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Tiere dringen entlang des Rheins vor

Wanzen-Plage in der Region Karlsruhe: Können kleine Insekten Abhilfe schaffen?

Die Marmorierte Baumwanze und die Grüne Reiswanze haben sich in den letzten Jahren zu bedeutenden Schädlingen von Obst und Gemüse im Südwesten Deutschlands entwickelt. Die Samurai-Wespe könnte als Gegenspieler die Plage stoppen.

Eine Samurai-Wespe ernährt sich von den Eiern der Wanzen.
Die Samurai-Wespe ist der natürliche Gegenspieler der Marmorierten Baumwanze. Sie könnte in einem bundesweiten Forschungsprojekt zur Bekämpfung der Wanzen freigesetzt werden. Foto: Tim Haye

In Schwärmen fielen im Herbst 2018 Wanzen auf der Suche nach einem warmen Winterquartier in Karlsruhe ein und flogen als ungebetene Gäste in viele Wohnungen. „Im Vergleich zu den Vorjahren ist das Aufkommen der Wanzen 2020 schwächer”, sagt Olaf Zimmermann, Insektenkundler am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Karlsruhe.

Doch eine Entwarnung gibt er nicht, denn die Marmorierte Baumwanze und die Grüne Reiswanze breiten sich über den Rheingraben weiter bis ins Ruhrgebiet aus. Funde der Marmorierten Baumwanze in München, Leipzig, Berlin und ganz aktuell auch in Göttingen zeigten, dass die Invasion fortschreite.

Der Experte rechnet damit, dass es in den kommenden Jahren auch in Deutschland starke Wanzenschäden in Obst- und Gemüsekulturen geben wird. „Die Wanzen-Plage bleibt, man muss froh sein über Jahre, in denen es weniger ist”, sagt er.

Goldener Weg ist die biologische Kontrolle

Das LTZ Augustenberg kartiert im Rahmen eines Verbundprojektes mit dem Julius Kühn-Institut (JKI) und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bundesweit das Auftreten dieser Wanzen, um durch Modellierung der zukünftigen Ausbreitung ein Vorwarnsystem aufzubauen. Konkret geht es darum abschätzen zu können, welche Regionen betroffen sein könnten.

Die zwei Wanzenarten haben sich verbündet, um uns das Leben schwer zu machen.
Olaf Zimmermann, Insektenkundler

Ein Kraut oder Pestizid ist bislang nicht gegen die Wanzen gewachsen. „Aktuell sind uns die Hände gebunden”, sagt Zimmermann. Auch die Anwendung von zugelassenen Mitteln sei die Ausnahme. „Der Goldene Weg ist die klassische biologische Kontrolle”, erklärt der Experte. Doch noch hätten die Wanzen keinen Gegenspieler, der „Sterblichkeitsfaktor” fehle. Die Forscher des LTZ setzen deshalb große Hoffnungen auf die asiatische Samurai-Wespe.

Eine Grüne Reiswanze sitzt auf Holunderbeeren.
Die Grüne Reiswanze, auch Stinkwanze genannt, ist eigentlich in Afrika zuhause. Seit den 90er-Jahren ist sie auch in Baden-Württemberg zu finden. In diesem Sommer ist sie rund um Karlsruhe besonders häufig auf Holunderbüschen anzutreffen. Foto: Olaf Zimmermann

Die Schlupfwespen-Art ist der natürliche Feind der Wanzen. Sie ernähren sich von den Eiern der Wanzen. In einem Projekt könnten diese Gegenspieler als biologische Lösung zur Bekämpfung der Wanzen freigesetzt werden. Erste Versuche gebe es in Italien und der Schweiz. „Das ist ein guter Kandidat, das wurde weltweit bestätigt”, ist Zimmermann optimistisch, auch wenn die Ansiedelung von nicht heimischen Arten immer eine Gefahr berge.

Deshalb sei größte Vorsicht geboten. Für die Umsetzung des Projekts warten die Experten noch auf die Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz.

Wanzen saugen Saft aus Früchten

In der Schweiz und in Südtirol, wo bereits Versuche mit der Samurai-Wespe laufen, verursachten die Wanzen Millionenschäden an Birnen, Äpfeln und Haselnüssen. Der LTZ-Forscher beziffert die wirtschaftliche Katastrophe für die Erzeuger dort mit 500 bis 600 Millionen Euro. „Himbeeren mögen beide gerne”, erklärt er.

Aber auch Hibiskus und Holunder seien vom südlichen Rheingraben bis Frankfurt schon stark betroffen gewesen. „Gartenbesitzer werden sie auch an Tomaten kennenlernen”, sagt Zimmermann. Wanzen seien saugende Insekten, die den Saft gerade aus Tomaten und Früchten saugten. Durch ihre Stinkdrüsen verändere sich der Geschmack, die Früchte werden bitter, sind nicht mehr genießbar. Erzeuger würden daraufhin ganze Chargen ihrer „verwanzten Produkte” nicht mehr loswerden.

Zwei Marmorierte Baumwanzen krabbeln auf dem Blatt eines Trompetenbaums.
Die Marmorierte Baumwanze, hier sind zwei Exemplare auf einem Trompetenbaum unterwegs, stammt ursprünglich aus Asien. Sie kann starke Schäden an Obst- und Gemüsekulturen anrichten. Foto: Olaf Zimmermann

Im Südwesten gebe es noch keine Schäden auf der Fläche, aber durchaus in einzelnen Betrieben. In Freiburg seien schon Schäden von 30 bis 40 Prozent gemeldet worden. „Wir sind zur Zeit in einer Phase, in der es sich aufbaut”, erklärt Zimmermann.

Sowohl die Marmorierte Baumwanze aus Asien als auch die Grüne Reiswanze aus Afrika sind als invasive Arten sowohl Effekte des Klimawandels als auch des globalen Handels. Die Grüne Reiswanze bezeichnet Zimmermann als „klimasensitiv”. Sie sei schon seit den 90er-Jahren in Baden-Württemberg angesiedelt, in kalten Winter aber reduziert worden. Erst durch das mildere Klima vermehre sie sich stärker.

Der Chinagarten in Zürich war der Ground Zero für die Marmorierte Baumwanze.
Olaf Zimmermann, Insektenkundler

Bei der Marmorierten Baumwanze spricht man von der „Züricher Einschleppung” seit den frühen 2000ern. „Der Chinagarten in Zürich war der Ground Zero für die Marmorierte Baumwanze”, weiß der Insektenkundler. Beim Bau des Chinagartens am Züricher See seien für die Gebäude Original-Schindeln aus China verbaut worden, inklusive der kleinen Einwanderer.

Eine Grüne Reiswanze krabbelt über ein Holunderblatt.
Wanzen werden ihn ihrer Entwicklung von der Larve zur Wanze Nymphen genannt. In ihrer letzten Entwicklungsstufe ist die Grüne Reiswanze sehr auffällig. Foto: Olaf Zimmermann

„Die Marmorierte Baumwanze und die Grüne Reiswanze haben sich miteinander verbündet, um uns das Leben schwer zu machen”, sagt Zimmermann. Während es in den Jahren 2016 und 2017 noch ein zwei Funde in Karlsruhe gegeben hätte, seien es jetzt Dutzende.

Beide Arten treten zunächst im städtischen Bereich auf, von dort breiten sie sich auf die landwirtschaftlichen Flächen aus. Die beiden Wanzenarten kommen an bis zu 300 möglichen Wirtspflanzen vor, aktuell ist die Marmorierte Baumwanze verstärkt an Trompetenbaum und die Grüne Reiswanze an Holunder zu finden.

Seit zwei Wochen werden bei beiden Arten Eigelege und kleine Jungtiere, sogenannte Nymphenstadien, der zweiten Generation beobachtet. Während die Marmorierte Baumwanze und ihre Larven an unscheinbare braune Käfer erinnern, ist die Grüne Reiswanze mit ihren bunt gepunkteten Larven sehr auffällig. Um Ausbreitungskarten dieser invasiven Wanzenarten erstellen zu können, ist das LTZ auf entsprechende Meldungen angewiesen (siehe Info).

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