Das Schicksal dieses uralten Gemäuers bewegt derzeit manche Gemüter in der Stadt. Jetzt hat sich auch der Verein für Stadt- und Regionalgeschichte in die Debatte eingeklinkt. Er befürchtet, dass ein Jahrhunderte altes Gebäudeensemble am östlichen Eingang zur Altstadt dem Bagger zum Opfer fallen könnte.
Schon viel zu viel historische Bausubstanz verlorenWolfgang Stoll, Verein für Stadt- und Regionalgeschichte
Denn an der Ecke Weißhoferstraße und Sporgasse stehen neben dem Haus Böckle, dem ehemaligen Sitz der Bäckerei Böckle, auch die beiden Gebäude Nummer 35 und 37 dem abbiegenden Autoverkehr im Weg. Darum gab es in Bretten bereits vor zehn Jahren Überlegungen, die drei Häuser abzureißen, um an der Einmündung in die Sporgasse einen größeren Kurvenradius zu erreichen.
Der Verein für Stadt- und Regionalgeschichte will das verhindern und weist auf die besondere historische Dimension des Gebäudes hin. Und gibt zu bedenken, dass mit einem Abriss einmal mehr ein Stück Stadtgeschichte unwiederbringlich verloren gehe. „Der Verlust historischer Bausubstanz seit 1945 ist in Bretten ohnehin beträchtlich und schockierend“, sagt der Vereinsvorsitzende Wolfgang Stoll.
Die Geschichte des Böckle-Hauses lasse sich bis ins 17. Jahrhundert in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückverfolgen. Nach dem Stadtbrand 1689 sei das Areal um 1722 in traditioneller Fachwerk-Bauweise wieder neu errichtet worden. Unter dem Haus befinde sich noch der größte Gewölbekeller der Altstadt.
Fast 200 Jahre lang wurde es dann als Gasthaus „Weißes Ross“ bewirtschaftet, das später zum „Zähringer Hof“ wurde.
Anfänge der Firma Neff
In einem Nebengebäude begann Carl Andreas Neff im Jahr 1876 mit seiner Schlosserei und dem Bau des ersten Kohleherds. „Dies war die Geburtsstunde der späteren Neff-Werke“, führt Stoll weiter aus und bezieht sich dabei auf Archivunterlagen, die Stadtarchivar Alexander Kipphan zur Geschichte des Böckle-Hauses zusammengestellt hat.
Der Brettener Gemeinderat hat sich das Gebäude vor kurzem genauer angeschaut. „Das historische Potenzial des Gebäudes war gut wahrnehmbar, das von innen sichtbare Fachwerk zeigt zweifelsfrei, dass es sich um ein Zierfachwerk aus der Entstehungszeit des Hauses handelt“, schreibt Otto Mansdörfer im Nachgang der Begehung. Der Fraktionsvorsitzende der Brettener Grünen weist aber darauf hin, dass das Gebäude derzeit noch voller Müll sei, die Wände mit Gipskarton verkleidet, die Decken abgehängt. All dies erschwere eine angemessene Beurteilung. Eine bauhistorische Untersuchung des Gebäudes sei zwingend, ansonsten sei keine sachgerechte Bewertung möglich.
Für die Entrümpelung des Hauses habe sich bereits eine Gruppe von Leuten zusammengefunden, bekundet Mansdörfer weiter. Diese würden das Gemäuer ausräumen, wenn die Stadt dann den Sperrmüll entsorge.
Neues Domizil für Kunstverein
Für die Grünen sei aber jetzt schon klar, dass das Gebäude unbedingt erhaltenswert sei - unabhängig vom Denkmalstatus. Bei Abbruch der Anbauten im Nachbargebäude 35 entstünde ein reizvoller Hinterhof, der als Entree für das bestehende Kulturdenkmal Pinselfabrik werden könnte. „In der Pinselfabrik könnte der Kunstverein sein endgültiges Domizil finden“, sagt Mansdörfer.
Die Eindrücke bei der Besichtigung des Gemeinderats reichten von toll und erhaltenswert bis abbruchreif.Martin Wolff, Oberbürgermeister
Oberbürgermeister Martin Wolff hält derweil den Ball flach. „Die Eindrücke bei der Besichtigung des Gemeinderats reichten von toll und erhaltenswert bis abbruchreif“, sagt das Brettener Stadtoberhaupt, das vom Erhaltungswert des Gemäuers nicht überzeugt ist. Was denn das Besondere an diesem Haus sei, wollte er von den Ratsmitgliedern wissen. „Unterm Strich blieb die Dimension und die Dachform“ gibt Wolff die Quintessenz wieder. Sehenswert sei auch der große Keller, und möglicherweise gebe es ein bedeutsames Fachwerk.
OB bringt Alternativen ins Spiel
Wolff erinnert auch daran, dass der Brettener Gemeinderat im Jahr 2010 dem Kauf des Areals zugestimmt hat mit dem Ziel, die Gebäude zur Verbesserung der Verkehrssituation abzureißen. Er nennt weitere Optionen: Möglicherweise könne man bei einem Abriss den Keller erhalten, möglicherweise auch das Fachwerk ausbauen und in einen Neubau integrieren. Er bezweifle allerdings, ob es einen Investor gibt, der dafür viel Geld in die Hand nehmen möchte.
Anfang November steht nach Auskunft von OB Wolff ein Vor-Ort-Termin mit Vertretern des Denkmalamtes an. Und wenn dann eine Einschätzung der Denkmalbehörde vorliege, könne man weiterdiskutieren.