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Entspannungsmethoden unter der Lupe

Weg mit dem Stress: Was Waldbaden, Yoga und Co. wirklich taugen

Sie haben Stress? Dann versuchen Sie es doch mal einer Akupressurmatte. Oder lieber doch Yoga? Waldbaden? Wir haben nachgefragt, was die neuen - und alten - Entspannungsmethoden wirklich taugen.

Mann umarmt Baum
Eins mit der Natur: Ob Waldbaden wirklich Entspannung bringt, ist unklar. Doch dass der Aufenthalt in der Natur sich sehr positiv auswirkt, ist unumstritten. Foto: oneinchpunch/Adobe Stock

Krieg, Klimawandel und Pandemie – die Welt ist im Augenblick kein Ort, der zur inneren Ruhe einlädt.

Dazu kommen private Stressfaktoren: Verpflichtungen in Sachen Beruf, Familie, Pflege oder sogar Freizeitaktivitäten tragen dazu bei, dass viele nicht mehr entspannen können.

Laut der jüngsten Stressstudie der Techniker Krankenkasse steht rund ein Viertel der Menschen in Deutschland häufig unter Stress, zwei Drittel fühlen sich manchmal gestresst. Tendenz steigend.

Das Ergebnis: Rückenschmerzen, Kopfweh, Magenbeschwerden und immer häufiger psychische Probleme. Viele Methoden und Produkte versprechen eine Lösung gegen die andauernde Anspannung. Doch welche von ihnen bringen echte Entspannung?

Wir haben Menschen gefragt, die sich mit der Materie auskennen, darunter Georg Gahn, Direktor der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums Karlsruhe, Psychologin Sandra Waeldin, die zum Thema Stress promovierte und eine Praxis für Stressmanagement in Karlsruhe betreibt, sowie Franca Rauscher, Landesvorsitzende des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker.

Finger weg vom Handy: Digital Detox

Samstags ein Buch in die Hand nehmen und nicht das Tablet, Handyverbot im Schlafzimmer: Mit „Digital Detox“ ist eine digitale Entgiftung gemeint, die dadurch erreicht wird, dass zeitweise oder in bestimmten Räumen auf digitale Medien verzichtet wird.

„Eine Pause von den Medien kann sehr gut tun“, sagt Heilpraktikerin Franca Rauscher. Gerade der Druck, ständig erreichbar sein zu müssen, sei Auslöser für starke Stressreaktionen. „Digitalfreie Zeiten schaffen Raum und Zeit für analoge Alternativen, die es wiederzuentdecken gilt“.

Ein medizinisches Argument für die Methode führt Neurologe Georg Gahn an: „Der Blaulichtanteil von Smartphone-Bildschirmen ,spielt‘ unserem Gehirn vor, es sei noch Tag. Dadurch wird die Ausschüttung von Melatonin gehemmt, das schlaffördernd wirkt. Somit kommt es zu einem gestörten Nachtschlaf mit Müdigkeit und Konzentrationsstörungen tagsüber.“

Klare Empfehlung also für „Digital Detox“? „Vielleicht muss es nicht völlige Enthaltsamkeit sein, aber ein deutlich reflektierter Umgang ist essenziell für Erholung und gesunden Schlaf“, urteilt Psychologin Sandra Waeldin.

Hypnose fürs Ich: Autogenes Training

Sich selbst hypnotisieren – im Prinzip ist es genau das, was man lernt, wenn man es mit Autogenem Training versucht. Das Entspannungsverfahren basiert auf Autosuggestion, der Fähigkeit, das eigene Unterbewusstsein zu trainieren, an etwas Bestimmtes zu glauben. So sollen eigentlich unwillkürlich ablaufende Körperfunktionen wie Herzschlag oder Hormonausschüttung willentlich beeinflusst werden können.

Was auf den ersten Blick esoterisch daherkommt, ist unter den Experten eine völlig unumstritten wirkungsvolle Entspannungsmethode. „Autogenes Training zählt zu den am besten untersuchten Verfahren mit entspannender Wirkung“, so Psychologin Sandra Waeldin, die selbst Autogenes Training in ihrer Praxis anbietet.

Daneben verbessere es Schlafqualität, Wohlbefinden, unterstütze den Umgang mit Schmerzen und reduziere Ängstlichkeit. „Autogenes Training kann nach kurzer Anleitung eines Therapeuten selbstständig angewendet werden“, ergänzt Heilpraktikerin Rauscher. Bei Bedarf könnte man sich dann selbst einen Rückzug von der Außenwelt verschaffen. „Die Möglichkeit zur Selbstheilung erhöht sich.“

Dieses wohlige Kribbeln: Was ist ASMR?

Wer nicht weiß, was ASMR ist, muss auf Videoplattformen wie Youtube einfach nur den Begriff eingeben und bekommt Abertausende Videos ausgespuckt. Darin sprechen Menschen leise in Mikrofone oder reiben ihre Hände aneinander – alles nur, um bei ihren Zuschauern ein kribbelndes Gefühl auf der Haut zu verursachen, das vom Hinterkopf über den Rücken wandert und von vielen Menschen als angenehm und extrem entspannend empfunden wird.

ASMR (die Abkürzung von: Autonomous Sensory Meridian Response) bezeichnet ebenjenes Kribbeln, das durch die akustischen oder optischen Reize ausgelöst wird. „Im Grunde sind es Nachahmungen von ganz natürlichen sensorischen Reizen wie sanftes Berühren oder Streicheln“, erklärt Neurologe Georg Gahn.

Die Frage bleibt: Ist ASMR eine legitime Entspannungsmethode? „Bisher gibt es nur Einzelbefunde“, so Sandra Waeldin. Erst vor kurzer Zeit habe man überhaupt die Forschung daran begonnen. Klar ist: Entspannung durch ASMR klappt nur, wenn man das Kribbeln auch fühlt, was nur ein Teil der Menschen kann. Für alle anderen ist die Methode ungeeignet.

Fürs Fakir-Gefühl: Akurpressurmatten

Frau auf Akupressurmatte
Piksig: Akupressurmatten im Visier. Foto: Mitch Shark/Adobe Stock

Nur die Harten kommen in den Garten, oder eher: halten es eine Weile auf einer sogenannten Akupressurmatte aus. Die Matten, deren Oberfläche mit Hunderten von spitzen Noppen aus Hartplastik bedeckt sind, haben Ähnlichkeit mit den Nagelbrettern von Yogis und Fakiren vergangener Zeiten – und sind heute der neueste Schrei.

Hersteller wie die der berühmten „ShaktiMat“ versprechen, dass Akupressurmatten – nicht zu verwechseln mit Akupunktur – ihren Nutzern nicht nur Linderung bei Rückenschmerzen und Verspannungen bringen, sondern auch aktiv Stress bekämpfen. Zudem werde die Durchblutung und die Produktion von Glückshormonen angeregt. „Diese Matten führen über Druck zu sensorischen Reizen“, sagt Mediziner Georg Gahn, „nach meinem Verständnis wird dadurch das Prinzip einer Massage nachgeahmt“.

Der entspannende Nutzen dabei: unsicher. „Dazu gibt es bisher wenig Befunde“, sagt auch Psychologin Sandra Waeldin. Zumal die Sicherheit der Matten nicht gut untersucht sei. „Eine Studie berichtet von Schmerzen bei Teilnehmern in den ersten Minuten auf der Matte.“

Sagen Sie „Om“: Meditation fürs Handy

Meditation soll die Stimmung heben, den Umgang mit den eigenen Gefühlen verbessern, die Konzentrationsfähigkeit erhöhen und das Denken klarer machen. Dass das gut und hilfreich für die Entspannung ist, ist unumstritten.

„Viele Menschen erleben eine ständige Gedankenflut, die sich gar nicht reduzieren lässt. Meditation hilft und unterstützt hier essenziell“, erklärt Heilpraktikerin Franca Rauscher. Heutzutage gibt es jede Menge Apps, die geführte Meditationen anbieten. Sie heißen Calm, Headspace, 7 Mind oder Serenity und machen allesamt große Versprechen in Sachen Entspannung.

Die muss man laut den Experten zwar nicht alle glauben. Trotzdem: „Warum soll eine uralte Technik, die in ganz verschiedenen Kulturkreisen angewendet wird, nicht auch mit modernen Medien funktionieren?“, fragt Georg Gahn, der sich daran erinnert, als Jugendlicher selbst Meditationen auf damals „hochmodernen“ Musikkassetten mitgemacht zu haben. „Geführte Meditationen sind eine schöne Einstiegsmöglichkeit, Mediation ins eigene Leben zu integrieren“, befindet Heilpraktikerin Franca Rauscher.

Schwer im Trend: Gewichtsdecken

Einige Menschen schwören darauf: Bettdecken, die mit einem Gewicht von vier bis zum Teil über zehn Kilogramm dafür sorgen sollen, dass Beruhigung und Entspannung einkehren. Vor allem gestressten Menschen oder solchen, die unter Angststörungen leiden, werde durch den Tiefendruck der Decken auf Muskeln und Gelenke dabei geholfen, abends zur Ruhe zu kommen und besser einzuschlafen.

Was ist nun aber dran an den Schlafgewichten? Klinikchef Georg Gahn gibt sich neutral: „Angenehme sensorische Wahrnehmungen können angstlösend wirken, beispielsweise beim Hören schöner Musik, beim Streicheln oder Riechen angenehmer Düfte. Schwere Bettdecken sollen durch ihr Gewicht das Gefühl von Geborgenheit vermitteln.

Dies ist wissenschaftlich zwar nicht erwiesen, man kann sich aber vorstellen, dass es entspannend wirken kann.“ Psychologin Sandra Waeldin sieht die Gewichtsdecken etwas kritischer: „Gerade bei Angst würde ich eher Methoden zur Selbstregulation ohne Hilfsmittel wählen.“

Mit der Kobra zur Ruhe: Yoga

Älterer Mann macht Yoga.
In Position: Yoga hat viele Jünger. Foto: InsideCreativeHouse/Adobe Stock

Wer den Tag mit dem Sonnengruß beginnt oder eine der vielen anderen Yoga-Übungen und Positionen praktiziert, der macht nach Meinung der Experten definitiv nichts falsch. Solange er sich damit auskennt, versteht sich.

„Yoga gehört sicher zum bewährten Standardrepertoire für die Entspannung des Körpers, der Seele und des Gehirns“, sagt Neurologe und Klinikdirektor Georg Gahn. Das bestätigt Psychologin Sandra Waeldin, die auf eine zunehmende Anzahl von Studien mit vielversprechender Wirkung dieser Entspannungsform auch für psychische Effekte verweist.

„Yoga bedeutet einen Mix aus Atmung und Bewegung in Kombination mit Meditation. Die Balance und die Beweglichkeit verbessern sich und ein Entspannungseffekt entsteht“, so erklärt es Franca Rauscher. Menschen, die Yoga regelmäßig praktizieren, erleben der Heilpraktikerin zufolge einen positiven Effekt auf das Stressempfinden.

In der Folge lassen sich ihrer Erfahrung nach sehr oft positive Effekte auf Schmerzen oder Schlafprobleme beobachten. So steige auch die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl.

Die Natur soll’s richten: Waldbaden

In Japan wird nicht diskutiert, ob Waldbaden sinnvoll ist. Dort ist „Shinrin Yoku“ schon lange eine anerkannte Therapieform, die extrem positive Auswirkungen auf Körper und Geist haben soll.

Man vermutet, dass dies auf Terpenen beruht, den Ingredienzen ätherischer Öle, die aus Rinden und Blättern ausdünsten. Nimmt der Mensch sie über Haut und Lunge auf, beruhige sich der Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems. Ob Letzteres wirklich der Fall ist, daran hat Neurologe Georg Gahn Zweifel. Trotzdem „ist es sicher ausgesprochen gut für Körper und Geist, sich im Wald aufzuhalten“, sagt er.

Dort sei man so vielen verschiedenartigen Sinneseindrücken ausgesetzt, dass das Gehirn positiv stimuliert wird, was wiederum positive Gefühle verursacht.

Psychologin Waeldin befindet den Nutzen des Waldbadens aufgrund unterschiedlicher Methoden als schwer beurteilbar. Die Kombination aus Bewegung, Natur und sozialen Kontakten sei jedoch „unbedingt empfehlenswert“.

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