Zur Weihnachtszeit meiner Kindheit gehörte es, dass wir mit dem Pfarrer in einer kleinen Gruppe von Kindern und Jugendlichen auf den Fluren des Krankenhauses Weihnachtslieder gesungen haben. „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein …“ – das mochte ich besonders gern, weil es so eine liebliche Melodie hat. Im letzten Jahr habe ich die Kirche in Bethlehem besucht, in deren Krypta ein mit einem Stern umfasstes Loch den Ort markiert, an dem Jesus geboren ist. Golden, prächtig. Das alles hat längst einen Riss bekommen.
In Bethlehem sind die offiziellen Weihnachtsfeierlichkeiten abgesagt
In den letzten Monaten nach dem Terrorangriff auf Israel und dem darauf entfesselten Krieg denke ich mit Sorge an die Menschen in Bethlehem, in Jerusalem, in Tel Aviv und in Gaza. Dass ausgerechnet in Bethlehem der Erlöser der Welt, der Friedensbringer, Jesus Christus zur Welt kam, das berührt mich in diesem Jahr besonders. Weder lieblich noch prächtig geht es dort in diesen Tagen zu. Die offiziellen Weihnachtsfeierlichkeiten sind abgesagt, aus dem sonst üblichen Trubel aus Weihnachtspilgern ist eine eigene, so gar nicht idyllische, stille Nacht geworden.
Vor einer Woche habe ich mir am Karlsruher Hauptbahnhof das Friedenslicht geholt. Wie in jedem Jahr haben die Pfadfinder es Anfang Dezember in Bethlehem entzündet und es gut gehütet nach Deutschland und Europa gebracht.
Das Licht aus Bethlehem und die sorgsam weitergegebene Flamme zieht eine Spur des Friedens über die Welt direkt aus Bethlehem. In der Weihnachtskirche – direkt neben der Geburtskirche – in Bethlehem hat der Pfarrer eine besondere Krippe aufgebaut. Einen Haufen Trümmersteine, auf denen am Rand Holzfiguren stehen. In der Mitte liegt das Jesuskind, schutzlos zwischen den Trümmern. Es erinnert an all die Kinder und Erwachsenen, die unter den Trümmern des Krieges verschüttet sind, an so vielen Orten der Welt.
Wo vor mehr als 2.000 Jahren Jesus zur Welt kam, liegt heute die Welt und das Leben von unzähligen Menschen in Trümmern. Ausgerechnet aus Bethlehem kommt das Licht der Welt. Der Friedensbringer. Dass es gerade die kleine Stadt Bethlehem war, aus der der Retter der Welt kommt – darüber haben schon die Menschen in biblischen Zeiten gestaunt. Im Buch des Propheten Micha ist die Verheißung zu lesen, dass es Bethlehem ist – der kleinen Stadt unter den Städten in Juda –, aus der einmal der kommen wird, der der Messias für die Welt ist.
Weihnachten nährt die Hoffnung, dass ein Friedensstrahl auch dorthin leuchtet, wo die Welt in Trümmern liegt
Gott kommt dort zur Welt, wo die Welt in Trümmern liegt, wo es kalt und zugig ist. Das Friedenslicht kommt aus den Trümmern, es scheint in die Nächte, in denen Sirenen heulen und die Sorge um die gefangen Gehaltenen den Schlaf raubt. Weihnachten nährt die Hoffnung, dass ein Friedensstrahl auch dorthin leuchtet, wo es dunkel ist, auch bei uns: in verzweifelte und enttäuschte Herzen, in einsame Wohnungen, in zerrüttete Beziehungen. Das Licht des Friedens ist eine leise flackernde Flamme, zerbrechlich und schutzbedürftig. Die Verheißung und die Hoffnung dieses Weihnachtsfestes ist es, dass sich das Licht des Friedens nicht von den Trümmern begraben lässt.
Ausgerechnet aus Bethlehem kommt der Friedensbringer
Das ist vielleicht die größte Weihnachtsüberraschung, dass ausgerechnet aus Bethlehem der Friedensbringer kommt. Hüten wir das Licht – und bleiben wir beharrlich beim Beten und bei unserem Einsatz für den Frieden.
Über den Feldern bei Bethlehem klingt es aus den Mündern der Engel ja seit dem allerersten Weihnachtsfest: Friede auf Erden!