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COA-Aktionswoche

Brettener Suchttherapeutin: „Kinder von Suchtkranken sind in dauernder Habachtstellung“

Mehr als zweieinhalb Millionen Kinder wachsen Schätzungen zufolge in Deutschland in Familien mit suchtkranken Eltern auf. In Bretten finden sie Hilfe in einer Gruppe aus Gleichaltrigen.

Eine Frau hinter leeren Bierflaschen.
Wenn Alkohol den Alltag der Eltern bestimmt, geraten die Tochter oder der Sohn in den Hintergrund. Jungs und Mädchen mit suchtbelasteten Eltern brauchen daher besondere Unterstützung. Foto: Alexander Heinl/dpa

In der COA-Aktionswoche (COA steht für „Children of Addicts“) wird derzeit deutschlandweit auf Kinder aufmerksam gemacht, die mit suchtkranken Eltern aufwachsen.

Was macht das mit den Jungen und Mädchen – und wie kann man ihnen helfen, damit sie nicht selbst in die Sucht abrutschen?

Fragen dazu beantwortet Susanne Striegel, die für die Evangelische Stadtmission in Bretten als Suchttherapeutin arbeitet.

Suchttherapeutin Susanne Striegel
Suchttherapeutin Susanne Striegel Foto: Susanne Striegel
Welche Unterstützungsangebote gibt es in Bretten für Kinder, die in Familien mit suchtkranken Eltern aufwachsen?
Susanne Striegel
Wir bieten in Bretten in Kooperation mit dem Diakonischen Werk die Kid.T-Gruppe – Kinder der Tafelrunde – an. Das ist eine Gruppe für Kinder- und Jugendliche ab acht Jahren, die mit suchtbelasteten und/oder psychisch belasteten Angehörigen leben. Das Modell, dass Kinder von Eltern mit Sucherkrankung und von Eltern mit einer psychischen Belastung zusammen betreut werden, ist eine Besonderheit im Landkreis Karlsruhe. Hintergrund ist, dass Sucht eine psychische Erkrankung ist und wir immer häufiger feststellen, dass Elternteile beides haben. Aktuell sind in der Gruppe 17 Mädels und Jungs zwischen acht und 16 Jahren, die einmal pro Woche jeweils für zwei Stunden getrennt betreut werden.
Kinder müssen lernen, Kind zu sein.
Susanne Striegel
Suchtberaterin
Was ist das wichtigste, das die Kinder und Jugendlichen in dieser Gruppe lernen?
Susanne Striegel
Dass sie wichtig sind und dass sie genug sind. Und dann, dass es andere gibt, denen es genauso geht. Kinder aus Familien mit suchtbelasteten Eltern sind eigentlich dauerhaft in einer Habachtstellung. Sie achten so sehr auf ihren kranken Elternteil und so wenig auf sich selbst. Wichtig ist, dass sie lernen: Ich darf sein, wie ich bin, ich darf spielen. Ich darf auch mal Nein sagen, weinen oder schreien. Meine Gefühle sind auch wichtig. In suchtbelasteten Familien ist der gesunde Elternteil oft so sehr damit beschäftigt, das Leben aufrechtzuerhalten, da bleibt wenig Zeit fürs Kind. Und wenn beide Elternteile betroffen sind, übernehmen die Kinder früh die Erwachsenenrolle. Das sind Kinder, die haben nur Aufgaben. Die müssen lernen, Kind zu sein.

Früh Resilienz aufbauen ist wichtig für betroffene Kinder

Wie gelingt es, die betroffenen Kinder davon abzuhalten, selbst in die Sucht abzurutschen?
Susanne Striegel
Wichtig ist es, dass die Kinder so früh wie möglich eine Resilienz aufbauen, also lernen, mit Schwierigkeiten umzugehen und eine Lösung zu finden. Je früher, desto besser. Ihr Selbstvertrauen muss gestärkt oder überhaupt erst aufgebaut werden. Die Kinder brauchen jemanden, der sich ihre Sorgen und Probleme anhört und sie ernst nimmt. In unserer Gruppe bekommen sie nicht nur Hilfe und Unterstützung, sondern auch Wissen über die Erkrankung ihrer Eltern. Gemeinschaftsaktivitäten mit Gleichaltrigen stärken weiterhin das Selbstvertrauen. In der Kid.T-Gruppe machen wir Ausflüge oder Sport, wir kochen, backen und basteln zusammen.
Wie viele betroffene Kinder, die mit suchtbelasteten Eltern aufwachsen, gibt es nach Schätzungen?
Susanne Striegel
In Deutschland gibt es insgesamt circa 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die im Laufe ihres Lebens mit einem suchtbelasteten Elternteil zusammenleben. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist aber von einer erheblichen Dunkelziffer und somit von einer noch höheren Gesamtzahl betroffener Kinder auszugehen. 
Wie soll man sich verhalten, wenn man als Außenstehender den Eindruck hat, ein Kind braucht Hilfe?
Susanne Striegel
Zunächst einmal sollte man eine Konfrontation vermeiden. Die Kinder sollen nicht das Gefühl haben, dass sie in einem Verhör sind, in dem sie ihre Eltern bloßstellen sollen. Stattdessen sollte man zuhören und Interesse zeigen. Man kann dem Kind anbieten, bei Problemen zu einem zu kommen, ohne dass es negative Konsequenzen befürchten muss.

Suchtberatung

Die Suchtberatung der Evangelischen Stadtmission Heidelberg befindet sich in der Hermann-Beuttenmüller-Straße 14 in Bretten. Offene Sprechstunde ist immer mittwochs von 14 bis 16.30 Uhr. Telefon (0 72 52) 95 70 07, E-Mail: info@heidelberger-suchtberatung.de. Internet: www.heidelberger-suchtberatung.de

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