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Meinungsfreiheit

Tauss-Tweet über „russische Krim“: Bruchsaler Richterin spricht ein klares Urteil

Der umstrittene Russland-Aktivist und Ex-SPD-Politiker Jörg Tauss siegt vor dem Amtsgericht Bruchsal gegen die Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Warum das Urteil für ihn einzigartig ist.

Jörg Tauss am Donnerstag auf der Anklagebank im Amtsgericht Bruchsal.
Jörg Tauss am Donnerstag auf der Anklagebank im Amtsgericht Bruchsal. Foto: Daniel Streib

Als Jörg Tauss noch im Bundestag saß, war er stolz auf einen zweifelhaften Rekord. Der ehemalige SPD-Abgeordnete aus Kraichtal im Landkreis Karlsruhe galt lange als jener Parlamentarier mit den meisten Zwischenrufen. Am Donnerstag im Amtsgericht Bruchsal war von diesem Rededrang nichts zu spüren.

Zwischenruf-Rekordhalter ungewöhnlich wortkarg

Der 70-Jährige machte lediglich Angaben zur Person und gab sich ansonsten wortkarg. Vielmehr ließ Tauss seinen Rechtsanwalt Eduard Karabelnikov für sich sprechen. Dieser zeigte durchaus Zwischenrufer-Qualitäten. Mehrfach wurde er von Richterin Tanja Nowak sanft ermahnt, dass er dem Staatsanwalt nicht ins Wort fallen dürfe.

Sein erster Freispruch: Jörg Tauss am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Bruchsal.
Sein erster Freispruch: Ex-Bundestagsabgeordneter Jörg Tauss am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Bruchsal. Foto: Daniel Streib

Was der Verteidiger womöglich an Engagement zu viel einbrachte, schien Staatsanwalt Adrian Hepworth an Zurückhaltung auszugleichen. Zu dem Gerichtstermin war es überhaupt nur gekommen, weil Tauss einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht akzeptieren wollte.

Die Anklagebehörde wirft Tauss einen Beitrag im Netzwerk „X“ (Ex-Twitter) vor. Tauss hatte dort im vergangenen Jahr auf einen Beitrag eines anderen Users geantwortet. Der hatte den Deutschlandfunk dafür kritisiert, dass er „Regionalwahlen“ in der von Russland besetzen Ostukraine nicht als „Scheinwahlen“ eingeordnet habe. Tauss antwortete: „Schon auf der russischen Krim lief das damals korrekt ab.“

Laut Staatsanwaltschaft habe Tauss mit diesem Satz nicht nur „die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und die dort durchgeführten Scheinwahlen gutgeheißen“. Der Tweet sei auch dazu geeignet, „den öffentlichen Frieden zu stören“. Tauss folgen auf Twitter immerhin mehr als 11.000 Nutzer.

Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht akzeptiert

Vergangenen November beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Bruchsal den Erlass eines Strafbefehls „wegen des Vorwurfs der Billigung von Straftaten“. Doch Tauss akzeptierte die Geldstrafe von 1.600 Euro in 40 Tagessätzen nicht, weshalb es nun also zur öffentlichen Gerichtsverhandlung kam.

Tauss’ russischstämmiger Verteidiger gab sich fassungslos über die Herleitungen der Staatsanwaltschaft, die viel zu viel in den Tweet hinein interpretiere. Am Ende werde sein Mandant noch für alle anderen Verbrechen verantwortlich gemacht, die Russland vorgeworfen würden.

Nach seiner Darstellung hat sich sein Mandant im betreffenden Tweet gar nicht zur Krim-Annexion geäußert. Lediglich zu regionalen Wahlen habe er seine Meinung kundgetan.

Das ist mein erster Freispruch.
Jörg Tauss
Russland-Aktivist

Ein entscheidender Satz des Anwalts war wohl die Feststellung: „Es gibt mehrere Möglichkeiten, diesen Tweet zu interpretieren.“ Schon deshalb müsse man seinen Mandanten freisprechen. Schließlich ist in Deutschland, anders als etwa in Russland, die Meinungsfreiheit nach höchstrichterlichen Rechtssprechung stets weit auszulegen.

Staatsanwaltschaft fordert hohe Geldstrafe

Staatsanwalt Hepworth blieb bei seiner Linie. Tauss sei „ein bundesweit bekannter Politiker“. Wenn er sich auf einer öffentlichen Plattform derart äußere, dann sei das auch mit Blick auf die vielen aus der Ukraine Geflüchteten in Deutschland dazu geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden.

In seinem Plädoyer forderte der Ankläger einen ordentlichen Zuschlag beim Strafmaß. Statt den 1.600 Euro im Strafbefehl vom November rief er nun 7.000 Euro Geldstrafe auf.

Amtsrichterin Nowak zog sich für einige Minuten zurück und sprach dann ein klares Urteil: Tauss wird freigesprochen. Die Verfahrenskosten bezahlt der Staat.

Mehrere Auseinandersetzungen mit Karlsruher Strafverfolger

Mit dem Urteil fand Tauss auch die Sprache wieder. „Das ist mein erster Freispruch“, kommentierte er gegenüber Begleitern. Tauss blickt auf eine Reihe von rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zurück, wobei es teilweise ebenfalls um die Krim ging.

2016 war es um den zunächst von der Bundesregierung erhobenen Verdacht gegangen, Tauss habe gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen, weil er trotz Sanktionen eine touristische Gruppenreise auf die Krim organisiert habe. Das Verfahren wurde damals eingestellt.

Mit der Russland-Brücke feiern im Bruchsaler Café

Der langjährige Bundestagsabgeordnete hatte seine politische Karriere 2009 beendet, nachdem ihn die Staatsanwaltschaft Karlsruhe des „Besitzes kinderpornografischer Schriften“ beschuldigte. Die Richter folgten seiner Erklärung nicht, es habe sich um Recherchematerial für die politische Arbeit gehandelt, und verurteilten ihn 2010 zu einer Bewährungsstrafe.

Nun der erste Freispruch. Mit Mitgliedern der von ihm geleiteten West-Ost-Gesellschaft Baden-Württemberg, auch Russland-Brücke genannt, ging es im Anschluss zu einer kleinen Feier in ein Bruchsaler Café.

Ob es die Staatsanwaltschaft damit bewenden lässt oder Rechtsmittel einlegt, war zunächst unklar. Tauss: „Ich gehe davon aus, dass sie weiter machen.“

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