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Alternative Konzepte

Veranstaltungsreihe in Oberderdingen: Friedensdenken soll Eskalation verhindern

Gibt es angesichts des Krieges in der Ukraine eine Alternative zur Eskalationsspirale von Aufrüstung und Gewalt? Friedensaktivist Thomas Mehre meint ja. Mit der Veranstaltungsreihe „Frieden – Neu denken“ will er dieses Alternativkonzept bekannt machen.

Zwei Männer vor Pax Christi-Schild
Der pensionierte Religionslehrer Thomas Mehre aus Oberderdingen (rechts) erläutert Bürgermeister-Stellvertreter Alfred Woll die geplante Veranstaltungsreihe zum Thema „Frieden - neu denken“. Foto: Tom Rebel

Während Bomben und Raketen auf die Ukraine fallen, dreht sich die Gewalt- und Eskalationsspirale weiter: Der Westen versucht, der russischen Aggression mit Sanktionen, Geld, Kriegsgerät und Nachrüstung zu begegnen, die Aggressoren reagieren mit verstärktem Bombardement.

Gibt es eine Alternative zu dieser „Sicherheitslogik“? Der Oberderdinger Thomas Mehre und mit ihm zahllose Vertreter der ökumenischen Bewegung Pax Christi meinen schon lange ja, die gebe es.

„Sicherheit neu denken“ heißt nun auch eine Vision, die die Badische Landeskirche im Jahr 2018 initiiert hat. Mehre versteht sich als Multiplikator dieser Idee und hat gemeinsam mit den Oberderdinger Kirchen und mit Unterstützung der Gemeinde eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die diesen alternativen Denkansatz verbreiten und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren möchte. In einem Pressegespräch hat der pensionierte Religionslehrer das Anliegen vorgestellt und erläutert.

Drei Vorträge mit renommierten Referenten in Oberderdingen

Geplant sind ein Dutzend Veranstaltungen, die am Sonntag, 3. April, um 9 Uhr mit einem Eröffnungsgottesdienst in der katholischen Kirche in Oberderdingen starten. Übers Jahr verteilt folgen dann Vorträge und kulturelle Events. Drei renommierte Referenten hat Mehre für die Vorträge gewonnen, die im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe stehen.

Worum geht es dabei im Kern? „Unser Denken und die aktuelle Politik sind geprägt von einer Sicherheitslogik, die ein Geschehen als Bedrohung wahrnimmt, und diese abwehren will“, erklärt Mehre. Dahinter stehe die weit verbreitete Überzeugung, dass Gewalt rettet und Krieg Frieden schafft. Die üblichen Reaktionen auf eine Bedrohung seien Flucht oder Kampf.

Der „dritte Weg“: der den Weg militanter Gewaltlosigkeit

Doch es gebe einen „dritten Weg“, den Jesus propagiert habe, erklärt der Diplom-Theologe, den Weg militanter Gewaltlosigkeit – für Mehre eine der radikalsten politischen Aussagen, die je gemacht, aber lange nicht eingelöst wurden. Erst im 20. Jahrhundert sei mit Mahatma Gandhi und Martin Luther King die Ethik Jesu als Impuls für realpolitisches Handeln wieder breiter wirksam geworden.

„Friedenslogik“ nennen Mehre und die Vertreter der Friedensforschung diesen alternativen Denkansatz. Der nimmt das gleiche Geschehen als Konflikt wahr und fragt zunächst nach dessen Entstehung, den Ursachen sowie den Potenzialen zur Eskalation und Deeskalation.

Leider sind im Ukraine-Krieg wieder einmal alle Möglichkeiten einer gewaltfreien Konfliktbewältigung verspielt worden.
Thomas Mehre, Friedensaktivist

„Leider sind im Ukraine-Krieg wieder einmal alle Möglichkeiten einer gewaltfreien Konfliktbewältigung über Jahre hinweg von allen Konfliktparteien verspielt worden, so dass die Welt jetzt wieder vor dem Drama und Dilemma einer humanitären und politischen Katastrophe steht“, sagt Mehre. Doch auch mit einem 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm betreibe man nur wieder sicherheitslogische Reflexpolitik, man müsse aber zu einer „Friedenslogik“ kommen.

Pensionierter Religionslehrer jahrelang in der Friedensbewegung aktiv

39 Jahre lang war Mehre Religionslehrer an gewerblichen Schulen, seit zwei Jahren ist er im Ruhestand. Selbst Flüchtlingskind aus Bitterfeld, kam er mit seinen Eltern 1961 aus der DDR an den Niederrhein und 1976 zum Studium nach Freiburg. Bei der Bundeswehr hat er Sanitätsdienst geleistet. Seit 1994 lebt er mit seiner Frau Maria in Oberderdingen, die erwachsenen Kinder sind aus dem Haus.

Bei Pax Christi, der internationalen katholischen Friedensbewegung mit ökumenischer Ausrichtung, ist der heute 65-Jährige seit Jahrzehnten engagiert. Der Nato-Doppelbeschluss und die aufkommende Friedensbewegung hätten ihn politisiert und in der christlichen Überzeugung bestärkt „dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein darf“. Seit 2020 gehört Mehre zum Multiplikatorenkreis von „Sicherheit neu denken“, dessen Gedanken er nun einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen möchte.

Ukraine-Krieg: „Wir dachten, das gibt es nie wieder“

Die Planung für die Veranstaltungsreihe hatte übrigens schon lange vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen. „Dieser Krieg macht jetzt nur umso mehr deutlich, wie dringend wir über das Thema nachdenken sollten“, sagt Alfred Woll, Lehrerkollege von Mehre und Stellvertreter des Bürgermeisters von Oberderdingen. Er unterstrich beim Pressegespräch einmal mehr die Unterstützung der Gemeinde für das Vorhaben, die sämtliche Hallen umsonst zur Verfügung stellt.

„Wir dachten, dass der Irrsinn des Zweiten Weltkriegs und des darauf folgenden Kalten Krieges endgültig der Vergangenheit angehören und dass es nie wieder Truppenaufmärsche, Bombennächte und Fluchtbewegungen in Europa geben wird“, sagt Woll. Nun sei man eines Besseren belehrt worden. Angesichts dieses schrecklichen Angriffskrieges sei er sehr froh, dass man mit der Veranstaltungsreihe über Alternativen nachdenke und die Friedensidee im Ort kommuniziere.

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