Eine Infektion mit dem Coronavirus hat vor einer Woche eine Anschlussunterbringung (AU) in Bretten in den Fokus gerückt. Bislang wurde dort laut Stadt keine neue Infektion gemeldet. Aber schon vor dem Corona-Fall war die Situation an der Schießmauer wegen unterschiedlicher persönlicher und psychischer Hintergründe schwierig.
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Jetzt aber fühlten sich einige – wegen der Quarantäne – „eingesperrt“, sagt eine Mutter. Die Notwendigkeit der Quarantäne einerseits zu verstehen, sie aber andererseits einzuordnen, emotional zu verkraften, ist zweierlei.
Die erwachsene Tochter war im Dezember zu einer Freundin ins Haus An der Schießmauer gezogen. Sie sind die einzigen Frauen unter 36 Bewohnern.
Die erste Grundversorgung bezahlte die Stadt
Reis, Eier, ein Toastbrot und etwas Gemüse und Käse waren in den 70 Paketen mit Lebensmitteln, die die Diakonie Bretten noch am Tag des Bekanntwerdens des ersten Falles anlieferte. Diese „Grundversorgung“ bezahlte die Stadt Bretten.
„Ja, jeder Bewohner erhielt zwei Tüten“, sagt die 30-Jährige, deren Mutter sich an die BNN wandte. „Aber weder Getränke waren dabei, noch Klopapier oder Hygieneartikel“, ergänzt die junge Frau. Am Telefon wird spürbar, dass da einige Nerven blank liegen. Security steht am Absperrgitter. Die Gereiztheit drinnen trifft draußen auf Bemühen vieler Verantwortlicher von Stadt, Landratsamt und anderen.
Diakonie sammelt täglich Einkaufszettel ein
„Seit Dienstag sind wir täglich an der Schießmauer und holen Einkaufszettel ab. Die Bewohner geben sie der Security“, sagt Achim Lechner, Leiter der Diakonie Bretten. Niemand habe wissen können, was aktuell drinnen fehle. Seit Dienstag müssten die Bewohner ihre Einkäufe selbst bezahlen, wie sonst ja auch.
Wer sich meldet, dem wird geholfenAchim Lechner, Leiter der Diakonie Bretten
Doch nicht alle können das, erfuhren die BNN. „Es gibt hier drinnen auch Menschen mit Drogenproblemen“, sagt die 30-Jährige, und andere gebe es mit Depressionen. Lechner: „In Quarantäne ist Sucht natürlich ein Problem. Aber wir kooperieren eng mit der Heidelberger Stadtmission, die auch Drogenberatung vor Ort macht. Und wir versichern, wer sich meldet, dem wird geholfen. Sucht ist nicht strafbar, auch Konsum nicht, nur der Besitz. Und unsere Helfer unterliegen der Schweigepflicht.“ Befürchtungen wegen polizeilicher Verfolgung seien unnötig.
Medikamente nehmen den Suchtdruck
Vielmehr könne mit Medikamenten der Suchtdruck gesenkt werden, um die Lage in Quarantäne zu bessern, versichert Achim Lechner. In solchen Situationen allerdings fehlt Manchen selbst die Kraft, Hilfe zu holen oder für „Papierkram“, um Anträge auf Beihilfen zu stellen. „Ein Drama“, sagt die Mutter und trägt wieder Selbstgekochtes hin.
Verschiedene Zuständigkeiten für die Bewohner im Gebäude Schießmauer erleichtern die Suche nach den Ansprechpartnern nicht. Zwölf der Bewohner sind Wohnungslose. Für sie ist die Stadt zuständig. Neben ihnen leben hier vor allem Geflüchtete. Für deren Unterbringung und das Liegenschaftsmanagement zeichnet die Stadt verantwortlich.
Viele Helfer mit einem ganzen Netz
Dagegen fallen Beratung, Betreuung und der Integrationsverlauf der Geflüchteten in einer AU – also beispielsweise die Begleitung bis und auf dem Berufsweg – in die Zuständigkeit von Integrationsmanagerinnen des Landratsamts (LRA). Sie vermitteln auch ärztliche oder psychologische Hilfe.
Zwei Integrationsmanager, zuständig für Bretten, sitzen nebenan, ebenfalls an der Schießmauer. Zudem seien sie gut mit den Bewohnern vernetzt, über alle digitalen Kanäle, heißt es sowohl seitens der Stadt als auch beim LRA und bei der Diakonie. Per Newsfeed von Mitarbeitern des LRA erhielten sie auf digitalem Wege Tipps und mehr aufs Handy.
Die Geflüchteten kennen die AnsprechpartnerMyriam Brunner, Amt für Integration am Landratsamt Karlsruhe
Die Wahrnehmung der Bewohner ist eine andere. „Wir erreichen niemanden, wenn wir versuchen anzurufen und keiner ruft zurück“, sagt die 30-Jährige. Myriam Brunner vom Amt für Integration am LRA betont, wer neben Integrationsmanagern und Sozialarbeiterinnen helfe: „Die Geflüchteten kennen die Ansprechpartner.
Bei psychologischer Belastung arbeiten wir eng mit den Gemeindepsychatrischen Verbünden des Landkreises von Diakonie und Caritas zusammen. Ein wichtiger Partner ist die Behandlungsinitiative Opferschutz, die Bios-BW, die das Psychosoziale Zentrum Nordbaden aufgebaut hat.“
Alle Angebote seien niederschwellig, so Brunner. Wie hoch aber selbst niedrige Schwellen aus dem tiefen Loch einer Depression erscheinen, lässt sich nur vermuten, zumal mangels Zutritts wegen der Quarantäne. Drinnen täte ein wenig Hoffnung schon gut, dass die Quarantäne in den nächsten Tagen aufgehoben wird. Falls kein neuer Fall auftaucht.
Als Integrationsmanager sind in Bretten zuständig:
Sebastian Wayß, erreichbar über Email an: sebastian.wayss@landratsamt-karlsruhe.de oder auch unter (0721) 93 67 48 50 sowie mobil unter (0171) 4 13 04 35 und auch Ute Schmidt, ertreichbar per Email an: ute.schmidt@landratsamt-karlsruhe.de oder unter (0721) 93 67 53 80 sowie mobil unter (0151) 20 51 68 50