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Über 11.000 Anrufe pro Jahr

Seit 60 Jahren leisten Mitarbeiter bei der Telefonseelsorge in Karlsruhe Hilfe in Notsituationen

Ein Pfarrer aus London gab einst den Startschuss für die Telefonseelsorge. In Karlsruhe kümmern sich rund 85 Ehrenamtliche um die Anliegen der Anrufer.

Frau am Telefon
Bei der Karlsruher Telefonseelsorge sind rund 85 Ehrenamtliche aktiv. Ein wichtiges Credo ist Anonymität. Nicht nur Anrufer, auch die Ehrenamtlichen sollen anonym bleiben. Foto: Rake Hora

Einsamkeit, Beziehungsprobleme, Krankheiten, Depressionen oder emotionale Erschöpfung, das sind die Themen, die am häufigsten angesprochen werden, wenn sich Menschen an die Telefonseelsorge wenden. Immer wieder werden die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater an den Telefonen aber auch mit Suizidgedanken von Anrufern konfrontiert.

„Der Selbstmord einer jungen Frau war es auch, der dazu führte, dass ein anglikanischer Pfarrer 1953 in London die Telefonseelsorge ins Leben rief“, sagt Alexander Herzfeld. Er ist evangelischer Pfarrer und systemischer Supervisor und leitet, zusammen mit der Psychologin und Theologin Sibylle Hatzelmann-Bayer, die Telefonseelsorge in Karlsruhe. Diese feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen.

Start im Dezember 1962

„Der Londoner Pfarrer hatte den Bedarf an Unterstützung erkannt und wollte nicht weiter tatenlos zusehen“, erklärt Herzfeld. Bereits drei Jahre später, 1956, startete in Berlin die erste deutsche Telefonseelsorge, am 1. Dezember 1962 gingen bei der Karlsruher Telefonseelsorge die ersten Anrufe ein.

„Eigentlich hätten wir bereits vergangenes Jahr feiern können, wir wussten jedoch nicht, wie sich die Corona-Situation entwickelt und haben die Feierlichkeiten daher nach hinten verschoben“, erklärt Hatzelmann-Bayer. Sie erinnert auch an den evangelischen Pfarrer Gerhard Leiser, der die Gründung in Karlsruhe initiiert hatte und die Telefonseelsorge bis 1974 leitete. „Ökumenisch arbeiten wir seit 1977“, meint sie und fügt hinzu, dass in Karlsruhe neben der evangelischen und der katholischen Kirche auch die Alt-Katholische Kirche und die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde zu den Trägern gehören.

11.300 Anrufe im vergangenen Jahr

Angefangen hat alles mit rund 20 Ehrenamtlichen, die, so sagt es die Statistik, im ersten Jahr rund 1.100 Telefonate entgegennahmen. „Wenn man bedenkt, dass es damals noch kaum Telefone gab, waren das viele Anrufer“, stellt Herzfeld fest. Heute arbeiten für die Karlsruher Telefonseelsorge rund 85 Ehrenamtliche. Im zurückliegenden Jahr gingen bei ihnen über 11.300 Anrufe ein.

Zusätzlich gab es mehr als 400 Chat-Anfragen. „Besonders oft geht es um Einsamkeit, um soziale Entwurzelung oder um Beziehungsprobleme“, sagt Herzfeld. Hatzelmann-Bayer fügt hinzu, dass sie seit 20 Jahren für die Statistik zuständig sei und sich die großen Themen in dieser Zeit kaum geändert hätten.

Schwierige Themen lassen sich nur in dieser Anonymität offen ansprechen.
Sibylle Hatzelmann-Bayer
Theologin

Hatzelmann-Bayer betont, dass von Anfang an auf die Anonymität der Beratung Wert gelegt wurde. „Schwierige Themen lassen sich nur in dieser Anonymität offen ansprechen“, meint sie. Diese Erfahrung machen auch Beate und Willi. Die beiden sind seit sechs, beziehungsweise seit zehn Jahren als ehrenamtliche Mitarbeiter an den Telefonen tätig und wollen nur ihren Vornamen nennen. „Auch die Mitarbeiter müssen anonym bleiben, damit kein potenzieller Anrufer Angst haben muss, eventuell am Telefon auf einen Bekannten zu treffen“, erklärt Willi.

Fragen rund um die Geschlechterzugehörigkeit werden mehr.
Willi
Ehrenamtlicher

Er hat festgestellt, dass sich seit einigen Jahren doch ein neues Thema – vor allem bei jungen Anrufern – auftut: „Fragen rund um die Geschlechterzugehörigkeit werden mehr“, sagt er. „Es ist wichtig, zuzuhören und dem Anrufer die Möglichkeit zu geben, sein Herz auszuschütten“, meint Willi. Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben auch die Möglichkeit, Anrufer an Fachberatungen weiterzuverweisen. „Manche der Anrufer tragen ihre Probleme lange in sich, und man spürt die Erleichterung, erstmals offen reden zu können“, ergänzt Beate.

Jeder Anrufer wird ernst genommen

„Wenn es um Suizidgedanken geht, ist es wichtig, empathisch zu sein, Fragen zu stellen, positive Perspektiven anzusprechen und Mut zu machen“, erklärt Beate. „Wir müssen da sein und die Verzweiflung der Anrufer ernst nehmen.“

Den Umgang mit solch schwierigen Themen lernen die Ehrenamtlichen in einer einjährigen Ausbildung. Hatzelmann-Bayer weist darauf hin, dass Ende des Jahres ein solches Ausbildungsjahr startet.

Festgottesdienst zum Geburtstag

Am Freitag, 7. Juli, feiert die Telefonseelsorge ihren runden Geburtstag mit einem Festgottesdienst in der Petrus-Jakobus-Gemeinde, Bienwaldstraße 16. Den Gottesdienst, der um 17 Uhr beginnt, wird unter anderem die badische Landesbischöfin, Heike Springhart, zelebrieren.

Service

Nähere Informationen zur Telefonseelsorge gibt es unter www.telefonseelsorge-karlsruhe.de. Schnelle Unterstützung im Krisenfall bietet die App KrisenKompass, die kostenlos in jedem App-Store heruntergeladen werden kann. Über die Telefonnummer der Geschäftsstelle, (07 21) 1 67 92 77, können sich Interessierte melden, die eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Mitarbeiter machen wollen.

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