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Geschäftsleute klagen über Einbußen

Bahnschranke sperrt in Bretten die Kunden aus

Wütend und der Verzweiflung nahe zeigen sich Geschäftsleute aus dem Brettener Stadtteil Diedelsheim. Ob Bäckerei, Metzgerei oder Dönerstand - sie alle verlieren seit Monaten Kunden durch die dauerhafte Schließung der Bahnschranken mitten im Ort.

Einsatz gefordert: Friedbert Stiefel hat eine Bäckerei in Diedelsheim und ist wütend. Die dauerhafte Schließung der Bahnschranken kostet ihn rund 20 Prozent seines Umsatzes. Die Straße vorm Geschäft ist oft tot. Wie andere Unternehmer im Ort fordert er von der Stadt, sich bei der Bahn einzusetzen.
Einsatz gefordert: Friedbert Stiefel hat eine Bäckerei in Diedelsheim und ist wütend. Die dauerhafte Schließung der Bahnschranken kostet ihn rund 20 Prozent seines Umsatzes. Die Straße vorm Geschäft ist oft tot. Wie andere Unternehmer im Ort fordert er von der Stadt, sich bei der Bahn einzusetzen. Foto: Irmeli Thienes

Ärger, Unverständnis und beinahe auch Verzweiflung bewegt Unternehmer im Brettener Stadtteil Diedelsheim. Ihnen brechen Umsätze von rund zehn bis 30 Prozent weg. Im April schloss die Bahn die Schranken mitten im Ort zugunsten des Ausbaus zur Schnellbahntrasse Mannheim-Stuttgart. Sie fordern von der Stadt, sich für sie einzusetzen, auch bei der Bahn AG. Und während in Gondelsheim per Sonderregelung erreicht wurde, dass die Schranken wieder normal öffnen, sei dies trotz desselben Zugverkehrs durch beide Orte in Diedelsheim nicht möglich, so die Pressestelle der Bahn.

Die Diedelsheimer Unternehmer sind sauer, denn noch ist nicht einmal Halbzeit bei der Sperrung. Sie ist für die Arbeitsdauer bis 31. Oktober festgesetzt.

Trägt die Bahn vielleicht unsere Ausfälle?
Hans-Georg Axenfeld, Inhaber der Schwandorf-Apotheke Diedelsheim

„Der Durchfahrtsverkehr aus Dürrenbüchig, Rinklingen und Gondelsheim fällt komplett weg“, sagt Apotheker Hans-Georg Axenfeld in der Schwandorfstraße. „Corona macht natürlich auch etwas aus, dass die Leute ausbleiben, aber zum Großteil liegt es am Bahnübergang. Am Nachmittag kommt nur die Hälfte der Kundschaft.“

Seine Frau fügt an, als Dorfapotheke lebe man ohnehin fast an der Grenze, und nun fehle ein Drittel der Kundschaft. „Wir können nur hoffen, dass die Banken mitspielen“, so die Axenfelds. „Wir haben öfter schon wochenlange Bahnsperrungen gehabt, aber sieben Monate!“ Das Apotheker-Ehepaar wüsste gerne: „Trägt die Bahn vielleicht unsere Ausfälle?“

Die Bahn antwortet auf Frage wörtlich: „Wir haben im Vorfeld der Sperrung ... gemeinsam mit einem Ingenieurbüro für Verkehrswesen intensiv Konzepte entwickelt und viel Geld investiert, um die Auswirkungen der Umleitung so gering wie möglich zu halten. Dazu gehören unter anderem die Fußgängerstege, die Beschilderung und dass die Betriebe in dieser Übergangszeit erreichbar sind. Eine Entschädigung der Anrainer von Seiten der DB ist nicht möglich.”

Die Axenfelds: „Wenn wir jetzt noch Anwaltskosten zahlen sollen, können wir zumachen.“ Die Antwort auf diese Frage, ob die Bahn das einkalkuliere, dass Anwaltskosten vorzuschießen für die Anrainer zu riskant sei, steht seitens der Bahn derweil aus.

Eine absolut untaugliche Konstruktion
Friedbert Stiefel, Bäckerei Stiefel Diedelsheim

Hielte wenigstens die Behelfsbrücke, was ihr Name verspricht und verhülfe Passanten und Radfahrern über die Trasse überallhin in den Ort, seufzt Bäckerei-Chef Friedbert Stiefel. Aber auch Ortsvorsteher Martin Kern hält sie für wenig gelungen, zu steil. Vor allem die Radrinne über die Brücke sei „ein Witz“. Auf den ersten Blick ist vor Ort erkennbar: Die Radrinne befindet sich zu dicht am Geländer.

Spricht Tacheles: Bäcker Friedbert Stiefel will sich den Stiefel der Bahnargumente nicht anziehen. Die losere Dichte der Züge während der ersten Monate der Corona-Krise hätte seines Erachtens eine Lockerung der Schließzeit erfordert zugunsten der Geschäftswelt.
Spricht Tacheles: Bäcker Friedbert Stiefel will sich den Stiefel der Bahnargumente nicht anziehen. Die losere Dichte der Züge während der ersten Monate der Corona-Krise hätte seines Erachtens eine Lockerung der Schließzeit erfordert zugunsten der Geschäftswelt. Foto: Irmeli Thienes

„Eine absolut untaugliche Konstruktion“, sagt Bäcker Stiefel,der seine Umsatzeinbußen im Ort bei rund 20 Prozent sieht. „Man bräuchte halt Zivilcourage,um sie weiter in die Treppenmitte zu setzen“, sagt er an die Adresse der Stadt. Denn von der Bahn erwarte er diesbezüglich gar nichts mehr. „Deren Arroganz ist unfassbar. Die Bahn ist null kommunikativ. Sie wiederholt nur immer, es führen so viele Züge, dass eine Schließzeit von 50 Minuten die Sperrung rechtfertige. Während Corona fuhren aber faktisch viel weniger.“ Die Stuttgarter Pressestelle der Bahn dazu: „Die 50 Minuten sind von den Fachleuten seriös und nachweisbar ermittelt.”

Warum hat Gondelsheim eine Sonderregelung?
Jürgen Collmer, Inhaber der Metzgerei Collmer Diedelsheim

„Wer sich das ausgedacht hat, hat überhaupt nicht an Ältere und Behinderte gedacht“, sagt auch Devran Altay zur Behelfsbrücke. Dem Inhaber der Nusret Döneria fehlen etwa zehn Prozent seines Umsatzes. Ein radelnder Kunde habe sich schon die Hand verletzt,als er die Brücke überquerte und ins Lokal kam, berichtet Jürgen Collmer vom Gasthaus Sonne.

Mehr als im Restaurant spürt er die Geschäftseinbußen in seiner Metzgerei mit rund 20 Prozent Minus. Collmer wüsste auch zu gern, „wie der Rupp das in Gondelsheim hingekriegt hat, dass die Schranken dort öffnen dürfen?“

Bereit zur Hilfe unter bestimmten Voraussetzungen

Brettens Oberbürgermeister Martin Wolff sagt zum Brückenproblem, er würde am liebsten die Radrinne selbst verlegen. Aber: „Wir können uns nicht am Eigentum anderer zu schaffen machen.“ Beim Zeitplan der Bahn bleibe es und mit der Gondelsheimer Regelung sei die Bahn nach seinen Kenntnissen selbst nicht glücklich. Grund der Gondelsheimer Regelung sei seines Wissens die Vielzahl der Betroffenen in Gondelsheim. Die Frage der BNN an die Bahn AG diesbezüglich wurde bislang nicht beantwortet.

Zu ruhig: In der Schwandorf-Apotheke bleibt die Kundschaft aus Dürrenbüchig, Rinklingen oder  Gondelsheim aus und auch die Laufkundschaft von der anderen Seite der Bahnschranke kommt selten über die baulich fragwürdige Behelfsbrücke.
Zu ruhig: In der Schwandorf-Apotheke bleibt die Kundschaft aus Dürrenbüchig, Rinklingen oder Gondelsheim aus und auch die Laufkundschaft von der anderen Seite der Bahnschranke kommt selten über die baulich fragwürdige Behelfsbrücke. Foto: Irmeli Thienes

Er wolle sich allerdings dafür einsetzen, so der Oberbürgermeister, auch bei der Bahn, wenn jemand einen konkreten Hilfsantrag an die Bahn stelle. „Gern im CC an uns”, sagt Wolff. Allerdings heiße es dann auch, Zahlen offenzulegen. „Wir können keine Hilfen bewilligen, ohne konkrete Kenntnis der jeweiligen Situation.” Das müsse jeder verstehen, so der OB.

Züge kommen in Gondelsheim zeitgleich aus beiden Richtungen 
Pressestelle der Bahn AG in Stuttgart

Lediglich zu knapper schriftlicher Stellungnahme bereit,hieß es von der Pressestelle Stuttgart zur Brücke, sie sei „entsprechend aller Normen errichtet“. Und zur Gondelsheimer Regelung heißt es, dass dort „der Bahnübergang geöffnet werden kann, liegt an anderen Bedingungen im Bahnbetrieb:Zwar fahren in beiden Orten die gleichen Züge, jedoch liegt Gondelsheim so im Fahrplan, dass die Züge aus beiden Richtungen zur fast gleichen Zeit am Bahnübergang ankommen. Dadurch muss für zwei Züge nur einmal die Schranke geschlossen werden.“

Dass zudem die Beschilderung für Unmut sorgt, kann Martin Wolff verstehen. So weisen die Schilder bereits am Alexanderplatz Richtung Diedelsheim auf die Sperrung hin und halte Durchfahrt-Verkehr fern, zumindest bis zu ihnen zu gelangen, sind die Geschäftsleute einig. Der OB: „Das geht nicht anders, da beispielsweise Lastwagen sonst in der engen Ortsmitte landen. Wir hatten schon so einen Fall.“ Stimmt. Da landete ein Lkw beim Drehversuch im Gartenzaun, bestätigt Martin Kern und seufzt.

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