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Bad Schönborn zieht Kreise

Jetzt schaltet sich Minister Lucha bei Tuberkulose-Fällen ein

Inzwischen ist klar, wie die Räumlichkeiten des Schulgebäudes dazu beigetragen haben, dass sich viele Schüler verschiedener Klassenstufen infizieren konnten. Zudem kritisieren Eltern die Informationspolitik des Gesundheitsamts.

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IMAGE-431784 Foto: N/A

Die Tuberkulose-Erkrankungen in Bad Schönborn werden ein Fall für Sozialminister Manne Lucha: Der Grünen-Politiker kommt am Dienstag ins Gesundheitsamt Karlsruhe, um sich vor Ort über das Infektionsgeschehen und die Arbeit des Amts zu informieren.

Amt untersuchte Schule

Da ein an Tuberkulose erkrankter Schüler an der Michael-Ende-Gemeinschaftsschule nicht nur eine beträchtliche Anzahl an Mitschülern aus seiner Klassenstufe angesteckt hatte, sondern auch mehr als 40 aus anderen Jahrgängen , hat das Gesundheitsamt das Schulgebäude untersucht. Nun habe man Gewissheit, warum es Infizierte über die Klassenstufe hinaus gebe, teilt Ulrich Wagner vom Gesundheitsamt mit: Der damals ansteckende Schüler habe sich viel in Gemeinschaftsräumen aufgehalten.

Kontakte in andere Klassen

Wagner erwähnt die Mensa, einen Ruheraum, auch Flure, in denen der Achtklässler mit anderen Klassen gemeinsam auf den Unterrichtsbeginn gewartet hatte. Zudem habe er Kontakte zu anderen Klassen, habe in deren Räumen Freunde besucht. Keinen Hinweis gefunden haben die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts und des Landesgesundheitsamts, dass die Lüftung zur Verbreitung der Bakterien geführt hat. „Dort wird über Fenster gelüftet“, berichtet Wagner. Er meinte, es beruhigt, Erklärungen zu haben. Zuvor sei unsicher gewesen, was zu den vielen Infektionen geführt hatte.

Es war ohnehin der richtige Zeitpunkt für die Untersuchung.
Ulrich Wagner, Gesundheitsamt Karlsruhe

Hätte das Gesundheitsamt anders gehandelt, wenn vorher bekannt gewesen wäre, dass der Erkrankte so viele Kontakte in andere Stufen pflegt? „Es war ohnehin der richtige Zeitpunkt für die Untersuchung“, erklärt Wagner. Da die Inkubationszeit von Tuberkulose acht Wochen beträgt, sind die Tests auch erst nach dieser Zeit aussagekräftig. Nur die Achtklässler waren vor einigen Wochen und jetzt noch einmal mit dem Rest der Schule getestet worden, wobei neue Infektionen zutage kamen. „Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir ein zweischrittiges Verfahren für die ganze Schule vorgesehen“, so Wagner.

Tests an Grundschülern gestartet

Die ersten Tests an der Franz-Josef-Kuhn-Grundschule in Langenbrücken, auf die der ebenfalls erkrankte Bruder des Gemeinschaftsschülers geht, starteten am heutigen Freitag. Wegen der verschiedenen Urlaubszeiten der Familien können sie nicht wie an der Gemeinschaftsschule gebündelt vorgenommen werden.

Eltern erst durch Medien informiert

Währenddessen wurde Kritik der Eltern laut: Viele von ihnen hatten von der neuen Infizierten-Zahl aus den BNN erfahren. So auch Pascal Fellhauer. Ihm sei es „sauer aufgestoßen“, wie er sagt, dass erst die Öffentlichkeit informiert wurde, bevor alle Eltern Bescheid wussten. „Man macht sich Gedanken“, sagt der Vater eines Sechstklässlers. Schließlich habe er lange nicht gewusst, ob sein Sohn nun zu den Betroffenen zählt oder nicht. Er habe mit anderen Eltern gesprochen, und sei nicht der Einzige gewesen, der auf die Berichte hin Kontakt zum Gesundheitsamt aufgenommen habe. „Erst auf Nachfrage habe ich erfahren, dass Betroffene telefonisch informiert werden.“ Er meint, es sei in Ordnung, wenn es länger dauert, bis Ergebnisse da sind, doch der Weg der Information stimme nicht, wenn die Presse vor den Eltern Bescheid wüsste.

Befunde werden verschickt

Ulrich Wagner bestätigt, dass zunächst nur Infizierte benachrichtigt wurden. Bei den Tests sei darauf hingewiesen worden, dass nur positiv Getestete Rückmeldung bekämen. 300 untersuchte Menschen abzutelefonieren, sei schlichtweg nicht leistbar und man habe sich in der Pflicht gesehen, die neuen Zahlen zu veröffentlichen. Aufgrund der Beschwerden bekommen nun aber alle – auch die negativ Getesteten – ihre Befunde zugeschickt.

Die BNN beantworten die wichtigsten Fragen zu der Infektionskrankheit: Was ist Tuberkulose? Tuberkulose (TBC) ist eine meldepflichtige bakterielle Infektionskrankheit. Bei Infizierten liegt die Wahrscheinlichkeit, dass TBC ausbricht, meist bei höchstens 15 Prozent. Kleinkinder und Menschen mit Immunabwehrschwäche sind laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gefährdeter. Nicht alle Erkrankten sind ansteckend, das ist nur bei einer offenen Tuberkulose der Fall. Wie gefährlich ist die Krankheit? „Tuberkulose ist heute in der Regel eine behandelbare und heilbare Erkrankung“, so das Gesundheitsamt. Doch ohne Behandlung kann sie tödlich sein. 2016 starben laut Statistischem Landesamt 30 Menschen in Baden-Württemberg daran. Was sind die Symptome? Tuberkulose bleibt oft lang unentdeckt, da sie schleichend beginnt. Symptome sind Husten, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Fieber und Nachtschweiß. Wie steckt man sich an? „Der Übertragungsweg ist in aller Regel das Einatmen von Tuberkulosebakterien, die ein ,offen‘ Erkrankter zuvor ausgeatmet oder ausgehustet hat“, teilt das Gesundheitsamt mit. Ob jemand sich ansteckt oder nicht, hängt wesentlich davon ab, wie viele Stunden gemeinsam verbracht wurden. Körperlicher Kontakt oder Berührungen gemeinsam genutzter Gegenstände wie Türklinken seien keine relevanten Ansteckungswege, so das Amt. Das sei auch so bei oberflächlichen Begegnungen auf Fluren oder im Freien, „so lange man nicht direkt angehustet oder angeniest wird“. Wie lang dauert die Behandlung? Sechs Monate lang dauert die Therapie für Erkrankte. Sie besteht aus einer Medikamenten-Kombination. „Oft ist bereits nach drei Wochen keine Ansteckungsfähigkeit mehr gegeben“, sagt ein Arzt des Gesundheitsamts. Für Infizierte gibt es eine Antibiotika-Therapie, um das Erkrankungsrisiko zu senken. Ist Tuberkulose nicht ausgerottet? 2009 wurden laut Robert-Koch-Institut 4 444 Tuberkulosen in ganz Deutschland registriert, bis 2013 sanken die Zahlen. Zwischenzeitlich stiegen sie wieder. Bei Deutschen nehmen die Fallzahlen ab. Migranten sorgten für die Steigerung, weil sie erkrankt herkämen, nicht, weil sie Deutsche ansteckten, sagte Brit Häcker vom Zentralkomitee zur TBC-Bekämpfung gegenüber der ARD. 2017 wurden weniger Fälle (5 486) als im Vorjahr (5 915) registriert. Die Weltgesundheitsorganisation will Tuberkulose bis 2050 eliminieren.

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