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Gewerbesteuer sprudelt weiter

Bruchsaler Finanzplan für 2023 steht: Bahnhofsumbau und neue Kitas als größte Brocken

In Bruchsal muss man bei den Investitionen noch nicht spürbar auf die Sparbremse drücken. Große Investitionen können daher wie geplant angegangen werden.

ARCHIV - 26.07.2018, Niedersachsen, Gifhorn: Baran (l) und Hira spielen während der Eröffnung des christlich-muslimischen Kindergartens "Abrahams Kinder" an einem Tisch. Fünf Monate nach der Eröffnung der Zwei-Religionen-Kita in Gifhorn ziehen die Initiatoren eine erste positive Bilanz. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Es soll wieder rund laufen in den Kitas: Bruchsal benötigt dringend neue Betreuungsplätze. Dafür ist im Haushalt 2023 jede Menge Geld vorgesehen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Ziemlich krisenfest stellt sich die Bruchsaler Finanzlage dar. Selbst nach zwei Corona-Jahren und bald einem Kriegsjahr in der Ukraine mit globalen Auswirkungen bis in den Kraichgau. Das macht es dem Gemeinderat leicht, dem ambitionierten Finanz- und Investitionsplan fürs kommende Jahr zuzustimmen.

Kurz vor Weihnachten haben die Stadträte mit großer Mehrheit, einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen einen Knopf dran gemacht.

Die Gewerbesteuer sprudelt, noch immer. Anzeichen für eine Rezession gibt es bisher nicht. Oder die Bruchsaler Betriebe können ihr trotzen. Die Einnahmen aus der Einkommenssteuer sind nicht eingebrochen, sondern steigen.

Große Investitionen stehen in Bruchsal nicht infrage

Und noch etwas anderes bleibt konstant: Die Personalausgaben der Verwaltung steigen jährlich weiter. Doch weil geplante Kreditaufnahmen in den vergangenen Jahren meist doch nicht benötigt wurden, verschiebt sich die zuletzt oft prognostizierte Verschlechterung der Finanzlage in die nahe Zukunft.

Große Investitionen wie der Umbau des Busbahnhofs oder der Neubau von Kindergärten standen daher quasi nicht infrage. Erträgen von knapp 156 Millionen Euro stehen Aufwendungen von 152 Millionen Euro gegenüber. Das ergibt ein ordentliches Plus unterm Strich, ein Gesamtergebnis von 3,7 Millionen Euro.

Warten auf den Bus: Unter Soldardächern, die von Mikado-Stützen getragen werden, soll die Fahrgäste künftig stehen und sitzen. Der neue Busbahnhof links des Bahnhofs nimmt Formen an.
Warten auf den Bus: Unter Soldardächern, die von Mikado-Stützen getragen werden, soll die Fahrgäste künftig stehen und sitzen. Der neue Busbahnhof links des Bahnhofs nimmt Formen an. Foto: Simulation Mailänder Consult

Von der „Sitzung aller Sitzungen“ sprach denn auch Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos). Den Haushalt zu verabschieden, das sei das Königsrecht der gewählten Stadtvertreter. Und die nahmen sich nochmal zwei Stunden Zeit, um ihre Vision des künftigen Jahres aufzuzeigen.

Obergrombach soll Bolzplatz bekommen

Für ihre jeweiligen Anträge jedoch fanden die Fraktionen meist keine Mehrheit unter ihren Kollegen. Einige Ideen wurden bereits zuvor von der Verwaltung „abgeräumt“. Etwa der von der CDU vorgebrachte Vorschlag, für einen neuen Kindergarten auf dem Campus-Gelände schon mal eine Planungsrate von 50.000 Euro bereitzustellen. Dieses Geld sei ohnehin schon eingestellt, hieß es von der Kämmerei.

Dass Obergrombach bei der Burgschule einen Bolzplatz bekommen soll, wurde von CDU und SPD beantragt. Es geht um eine Planungsrate von 40.000 Euro, die von diesem ins nächste Jahr transferiert werden soll. Dieser Antrag bekam eine Mehrheit. Die SPD scheiterte wiederum mit ihrem Antrag, der neuen Sporthalle einen Wetterschutz zu verpassen, damit Wartende nicht im Regen stehen müssen.

Die Grünen erhielten keine Mehrheit für ihre Forderung, dass Brennholz aus dem städtischen Wald zu marktüblichen Preisen abgegeben wird. Später erklärte Förster Michael Durst, dass das städtische Brennholz zum Preis von 75 Euro pro Festmeter nicht subventioniert werde.

Kernstadt benötigt Grüngutsammelplatz

Erfolgreich waren die Freien Wähler zusammen mit der SPD: Der Gemeinderat bekräftigte ihren Wunsch, dass auch die Kernstadt einen Grüngut-Sammelplatz bekommen soll.

Bisher sei zwar noch kein Standort gefunden, hieß es von der Verwaltung. Man wolle dem Gemeinderat aber im ersten Halbjahr 2023 einen Vorschlag präsentieren. Mit dem Rad zum Grab soll es nach dem Willen der SPD gehen, sie machte sich für Fahrradständer am Friedhof stark. Auch hier sei die Verwaltung bereits am Werke, hieß es.

Gegenstimme von Lucia Biedermann

Das Gesamtpaket bewilligt haben am Ende die Stadträte von CDU, Grüne/Neue Köpfe, SPD, Freien Wählern und FDP/Bürgerliste. Zwei Enthaltungen gab es aus der AfD/uBiB-Fraktion. Einzelstadträtin Lucia Biedermann (UWV) stimmte dagegen.

Sie sah die falschen Schwerpunkte gesetzt: „Der Haushalt bildet nicht die Lebenswirklichkeit der Menschen ab.“ Der Umbau des Bahnhofsvorplatzes „ohne Not“ bringe kein Geld in die Kasse, für Geothermie sehe sie keine Zukunft. Lieber möge man in Bildung investieren, etwa in Kinderbetreuung oder die Erweiterung des Justus-Knecht-Gymnasiums.

Hier folgen kurze Auszüge der Haushaltsreden der sechs Fraktionen:

Werner Schnatterbeck (CDU): Die CDU mahnt Haushaltsklarheit und -wahrheit an. Oft sei bei Investitionen das angesetzte Volumen zu optimistisch geplant. Andererseits könne man aber auch bei genauer Prüfung anstehender Großprojekte kaum Abstriche machen. Die neue Sporthalle ist gebaut, die Restfinanzierung läuft. Kindergärten seien dringend notwendig. Die Sanierungen von Albert-Schweitzer-Real- und Pestalozzi-Schule nötig und seit Jahren zugesagt. Der Quartiersplatz in der Bahnstadt Teil des neuen Viertels.

Und auch bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes bestehe dringender Handlungsbedarf. „Wer die Situation dort täglich als Besucher der Stadt, Pendler, Reisender, Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer, Parkraumsuchender, Anwohner erlebt, bestreitet die Notwendigkeit nicht“, so Schnatterbeck. Vorerst verzichten könnte man höchstens auf den zweiten neuen Ausgang der Bahnhofsunterführung. „Das ist absehbar nicht möglich.“

Ruth Birkle (Grüne/Neue Köpfe): Die Fraktionsvorsitzende mahnt zunächst das Friedensprojekt Europa an. Die Energiepolitik habe es nach ganz oben auf die Agenda geschafft, „nötig ist dies schon lange“, so Birkle. „Wir setzen uns dafür ein, dass erneuerbare Energien gefördert und Energieeinsparungen umgesetzt werden. Auch durch Gebäudesanierungen und Neubau.“ Daher unterstütze man alle Aktivitäten der Bruchsaler Wohnungsbaugesellschaft. Mit einem Steuerungssystem könnte bei der Beleuchtung im Außenbereich Energie gespart und die Tierwelt geschont werden. Noch immer werden den Grünen aber Rad- und Fußwege zu zögerlich ausgebaut. Am Bahnhof etwa werde auf eine für Radfahrer nachteilige Mischung des Verkehrs gesetzt Ein großes Problem sei der ruhende Verkehr: „Hier brauchen wir ein anderes Parkraum-Konzept, das Randstreifen für den Radverkehr frei macht.“ Zudem fordern die Grünen, endlich einen kommunalen Kindergarten einzurichten.

Anja Krug (SPD): Die SPD steht hinter dem Ausbau der Kinderbetreuung. „Mittelfristig wird es wohl keine Lösung ohne teure Neubauten geben.“ Dringend geboten sei es, den Sperrvermerk auf Schulsozialarbeitsstellen zu löschen. Diese Mitarbeiter werden dringender denn je gebraucht, so Krug. Corona habe den Bedarf steigen lassen. „Zahlreiche Inobhutnahmen beweisen dies auf traurige Weise.“ Die SPD sieht zudem das Thema Obdachlose etwas in den Hintergrund geraten, aber auch hier müsse man sich ehrlich machen und eine geeignetete Unterkunft schaffen. „Die Unterbringung in Pensionen kann keine Lösung sein und der Druck auf dem Wohnungsmarkt nimmt derart zu, dass es mittelfristig eine städtische große Obdachlosenunterkunft braucht.“ Großer Bedarf gebe es auch bei weiteren Senioreneinrichtungen in Heidelsheim und Helmsheim. „Auch für Obergrombach muss dringend eine Lösung gefunden werden. Nach wie vor befürworten wir hier die Helmsheimer Straße.“

Roland Foos (Freie Wähler): Kein Weiter so wie bisher, sieht man bei den Freien Wählern in den nächsten drei bis fünf Jahren. Kritisch unter die Lupe nimmt Foos vor allem die jährlich steigenden Personalausgaben. „Mit einer Steigerung um 9,5 Prozent auf 38 Millionen Euro übertreffen die Ansätze sogar das Vorjahr mit einer Steigerungsrate von 7,5 Prozent.“ Man trage neue Stellen für Organisation, Prozessoptimierung und Digitalisierung mit. „Wir haben das lange gefordert und erwarten eine zügige Umsetzung, um endlich auch Ergebnisse erzielen zu können.“ Dass der Arbeitgeber Stadt Bruchsal nicht attraktiv erscheine - daran müsse man arbeiten, fordert Foos. Auffallend sei, dass im Sozialbereich eine Stellenmehrung seit 2012 um 100 Prozent erfolgt sei. „Was es leider nicht gibt, ist eine Evaluierung dieser vielen Beschlüsse aus der Vergangenheit. Frau Oberbürgermeisterin, ich fordere Sie auf, dem Gemeinderat eine kritische und ehrliche Aufbereitung vorzulegen“, so Foos.

Jürgen Wacker (FDP/Bürgerliste): Mit Blick auf den Einzelhandel begrüßt man Events wie „Brusl leuchtet“. Negative Folgen gab es etwa beim Aufstellen des Riesenrades und des Fischmarktes auf dem Kübelmarkt. „Die angrenzenden Wirtschaften verzeichneten deutlich weniger Gäste als üblich, eine Wirtschaft wird dieses Jahr schließen, prophezeit Wacker. „Unsere Stadt profitiert von der Entwicklung mittelständischer und familiengeführter Betriebe, deren Gewerbesteuerzahlungen auch den Bürgern der Stadt zu Gute kommen. Wir müssen diese Familienunternehmen mehr unterstützen.“ Großartig war das Schlossfestival, befindet die Fraktion. Man erwarte jedoch die finanzielle Bilanz. „Erst nach dieser fälligen Analyse kann über eine modifizierte und maßvollere Wiederholung nachgedacht werden.“ Zu denken gebe, dass sowohl das Schloßcafé als auch das Gasthaus „Zum Bären“, beide im Besitz der Schlösser und Gärten von Baden-Württemberg, geschlossen sind.

Sven Bogenreiter (AfD/uBiB): Die Fraktion nimmt die Verwaltung in den Blick: „Zusammenfassend fällt nicht nur die finanzielle, sondern auch die ökologische Bilanz dieser Verwaltung ernüchternd und unbefriedigend, zum Teil sogar inakzeptabel aus und der Ausblick auf die nähere Zukunft lässt noch Schlimmeres befürchten.“ Die Entschlossenheit, die Einsicht und der Mut zu den unbequemen Entscheidungen sei noch nicht gefunden. Es sei bisher allzu leicht gewesen, den wirtschaftlichen Überschuss umzuverteilen und sich opportun gegenüber Landes- und Bundespolitik zu geben. „Dieser Haushalt sollte von dem Willen zur Einsparung und dem verantwortlichen Umgang mit den Geldern der Bürger erfüllt sein.“ Dieser Wille sei jedoch nicht erkennbar, so Bogenreiter.

Er hoffe, dass der Gemeinderat zeigt, dass er über die Weisheit eigener Gedanken und die Kraft zur Durchsetzung verfügt. Man wünsche „echte Nachhaltigkeit, neuen Pragmatismus und weniger Parteiräson und Ideologie.“

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