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Oft gegen Frauen

Es bleibt nicht bei blauen Flecken: Wie das Polizeirevier Bühl mit häuslicher Gewalt umgeht

Das Thema ist bedrückend, das Dunkelfeld riesig. Die Scham der meist weiblichen Opfer spielt dabei eine große Rolle. Rainer Daum ist im Polizeirevier Bühl seit 15 Jahren Sachbearbeiter für Häusliche Gewalt. Zwei Todesfälle hat Daum in dieser Zeit erlebt.

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Gewalt gegen Frauen: Häufig ist der Ehemann oder der Lebensgefährte der Täter. Im vergangenen Jahr wurden 37 Fälle im Bereich des Polizeireviers Bühl angezeigt. Das Dunkelfeld ist sehr groß. Foto: Bernd Weißbrod

Rainer Daum ist ein freundlicher Mann. Die Ruhe, die der Polizeioberkommissar ausstrahlt, braucht er in seinem Beruf. Daum ist im Polizeirevier Bühl Sachbearbeiter für Häusliche Gewalt. Die richtet sich in den meisten Fällen gegen Frauen und ist damit eines der bedrückendsten Themen in der Kriminalität überhaupt. Daum kennt sich aus. Er macht diese Arbeit seit 15 Jahren. Damals wurden diese speziellen Stellen landesweit eingerichtet, auch im Polizeirevier Bühl, das den südlichen Landkreis Rastatt und das Baden-Badener Rebland betreut.

„Im Grunde Sozialarbeit”

Es bleibt nicht immer bei fliegenden Fäusten. Zwei Todesfälle hat Daum in dieser Zeit erlebt. Ein tragischer Fall ist ihm in besonders guter Erinnerung „Eine aus Russland stammende Frau, die wiederholt von ihrem Mann geschlagen wurde, ist, weil sie finanziell von ihm abhängig war, immer wieder zu ihm zurück“, berichtet er. „Irgendwann hat er ihr ein Messer in die Rippen gestoßen.“ Es ist Daum ein wichtiges Anliegen, dass es nicht so weit kommt. „Mein Job ist im Grunde Sozialarbeit“, sagt er.

Probleme mit anderen Kulturkreisen

Häusliche Gewalt gibt es in allen Bevölkerungsschichten, nicht nur bei sozial benachteiligten. Das Problem geht aber tiefer. „Es existieren unterschiedliche Kulturkreise in Deutschland und in einigen gelten Frauen als Menschen zweiter Klasse“, stellt Peter-Johannes Scholz, als Leiter des Bezirksdienstes im Revier Bühl Daums Vorgesetzter, fest. „Für Männer aus anderen Kulturkreisen gilt Gewalt offensichtlich als legitimes Mittel. Das geht bis zum Ehrenmord.“

Daum verweist auf eine Frau aus Russland, die ihm berichtete: „Ich habe einen guten Mann. Er schlägt mich nur manchmal.“ Ihre Nachbarinnen erhielten fast täglich Prügel.

Daum berichtet von Ohrfeigen, blauen Flecken am ganzen Körper und üblen Kopfverletzungen, die mitunter einen stationären Klinikaufenthalt nötig machen. Häufig kommen Frauen an regnerischen Tagen mit einer dunklen Sonnenbrille in sein Büro, um ein Veilchen zu verdecken.

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Rainer Daum ist Sachbearbeiter für Häusliche Gewalt im Polizeirevier Bühl. Foto: Ulrich Coenen

„Es gibt böse Menschen”

Wieso schlagen Männer ihre Frauen? Daum und Scholz weisen unisono die These zurück, dass die gewaltbereiten Täter in jedem Fall psychisch gestört sind. „Es gibt schlichtweg böse Menschen“, stellt Rainer Daum fest. Deren Aggressivität können Polizeibeamte beeinflussen, wenn sie ihnen die möglichen Konsequenzen ihres Handelns aufzeigen.

Wer beispielsweise ein Auto fährt, muss charakterlich dafür geeignet sein. Bei aggressiven Menschen kann Daum das in Zweifel ziehen und mit einer Meldung an die Führerscheinstelle drohen. Das wirkt bei Tätern häufig Wunder, ebenso wie eine erkennungsdienstliche Behandlung in einem speziellen Raum des Reviers, wo Verbrecherfotos gemacht und Fingerabdrücke genommen werden. Die Täter fühlen sich wie im „Tatort“. „Das hinterlässt Eindruck“, sagt Daum. In anderen Fällen kann ein gerichtlich angeordnetes Antiaggressionstraining helfen.

Meist am Wochenende

Die meisten Fälle von Häuslicher Gewalt ereignen sich übers Wochenende, wenn die Partner viel Zeit miteinander verbringen. Wird die Situation kritisch, wählt die Frau in der Regel die 110. Dann kommt ein Streifenwagen. „Das ist einer der schwierigsten Themenbereiche der Polizeiarbeit überhaupt“, berichtet Peter-Johannes Scholz. „Die Kollegen müssen die Situation in ganz kurzer Zeit vor Ort analysieren und eine Entscheidung treffen.“

Platzverweis als Fortschritt

2002 hat ihnen der Gesetzgeber dafür das Instrumentarium des Platzverweises zur Verfügung gestellt. Der Täter fliegt nach wenigen Minuten für vier Tage aus seiner eigenen Wohnung, auf Antrag der Polizei kann die Gemeinde als Ortspolizeibehörde diese Frist auf zwei Wochen verlängern. Für eine erneute Verlängerung bis zu sechs Monaten muss das Familiengericht eingeschaltet werden. „Ein Platzverweis hat erzieherische Wirkung“, konstatiert Daum. Leider werden die Anzeigen wenige Tage später von den geschädigten Frauen nur allzu oft zurückgezogen. „Finanzielle Abhängigkeit ist in der Regel der Grund“, sagt der Oberkommissar.

„Freund und Helfer”

Dass die Frauen ihm vertrauen, merkt Rainer Daum, weil seine Visitenkarten von einem Opfer an ein anderes weitergereicht werden. „Die Polizei, dein Freund und Helfer ist für mich nicht nur ein leeres Wort“, bekräftigt er.

Info

Das Dunkelfeld ist riesig. 37 Fälle von Häuslicher Gewalt gab es im Jahr 2018 im Bereich der Polizeireviers Bühl. Im Jahr zuvor waren es 54. „Die Zahlen sind konstant“, berichtet Polizeioberkommissar Rainer Daum. Nur in Ausnahmefällen sind Männer Opfer. Gerade bei ihnen geht Daum aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus Scham aus.

Anders ist dies bei Stalking, das Daum ebenfalls als Sachbearbeiter betreut. Hierbei treten Frauen und Männer mit derselben Häufigkeit als Täter auf. „Die Ermittlungsarbeit bei Stalking ist sehr aufwendig“, berichtet Daum. „Doch unsere Erfolgsquote liegt bei fast 100 Prozent. Es benötigt aber Zeit.“ Gewalt gegen das Opfer gibt es glücklicherweise kaum. Sachbeschädigungen wie das Zerkratzen des Autolacks oder das Zerdeppern von Blumentöpfen im Garten sind aber nicht selten.

Die Polizei unterscheidet zwischen Beziehungsstalkern, die das Ende einer Beziehung nicht akzeptieren, und Stalkern, die eine Beziehung beanspruchen, die es nie gab. Außerdem gibt es Promistalker.

In einem Fall stalkte eine psychisch kranke Frau einen Geschädigten, weil sie im Liebeswahn glaubte, sie sei mit ihm verheiratet. „Stalking ist für die Betroffenen extrem belastend“, berichtet Daum. „Teilweise benötigen die Opfer psychologische Hilfe.“



Kontakt

Weitere Informationen und Kontakt zu Rainer Daum beim Polizeirevier Bühl: (07223) 990970.

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