemalige Grenzstadt, Inbegriff der Zerrissenheit eines ganzen Kontinents, mitten in Europa. Grenzen haben ihren Schrecken verloren . Nach Luxemburg, der Metropole des Geldes, sind es 70 Kilometer; nach Metz, der lothringischen Perle an der Mosel, keine 50 Kilometer.
Das Städtchen gibt sich frankophil
Kein Wunder, dass sich das 35 000-Einwohner-Städtchen frankophil gibt. Die Menschen pflegen mit Inbrunst das Savoir-vivre und in die Umgangssprache hat sich eine Fülle französischer Begriffe eingeschlichen. Bredullje, Fisematenten und Trottwa haben auch dem Zeitgeist der NS-Schergen getrotzt: die wollten Saarlouis kurzerhand zu Saarlautern eindeutschten. Das Haltbarkeitsdatum der Germanisierungsbemühungen war ähnlich lang wie das Tausendjährige Reich.
Schlemmergalerie in den Kasematten
Ihr militärisches Erbe nutzt die einst schönste Stadt Frankreichs jetzt zivil. Auf dem kleinen Markt, dem ehemaligen Paradeplatz, führen die Marktfrauen das Kommando. In den kopfsteingepflasterten Gassen der Altstadt, wo die Festungssoldaten flanierten, reiht sich ein Café, ein Restaurant ans nächste. Gleich um die Ecke gibt der reichlich überdimensionierte Große Markt alljährlich die Kulisse für die Emmes ab, das größte Volksfest im Saarland, bei dem schon Heino die Bühne rockte. Auf der Vauban-Insel, mitten im Stadtpark und umflossen von einen Saaraltarm, darf es bei Festen auch mal lauter zugehen. Und die bombensicheren Kasematten sind heute eine einzige Schlemmergalerie mit Cafés, Restaurants und Cocktailbars. Das brachte dem begrünten Wall den Ehrentitel „längste Theke des Saarlandes“ ein.
Chillen auf Saarlouis Vauban-Insel
Wer über die Schleusenbrücke schlendert, sich am malerischen Blick auf den verwunschenen Saar-Arm erfreut, ahnt kaum, dass auch dieses Bauwerk dem Schutz der Garnison diente. Mit der Pont-écluse konnte die Saar um satte sechs Meter aufgestaut werden, sodass sich mögliche Angreifer buchstäblich nasse Füße geholt hätten.
Michel Ney: der berühmteste Sohn von Saarlouis
Ganz in der Nähe steht das Denkmal des wohl berühmtesten Sohnes der Stadt: Michel Ney, Sohn eines Böttchers aus der Biergasse und laut Napoleon der „Tapferste der Tapferen“. Der Aufsteiger schaffte es bis zum Marschall von Frankreich und zum Herzog von Elchingen. In seinem Geburtshaus, einem der schönsten Gebäude der Altstadt, treffen sich heute Geschäftsleute zum Business-Lunch.
Touristischer Geheimtipp Saarland
Es ist eine ziemliche Ungerechtigkeit, dass das Saarland, jahrhundertelang Zankapfel feindlicher Brüder, von den Touristenströmen oft links liegen gelassen wird. Wer hier durchfährt, will meist gen Frankreich und hat kaum Blicke für Deutschlands kleinstes Flächen-Bundesland übrig. Ihm heftet das Vorurteil an, der Wurmfortsatz von Rheinland-Pfalz zu sein, übersät mit Abraumhalden und rostenden Fördertürmen.
Dabei ist der Landstrich an Saar und Mosel eine echte Sommerfrische aus sanft geschwungenen Hügeln und lauschigen Talauen, herrlichen Obstbaumhainen, Weingärten und üppigen Kornkämmerchen. Ein Land mit Potenzial, wie Günter Wagner glaubt.
Günter Wagner: ein Glücksfall für Saarlouis
Jahrzehntelang drehte sich im Leben des 58-Jährigen alles um Pizza – verständlich, wenn man weiß, dass Wagners Vater Ernst der Erfinder der Tiefkühlvariante war. In Otzenhausen im Norden des Saarlandes hatte der Patriarch sein Pizza-Imperium aufgebaut, die ganze Familie eingespannt und ordentlich verdient, bevor er das florierende Unternehmen an Nestlé verkaufte.
Mit seinem Anteil am Verkauf erfüllte sich Günter Wagner, gelernter Koch und Absolvent der Hotelfachschule, einen Lebenstraum: eine noble Herberge zwischen Tradition und Moderne, wo jeder Einrichtungsgegenstand Wagners Liebe zu schönen Dingen unterstreicht.
Wagners Lebenstraum: das "Maison"
Ein Haus wie das „La Maison“ würde man eher in München, vielleicht noch in Saarbrücken erwarten, aber im beschaulichen, etwas provinziellen Saarlouis?
Ich habe mich bewusst für die Geburtsstadt meiner Frau entschieden
erzählt der Feingeist über sein „Baby“. Wo früher Recht gesprochen wurde, im ehemaligen Oberverwaltungsgericht, nächtigen nun Geschäftskunden des örtlichen Ford-Werks, Bewegungsfanatiker, die wandernd oder Rad fahrend das Saarschleifenland erkunden, oder Gourmets, die sich von Küchenchef Martin Stopp im sterne-gekrönten Restaurant „Louis“ verwöhnen lassen.
Gelernt hat der junge Küchenchef bei dem Drei-Sterne-Star Klaus Erford, dem er einst auf die Bühlerhöhe folgte. Jetzt zelebriert er höchsten Gourmet-Genuss mit französischem Einschlag im alten Gerichtssaal, ein prächtiger Salon mit einer Handvoll stilvoll eingedeckter Tische.
Ein Hotel als Schatzkammer
Das First-Class-Domizil ist eine solche Schatzkammer aus originellen Unikaten und außergewöhnlichen Fundstücken, dass es längst international gefeiert wird. Eine Vielzahl namhafter Architektur- und Designpreise prasselten auf das Gesamtkunstwerk herab, Gourmetmagazine preisen den „neuen kulinarischen Fixpunkt“ im Saarland.
Besuch vom niederländischen Königspaar
Der endgültige Ritterschlag erfolgte vor wenigen Monaten. Als das niederländische Königspaar im Saarland vorbeischaute, nach angeblich 104-jähriger Pause, quartierten sich Maxima und Willem-Alexander in den gleichsam modernen wie verspielten Suiten der historischen Villa ein.
Ein eigenes Gästehaus kann oder will sich das kleine Bundesland nämlich nicht leisten, doch wer braucht das schon, wenn er einen solch Schatz wie das „La Maison“ hat. Für die renommierte „New York Times“ ist das Haus in Saarlouis eine von acht empfehlenswerten Adressen in Europa. Die Begründung: weil sich der Gast in der Vier-Sterne-superior-Herberge wie zu Hause fühle.
Informationen
Führungen:Übernachten:Das Genuss-Arrangement am Wochenende beinhaltet zwei Übernachtungen mit Frühstück, zwei Vier-Gänge-Menüs, Leihfahrräder für zwei Tage sowie die Saarland Card. Das Paket kann ab 295 Euro pro Person im Parkzimmer gebucht werden.
Beim Gourmet-Arrangement gibt es als Höhepunkt ein siebengängiges Menü im „Louis”. Das Paket umfasst zudem drei Übernachtungen mit Frühstück, zwei Vier-Gänge-Menüs im „Pastis”, Leihfahrräder für zwei Tage und die Saarland Card. Kosten ab 534 Euro pro Person.
Auskünfte: