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Peter Kremer im Interview

Auf Corona-Patrouille: Die Bruchsaler Bereitschaftspolizei ist auch als Gesprächspartner gefragt

Normalerweise sind sie bei Fußballspielen und Demonstrationen im Einsatz – seit einigen Tagen hat sich ihre Arbeit grundlegend verändert: Die 700 Beamten der Bruchsaler Bereitschaftspolizei sind nun hauptsächlich auf Corona-Patrouille im ganzen Land unterwegs.

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DIE BEREITSCHAFTSPOLIZISTEN, die normalerweise zwischen verfeindeten Fußballfans stehen, sind derzeit auf Corona-Streife. Täglich sind rund 200 Beamte aus Bruchsal im ganzen Land unterwegs, um zu kontrollieren, ob die Kontaktbeschränkungen auch eingehalten werden. Foto: pr

Normalerweise sind sie bei Fußballspielen und Demonstrationen im Einsatz – seit einigen Tagen hat sich ihre Arbeit grundlegend verändert: Die 700 Beamten der Bruchsaler Bereitschaftspolizei sind nun hauptsächlich auf Corona-Patrouille im ganzen Land unterwegs. Was sie dabei erleben und wie sie sich selbst schützen, darüber hat Christina Zäpfel mit dem stellvertretenden Leiter der Bereitschaftspolizei, Peter Kremer, gesprochen. Er hat just an diesem Mittwoch seinen letzten Arbeitstag, bevor er seinen Ruhestand antritt.

Ein herrliches Frühlingswochenende liegt hinter uns, die Feiertage warten. Ihre Leute müssen kontrollieren, ob sich die Menschen an die Kontaktbeschränkungen halten. Welche Erfahrungen machen Sie?

Kremer: Grundsätzlich halten sich die Menschen an die Beschränkungen und sehen die Überwachung positiv. Wir sind weniger als Kontrollinstanz, sondern eher als Gesprächspartner gefordert. Die Begegnung mit der Polizei auf Präsenzstreife wirkt offenbar für viele beruhigend. Wir erleben die Menschen als sehr vernünftig. Landesweit haben wir am Wochenende nur 850 Ordnungswidrigkeiten festgestellt. Das ist extrem wenig. Die Menschen sind aufmerksam, verständig, sie sehen die Maßnahmen als notwendig an. In den allermeisten Fällen reicht eine Ansprache, sich doch zu zerstreuen. Und wo das Wort endet, bleibt die Anzeige. Das ist auch klar.

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Peter Kremer ist stellvertretender Leiter der Bruchsaler Bereitschaftspolizei. Noch. Denn sein Ruhestand ist in greifbarer Nähe. Foto: pr

Wie haben Sie sich überhaupt auf dieses neue Arbeiten eingestellt?

Kremer: Wir haben unsere gesamte Struktur umgestellt. Bisher haben wir extrem wenige Krankheits- oder Verdachtsfälle. Im Wesentlichen handelt es sich um Rückkehrer aus Risikogebieten. Von Bruchsal aus werden täglich etwa 200 Einsatzkräfte in ganz Baden-Württemberg eingesetzt, im Wesentlichen zur Überwachung der Corona-Maßnahmen. Eingebunden sind wir auch zum Schutz der Grenzen, auf dem Rhein oder an der grünen Grenze. Weil landesweit Veranstaltungen wie Fußballspiele abgesagt wurden, können wir unsere Leute direkt bei den Polizeidienststellen zum Einsatz bringen.

Sie müssen aber selbst darauf achten, dass sich niemand ansteckt, sei es untereinander oder im Kontakt mit den Leuten draußen.

Kremer: Ja, das ist extrem wichtig und ist sicher eine der Haupt-Herausforderungen. Deshalb haben wir sehr früh unseren Dienstbetrieb entflochten. Unsere bisherige Verbandsstruktur ist nun nach Gebäuden umstrukturiert. Der Tausch von Fahrzeugen oder der Kontakt zu anderen Gebäuden ist unterbunden. Besprechungen finden fast ausschließlich medial statt. Alles nach dem Grundsatz: Wir rücken zusammen, indem wir Abstand halten.

Wir haben genügend Ausstattung,
von FFP2- und FFP3-Masken bis hin zu Einmalhandschuhen.Peter Kremer, stellvertretender Leiter der Bereitschaftspolizei

Und wie sieht es mit Schutzausrüstung aus?

von FFP2- und FFP3-Masken bis hin zu Einmalhandschuhen.

In der Kritik steht nun, dass die Gesundheitsämter Daten über Infizierte an die Polizei übermittelt? Ist das auch bei Ihnen Thema?

Kremer: Nein, bisher nicht. Wir sind generell immer auf der Hut. Weil wir nie wissen, ob unser Gegenüber eine ansteckende Krankheit in sich trägt. Hier mussten wir die Kollegen nicht eigens schulen, sondern nur sensibilisieren. Die Verhaltensregeln sind die alten, nur jetzt gilt: Jeder kann infiziert sein.

Wie erleben Sie die Menschen in diesen Krisenzeiten mit den teils massiven Einschränkungen?

Kremer: Die Polizei wird als positiver Ansprechpartner empfunden. Das Grundvertrauen in staatliche Institutionen wird eher stärker, so ist mein Eindruck. Die Polizei ist als Ansprechpartner gefragt, auch für Menschen, die Ängste haben.

Es gelten Kontaktbeschränkungen, immer wieder gibt es Verschärfungen. Bei vielen Menschen herrscht Unsicherheit, was jetzt eigentlich erlaubt ist und was nicht. Wie gehen Sie damit um?

Kremer: Es klingt komplexer als es ist. Der gesunde Menschenverstand hilft hier auf beiden Seiten. Natürlich gibt es Situationen, in denen Unklarheit herrscht, etwa wenn eine Patchworkfamilie zusammen im Park sitzt. Gehören die alle zu einem Haushalt, wer ist wie mit wem verwandt? Aber hier gilt es nachzufragen, verhältnismäßig zu agieren und auch zu akzeptieren, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt. Wir erleben die Menschen als sehr vernünftig. Meistens reicht eine Ansprache oder die Aufforderung sich zu zerstreuen.

Die Menschen sind viel zu Hause, für Einbrecher oder andere Kriminelle sind das schlechte Zeiten. Das müsste Ihnen als Polizei ja entgegenkommen?

Kremer: Ja, ganz deutlich ist der Rückgang an klassischen Straftaten im öffentlichen Raum, aber auch zum Beispiel an Verkehrsunfällen. Eine logische Folge des allgemeinen Stillstandes. Dem folgen aber natürlich Betrugsversuche über soziale Medien und das Internet. Zum ökonomischen Stress durch eine unsichere wirtschaftliche Situation, kommt es zu ungewohnten Daueraufenthalten zuhause, für Erwachsene und Kinder. Zumindest die häuslichen Folgen kennen wir etwa aus den Weihnachtsferien. Diese Probleme kommen aber noch nicht in objektiven Fällen an. Hier sind vor allem die Reviere vor Ort im Einsatz.

Was raten Sie den Menschen jetzt?

Kremer: Ich rate dazu: Informieren Sie sich über die Handlungsanweisungen. Halten Sie diese ein. Versorgen Sie ihre Angehörigen. Erleichtern Sie Kontrollen, indem Sie einen Ausweis mitführen. Haben Sie Zuversicht und bleiben Sie gesund.

Apropos Ausweis: Beim Joggen, beim Weg zum Zigarettenautomaten oder zum Bäcker soll man immer seinen Ausweis bei sich tragen?

Kremer: Es ist kein Muss, aber es erleichtert mögliche Kontrollen ungemein. Wenn man zu dritt unterwegs ist und man wird kontrolliert, kann man schneller belegen, dass man etwa in einem Haushalt lebt.

Sie haben als Polizist schon einiges erlebt, elementare Krisen oder Konflikte: RAF-Terror, Startbahn-West-Demonstrationen, Anti-Atomkraft, Gladbeck-Geiseldrama. Um nur einige zu nennen. Wie blicken Sie auf diese Krise?

Kremer: Wir gehen auch dieses Thema professionell an. Das Chaos zu planen ist unser Kerngeschäft. Im Improvisieren sind wir gut. Natürlich bedeutet es einen Kraftakt, unsere Struktur binnen weniger Tage komplett umzustellen. Genauso wichtig ist es aber, unsere Leute gesund zu halten, um handlungsfähig zu sein.

Gerade in der Bepo geht es auch viel um Kameradschaft, um Vertrauen, um ein freundschaftliches Verhältnis untereinander, das wird jetzt ziemlich eingeschränkt ...

Kremer: In der Tat, wir sind auf Kameradschaft ausgelegt. Wir achten aufeinander, und diese Achtsamkeit ist nun viel stärker ausgeprägt. Das ist genauso wie in der Bevölkerung, das ist ein positiver Aspekt. Außerdem erleben die Bürger den Staat, das Gemeinwesen und damit auch die Polizei als funktionierend und handlungsfähig, das stimmt mich positiv, das kommt auch uns als Polizei zugute.

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