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In eigener Sache

Warum Journalisten zwischen allen Stühlen sitzen müssen

Presse unter Druck: Die Gratwanderung der Berichterstattung über die AfD in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung.

Zehn Zitate von Leserzuschriften auf einer Seite zusammengestellt.
Zur Berichtertstattung über die AfD erreichen die Redaktion extrem unterschiedliche Leserzuschriften. Foto: BNN-Grafik

Journalisten müssen zwischen allen Stühlen sitzen, wenn sie ihren Job richtig machen. Eine unabhängige und freie Presse redet niemand nach dem Wort, blickt hinter alle Kulissen, berichtet wahrheitsgetreu und bietet ihren Kunden die Möglichkeit, sich selbst eine Meinung zu bilden. So habe ich den Beruf gelernt und so geben wir unseren Kodex der Neutralität an unseren journalistischen Nachwuchs weiter.

Journalisten ecken immer wieder an

Naturgemäß ecken wir mit diesem Kurs immer wieder an. Vor allem dann, wenn es um strittige Themen geht. Dann kann es durchaus passieren, dass uns unsere Gesprächspartner vorschreiben wollen, was wir schreiben. Oder unsere Leser sind je nach Standpunkt unzufrieden mit dem Ergebnis unserer Recherchen..

Unterschiedliche Reaktionen auf AfD-Berichterstattung

Aktuell erleben wir diese Diskrepanz sehr intensiv bei unserer Berichterstattung über die AfD. Anhänger dieser in Teilen verfassungsfeindlichen Partei werfen uns regelmäßig vor, wir würden als Teil der angeblichen Mainstreampresse nur negativ über die AfD berichten oder sie totschweigen. Was nicht stimmt.

Genau dies fordern umgekehrt überzeugte Demokratiefreunde, die in diesen Tagen oft auf die Straße gehen. Geht es nach ihnen, dürften wir gar nicht über Veranstaltungen von AfD-Spitzenpolitikern berichten, oder Porträts von AfD-Kandidaten veröffentlichen, weil wir damit indirekt rechtsextremes Gedankengut transportieren würden. Was auch nicht stimmt.

Gravierendes Missverständnis von der Aufgabe der Presse

Bei all diesen Positionen macht sich unsere gesellschaftliche Spaltung ebenso bemerkbar wie ein gravierendes Missverständnis von der Aufgabe der Presse. Wir müssen Sachen auf den Grund gehen. Wir müssen unbequeme Fragen stellen. Zum Beispiel, was langjährige Anhänger der Ampel-Parteien dazu bewegt, bei der nächsten Kommunalwahl Anfang Juni für die AfD zu kandidieren.

Natürlich sollten wir dabei den Kontext herstellen, also unsere Gesprächspartner mit den verfassungsfeindlichen Aussagen eines Björn Höcke oder mit den AfD-Sympathien für Kriegstreiber Putin konfrontieren. Das Urteil müsse sich aber unsere Leser bilden. Als Journalisten bilden wir die Realität ab. Wir bieten Einblicke, aber urteilen nicht über Glaubwürdigkeit. Mit Ausnahme unserer Kommentare. Dort sagen wir unsere Meinung.

Wir passen in keine Schublade

Wer mich und meine Kolleginnen und Kollegen in irgendeine Schublade stecken will, wird scheitern. Wir passen dort nicht rein. Schon allein deshalb, weil wir weit über 120 individuelle Charaktere mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen sind. Kritische Köpfe, die alles andere als gleichgeschaltet sind. Genau darin unterscheidet sich die freie Presse im Nachkriegsdeutschland von den Zeitungen und dem Rundfunk in der Nazi-Zeit. Damals waren die Medien ein Propagandainstrument der Machthaber. Deshalb haben ich und meine Kollegen eine dringende Bitte an Sie: Sie können gerne Kritik an unseren Artikeln äußern. Aber bitte begehen Sie nicht den Fehler, uns auf bestimmte Stühle setzen zu wollen.

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