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Ökumenisches Forum Gondelsheim

Die Veranstaltung „Baklava und Aramäisch“ lockt zahlreiche Besucher ins Katholische Gemeindezentrum in Gondelsheim

Ein Vortrag über die Sprache Jesu lockt zahlreiche Besucher ins Katholische Gemeindezentrum nach Gondelsheim. Was hat die Süßspeise Baklava damit zu tun?

Fünf Menschen posieren für ein Foto
Von links: Erwin Grab, Rebekka und Naderah Abou, Rosemarie Vollmer und Amal Gorges gaben Einblicke in die aramäische Sprache und Kultur Dazu reichte Naderah Abou ihr selbstgemachtes Baklava. Foto: Monika Eisele

Immer noch mehr Stühle werden vom Team des Ökumenischen Forums herbeigeschafft. Das Interesse an der Veranstaltung „Baklava und Aramäisch“ hat die Organisatoren überwältigt.

Gut 50 Besucherinnen und Besucher, vornehmlich aus dem Ort, aber auch aus Neibsheim und Bauerbach, füllen alsbald den Saal im Katholische Gemeindezentrum in Gondelsheim.

Die Vorfreude auf das orientalische Süßgebäck ist groß, die Neugier auf die alte Sprache noch größer. So etwa bei Gudrun und Kurt, einem Ehepaar aus Neibsheim. „Ich kannte die aramäische Geschichte, aber die Sprache nicht“, sagt Kurt.

Die Idee zu einem solchen Abend entstand im vergangenen Jahr beim Gartenfest des Ökumenischen Forums, berichtet Rosemarie Vollmer, Mitglied im katholischen Gemeindeteam und im Ökumenischen Forum.

Dort habe Naderah Abou von ihrem Leben im Irak erzählt und wie sie nach Deutschland kam. „Das müssen alle wissen“, fand Vollmer.

Aramäisch ist eine der ältesten bekannten Sprachen und war zu Zeiten des Jesus von Nazareth die gängige Umgangssprache im Heiligen Land und dessen Nachbarländern.

„Ich bin gespannt, das Vater Unser auf aramäisch zu hören“, sagt Stefanie Teuber aus Gondelsheim. Mit Naderah Abou, ihrer Tochter Rebekka und Amal Gorges konnte Vollmer gleich drei Frauen begrüßen, die dieser alten Sprache mächtig sind.

Besucher drängen sich beim Gondelsheimer Vortrag über die Sprache Jesu

Erwin Grab, „Teilzeitrentner, Jobcoach und Glücksfall für die Gemeinde“, so Vollmer, berichtete den Besuchern zunächst von den Ursprüngen der Aramäer.

Deren Name leite sich von Aram ab, einem Sohn von Sem, der laut der Bibel wiederum ein Sohn von Noah war, so Grab. Ihre Heimat liegt in Mesopotamien, dem Zweistromland, das in etwa dem heutigen Irak entspricht. Kriege und Vertreibungen verstreuten die Aramäer in alle Teile der Welt.

Sogar in der fernen Mongolei und in Australien gibt es aramäische Gemeinden. Die heute lebenden Nachkommen siedeln hauptsächlich im Nordirak, im Iran und Syrien sowie im Osten der Türkei. Also ungefähr in den Gebieten, die auch von Kurden bewohnt werden.

Naderah Abou kam 2006/07 aus Bagdad nach Gondelsheim und kennt das Kriegsleid. Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein versank ihr Land in Chaos und Terror.

Islamistische Milizen drangen in die Häuser der – in ihren Augen – Ungläubigen ein, erzählt sie im Interview mit Vollmer. „Man musste entweder konvertieren, jeden Monat Geld bezahlen oder man wurde umgebracht“, berichtet Amal Gorges.

Frauen erzählen von ihrem Leben in den aramäischen Gemeinden

Abou weiß von einem Anschlag auf ein Gotteshaus, bei dem die beiden Pfarrer und alle Gottesdienstbesucher ermordet wurden. Unter Hussein sei es ihnen gut gegangen. „Saddam war nicht gut, aber für uns schon“, sagt Gorges.

Die Aramäer wurden toleriert, hatten Gotteshäuser und durften ihre Gottesdienste feiern. „Dreimal am Tag, morgens, mittags und abends“, erzählt Abou und löst damit bei den Besuchern hörbare Verwunderung aus.

An den Schulen wurde Aramäisch nicht unterrichtet, Sprache und Kultur wurden in den Gemeinden und Familien weitergegeben. Die anhaltenden, blutigen Konflikte haben die beiden Frauen schließlich nach Deutschland geführt, im Irak sahen sie keine Zukunft für sich. Ihre Familien sind in alle Winde verstreut. „Meine Eltern sind in Kanada, meine zwei Brüder in Schweden“, erzählt Abou.

Abou, inzwischen verheiratet und Mutter dreier Kinder, bezeichnet sich selbst als katholisch, engagiert sich als Mesnerin in Gondelsheim und arbeitet in der Kernzeitbetreuung.

Ihre Tochter Rebekka ist in Gondelsheim geboren und hat Aramäisch zuhause gelernt. „Als meine Mutter noch nicht so gut Deutsch konnte, haben wir zuhause Aramäisch gesprochen. Inzwischen sprechen wir öfter Deutsch“, erzählt sie.

Die Sprache ihrer Vorfahren zu erhalten, ist der 16-Jährigen wichtig. Etwa zwei Millionen Menschen im Irak sprechen die alte Sprache heute noch.

Gorges und Abou engagieren sich als Mesnerinnen in Gondelsheim und Pforzheim

Auch Gorges ist Mesnerin, allerdings in Pforzheim. In der dortigen Herz-Jesu-Kirche werden alle zwei Wochen aramäische Gottesdienste gefeiert.

Zu den großen Festen kommen dort an die 200 Gläubige zusammen, erzählt sie. In Bruchsal gibt es einmal im Monat einen aramäischen Gottesdienst. „Der Pfarrer kommt dafür extra aus Wiesbaden“, berichtet Abou.

Und dann folgt, worauf viele den ganzen Abend gewartet hatten: Die drei Frauen sprechen das Vater Unser auf Aramäisch.

Die orientalischen Klänge der Sprache versetzen die Zuhörerinnen und Zuhörer augenblicklich an Orte im Heiligen Land, wo Jesus aus Nazareth in der gleichen Sprache gebetet hat. „Das ist ein ganz besonderer Moment“, sagt Grab.

Mitveranstalter Thomas Dittes freut sich, dass das Angebot so gut angenommen wird. „Die ökumenische Ausrichtung bringt die Menschen zusammen“, sagt er.

Und was hat nun Baklava mit Aramäisch zu tun? „Eigentlich gar nichts“, bekennt Grab, weiß aber auch über die Geschichte des süßen Gebäcks einiges zu berichten.

Die Zubereitung sei zeitaufwendig, sagt Abou und reicht Platten mit ihrem selbstgemachten Baklava herum, während Gorges noch ein Lied über die Jungfrau Maria anstimmt – natürlich auf aramäisch.

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