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Stimmung angespannt

Demos und Gebete: So reagieren Deutsch-Türken auf den Einmarsch in Syrien

In Pforzheim gehen Kurden auf die Straße, in Ditib-Moscheen beten Türken für Erdogans Sieg – die Stimmung zwischen beiden Lagern ist explosiv. Nun rückt ein Brand bei einem türkischen Fußballclub in den Fokus der Ermittler. War es ein Anschlag?

Kurden-Demo in Stuttgart
Bei Demonstrationen im Südwesten gehen hunderte Kurden auf die Straße und protestieren gegen den Vormarsch des türkischen Miliärs. In Stuttgart kam es am Rande der Demo zu Ausschreitungen. Foto: dpa

In Baden-Württemberg gehen hunderte Kurden auf die Straße, um gegen den Einmarsch des türkischen Militärs im Norden Syriens zu protestieren. Und in Moscheen im Südwesten wird für Erdogans Sieg gebetet. Die Stimmung zwischen beiden Lagern ist explosiv. Und zu Auseinandersetzungen dürfte es nicht nur auf der Straße kommen. Zuletzt rückte ein Brand beim Fußballclub FC Fatihspor Pforzheim in den Blickpunkt. Die türkische Generalkonsulin geht von einem Anschlag aus.

Für Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist die Sache klar: „Bei allem persönlichen Verständnis für die Lage der Kurden, sage ich klipp und klar: Der deutsche Rechtsstaat kann und wird es nicht zulassen, dass ausländische Konflikte auf unseren Straßen mit Gewalt und Aggression ausgetragen werden."

Strobl reagierte damit auf die Vorfälle vom vergangenen Wochenende, als es am Rande einer Kurden-Demonstranten in der Stuttgarter Innenstadt zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen war. 1000 Menschen hatten sich in der Landeshauptstadt versammelt, 900 waren es in Mannheim. Auch in Pforzheim protestierten Kurden. Und es wird weitere Proteste geben.

Strobl warnt vor Gewalt und Aggression

Im Südwesten kommt es zwischen Kurden und Türken immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die türkischen Staatsangehörigen sind die größte ausländische Bevölkerungsgruppe, etwa 250000 zählt das statistische Landesamt für Baden-Württemberg (Ende 2018).

Die Mehrheit der Türken in Deutschland unterstützt die Regierung und Staatschef Recep Tayyip Erdogan, das wurde nicht zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr deutlich. So stimmten etwa in Karlsruhe, Sitz des türkischen Generalkonsulats, fast zwei Drittel der Stimmberechtigten für Erdogan. Der Sieg des Amtsinhabers fiel in Deutschland deutlicher aus als in der Türkei.

Die Deutsch-Türken stehen mehrheitlich hinter Erdogan

Vor allem die Ditib gilt als verlängerter Arm der türkischen Regierung in Deutschland. Sie untersteht der Kontrolle und der Aufsicht der türkischen Religionsbehörde, die wiederum direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Es gibt im Südwesten zahlreiche Ditib-Moscheen, unter anderem in Karlsruhe oder Pforzheim. In Karlsruhe wurde kürzlich für den Neubau der Ditib-Moschee eine Baugenehmigung erteilt.

Kritik an Zusammenarbeit mit Ditib

In der deutschen Politik steht Ditib schon seit längerem in der Kritik. Im Südwesten hatte sich etwa CDU-Justizminister Guido Wolf in der Vergangenheit sehr deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit Ditib ausgesprochen.

Auf Kritik in der Politik stößt nun auch, dass in Moscheen für den Sieg des türkischen Militärs gebetet wird. Auf der Facebook-Seite einer Ditib-Moschee im lothringischen Forbach bei Saarbrücken heißt es etwa:

Nach dem Gebet am Sonntagnachmittag wird die Sure des Sieges gelesen, damit unser Prophet erfolgreich ist.

In der Ditib-Moschee Forbach wird für den türkischen Sieg gebetet.
In der Ditib-Moschee Forbach wird für den türkischen Sieg gebetet. Foto: Facebook (Screenshot)

Zugleich ist der Südwesten auch eine Hochburg der Kurden. Etwa 1400 Anhänger der PKK gibt es nach Angaben des Verfassungsschutzes (2018) in Baden-Württemberg. In Deutschland ist die Arbeiterpartei Kurdistans schon seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt, die EU stuft sie als terroristische Vereinigung ein. Dennoch sieht sich die PKK in Deutschland auch weiterhin als „einzig legitime Vertreterin der Kurden“, wie der Verfassungsschutz schreibt.

1400 PKK-Anhänger im Südwesten

Organisiert sind sie vor allem in PKK-nahen kurdischen Vereinen im Südwesten, sogenannte kurdische Gesellschaftszentren, die es etwa in Karlsruhe, Freiburg, Lahr, Heilbronn oder Stuttgart gibt. „Die PKK ist mit ihrem rechtswidrigen Verhalten und ihrer latenten Gewaltbereitschaft eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, stellt der Verfassungsschutz fest. Zahlreiche Kurden sind in den vergangenen Jahren auch aus Syrien oder dem Irak nach Deutschland geflüchtet.

Konflikte zwischen türkischen und kurdischen Rocker-Gangs

Der Konflikt zwischen Kurden und Türken war schon in den vergangenen Jahren immer mal wieder hochgekocht. Nicht nur bei Demonstrationen, sondern vor allem auch zwischen rockerähnlichen Gruppierungen. Im vergangenen Jahr wurde die Vereinigung „Osmanen Germania Boxclub“ verboten und aufgelöst. Dabei wurden auch Räume in Karlsruhe durchsucht und Vereinsvermögen beschlagnahmt.

Zwischen Mitgliedern der „Osmanen“ und einer ähnlichen, kurdischen Gruppierung mit dem Namen „Bahoz“ (Sturm) war es in der Vergangenheit mehrfach zu Auseinandersetzungen und gewalttätigen Angriffen gekommen. Baden-Württemberg reagierte auf die Vorfälle mit der Einrichtung der „Ermittlungsgruppe Meteor“, die mit dem Staatsschutz zusammenarbeitet. „Bahoz“ hat laut Schätzungen etwa 1000 Mitglieder, die Vereinigung wurde Anfang 2016 in Baden-Württemberg gegründet und hat bis heute im Südwesten ihren Schwerpunkt.

Osmanen Germania
Verbotener Rocker-Club: Die "Osmanen Germania" wurden von den Behörden im vergangenen Jahr aufgelöst. Mit Mitgliedern der kurdischen Vereinigung "Bahoz" kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Foto: dpa

Der türkische Militäreinsatz im Norden Syriens wird die ohnehin angespannte Lage zwischen Kurden und Türken im Südwesten nun weiter anheizen . Dabei geht es nicht nur um Demonstrationen. Auch in Betrieben oder Schulen sind Spannungen zwischen Türken und Kurden zu erwarten.

Brandstiftung in Pforzheim: Generalkonsulin fordert Aufklärung

Wie heikel die Lage gerade ist, machte auch ein Besuch der türkischen Generalkonsulin Banu Terzioglu am Montagabend in Pforzheim deutlich. Sie besuchte den FC Fatihspor Pforzheim, um den Club nach dem Brand seines Sportheims zu unterstützen. „Es wurde ein Anschlag auf das Vereinsgelände verübt“, sagte Terzioglu dort. Allerdings sind die Hintergründe bislang vollkommen unklar. Sicher ist, dass Brandstiftung das Feuer ausgelöst hatte.

Die Polizei ermittelt und holte auch den Staatsschutz mit ins Boot. Es sei „die Erwartung der Türkischen Republik und der in Deutschland lebenden Türken“, so Terzioglu, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen würden.

Generalkonsulin in Pforzheim
Auftritt in Pforzheim: Die türkische Generalkonsulin besuchte nach dem Brandanschlag den FC Fatihspor Pforzheim Foto: Kapp

Terzioglu ist erst seit September Generalkonsulin in Karlsruhe. In Pforzheim machte sie deutlich, dass der militärische Vormarsch der Türkei in Nordsyrien nicht gegen Kurden gerichtet sei, sondern gegen Terroristen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Wochenende allerdings gefordert, dass die Türkei die Militäroffensive stoppt.

Am Dienstag sollte es in Pforzheim erneut eine Kurden-Demonstration am Waisenhausplatz geben. In Karlsruhe sind nach Angaben eines Sprechers der Stadt bislang keine Proteste angemeldet.

In einer ursprünglichen Fassung des Artikels hieß es, die "Sure des Sieges" sei in einer Moschee in Forbach im Schwarzwald gelesen worden. Tatsächlich handelt es sich um das Forbach bei Saarbrücken im französischen Lothringen. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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