Ultraläufer Klaus Bensching läuft rund 4.500 Kilometer im Jahr. Am Samstag geht der 57-Jährige bei der deutschen Meisterschaft im 100-Kilometer-Lauf in Ubstadt-Weiher an den Start.
Im Interview verrät er, woher die Lust kommt, sich zu quälen, welche mentalen Tricks ihm beim Durchhalten helfen und was er sich für Samstag vorgenommen hat.
Warum tun Sie sich das an?
BenschingGute Frage (lacht). Es ist einfach ein gutes Gefühl, seine Grenzen zu überwinden.
Wie sind Sie Ultraläufer geworden?
BenschingZum Laufen bin ich mit Mitte 30 gekommen, als ich mir das Rauchen abgewöhnen wollte. Gestartet bin ich mit ein paar Kilometern am Stück. Nach einem Volkslauf habe ich angefangen, für einen Halbmarathon zu trainieren. Danach kam fast zwangsläufig ein Marathon. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich in langsamerem Tempo sehr lange laufen kann. So bin ich bei Ultraläufen gelandet.
Laufen als Zigarettenersatz? Ist Sport Ihre neue Droge?
BenschingNein. Eine Droge hat schädliche Wirkung. Man braucht immer mehr, um den Kick zu bekommen, isoliert sich von Freunden und Bekannten. Beim Laufen habe ich meine Dosis zwar auch mit der Zeit erhöht. Aber ich habe mich nicht zurückgezogen, im Gegenteil. Durch die Ultralauf-Szene habe ich viele neue Leute kennengelernt.
An welche Momente in Ihrer Laufkarriere erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
BenschingEin Highlight war der Köln-Marathon 2007, als ich die 42 Kilometer erstmals in unter drei Stunden gelaufen bin. Mein bestes Jahr war 2016. Da bin ich bei der deutschen Meisterschaft über 100 Kilometer in Leipzig unter den Top-Ten gelandet und beim Thüringer Rennsteiglauf über 72,7 Kilometer Erster in meiner Altersklasse geworden.
Gab es auch Rückschläge?
BenschingJa. Zum Beispiel, als ich bei einem Lauf über eine Wurzel gestolpert bin und mir die Hand gebrochen habe. Beim Trainingslager auf Fuerteventura bin ich auf einen Stein getreten und habe mir Wadenbein und Fersenbein gebrochen. Bei der deutschen Meisterschaft in Ubstadt letztes Jahr stand ich deshalb noch mit Krücken an der Strecke.
Wie sieht Ihr Training aus?
BenschingPro Woche mache ich mindestens einen langen Lauf zwischen drei und vier Stunden. Daneben laufe ich viele langsame Kilometer. Und mentale Vorbereitung ist wichtig.
Mentale Vorbereitung?
BenschingJa. Vieles ist Kopfsache. Niemand dreht nach 80 Kilometern noch voller Spaß und Leichtigkeit seine Runden. Da tut es schon mal weh. Man braucht eine gewisse Schmerztoleranz. Mentale Strategien helfen dabei, durchzuhalten. Mir hilft es zum Beispiel, mir kleine Ziele zu setzen. Immer nur die nächsten 100 Meter in den Blick zu nehmen, oder die nächsten drei Schritte. Auch die Gedanken an den Zieleinlauf oder an meine Familie motivieren mich. Ich stelle mir zum Beispiel oft vor, wie mein Enkel mich anfeuert: „Lauf, Opa, lauf.“ Meine Familie steht am Samstag gegen Ende des Rennens hoffentlich wieder an der Strecke. Das gibt Rückenwind.
Am Samstag laufen Sie 20 Runden um den Hardtsee. Wird Ihnen da nicht langweilig?
BenschingNein. Laufen hat für mich etwas Hochmeditatives. Deshalb höre ich dabei keine Musik. Ich bin einfach unterwegs und im Dialog mit mir selbst.
Was ist Ihr Ziel bei der deutschen Meisterschaft?
BenschingBei so langen Läufen kann viel passieren. Man kann zum Beispiel einen Krampf bekommen oder das Essen nicht vertragen. Deshalb setze ich mir drei Ziele: ein realistisches, ein optimales und ein minimales. Das Minimalziel ist es, die Strecke durchzulaufen. Realistisch wäre eine Zeit knapp unter neun Stunden, optimal alles darunter. Mein persönliches Ziel ist ein Platz unter den ersten drei bis vier meiner Altersklasse. Mit der Mannschaft der LSG Weiher will ich aufs Podest.
Welche Ausrüstung haben Sie am Samstag dabei?
BenschingNatürlich Sportkleidung und Laufschuhe, außerdem Verpflegung: Energie-Gels und gekochte Kartoffeln mit Salz. Die haben viele Kohlenhydrate, sind gut verdaulich und salzhaltig. Das ist wichtig, weil man viel schwitzt. Gegen Blasen an den Füßen nehme ich Hirschtalg-Creme mit.
Sie schnüren als Lauftherapeut auch beruflich die Joggingschuhe. Warum ist Laufen heilsam?
BenschingEs hat eine antidepressive Wirkung. Deshalb mache ich Ausdauertraining mit Patienten, die an Depressionen oder Angststörungen leiden.
Haben Sie keine Angst, Ihrem Körper zu viel zuzumuten?
BenschingNein. Mit den Patienten laufe ich langsam, das sehe ich eher als Regeneration. Meine Haupttrainingszeiten sind am Wochenende. Als Ausgleich mache ich Yoga und spiele in einer Band: Gitarre und Gesang.
Sie sind 57 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch laufen?
BenschingSo lange wie möglich. Und solange mein Körper mitmacht.