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Harte Zeit für Alleinstehende

Wie Singles in Karlsruhe und der Region mit Corona umgehen und was Experten raten

Jeder spricht über Senioren in Pflegeheimen und Familien mit Kindern, die mit den Herausforderungen während der Corona-Krise zu kämpfen haben. Aber was ist mit den Alleinstehenden? Wie ergeht es den Singles? Immerhin gibt es davon rund 18,5 Millionen in Deutschland (Stand: 2018).

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Der Kontakt via Smartphone ist für Singles oft der einzige Kommunikationskanal in Corona-Zeiten. Foto: N/A

„Für viele Singles ist es aktuell eine sehr schwierige Zeit“, sagt Sonja Reiner aus Königsbach-Stein im Enzkreis. Sie ist Ende 30, Mutter eines erwachsenen Sohnes und seit Oktober 2019 Single. Reiner ist Administratorin der Facebook-Gruppe „Singles Karlsruhe, Ettlingen, Karlsbad, Bad Herrenalb, Malsch“ mit rund 1.000 Mitgliedern. Im Rahmen dieser Tätigkeit bekommt sie vor allem jetzt viele Leiden der anderen mit, aber auch wie sich die Singles untereinander helfen.

Facebook-Gruppe als Familienersatz

„Wir sind wie ein Familienersatz“, so die Frau, die zu den Jüngeren in der Gruppe zählt. Es werde darauf geschaut, dass die Gruppenmitglieder aus einem Umkreis von 50 Kilometern stammen und die Partnersuche ernst meinen. Verheiratete oder Personen in einer Beziehung würden nicht angenommen werden. „Wer neu dazu kommt, ist in der Regel zunächst skeptisch, bereut dann aber, dass er es nicht schon früher gemacht hat“, erklärt die Single-Frau.

Sonja Reiner kuschelt mit einer Katze.
Sonja Reiner kuschelt mit einer Katze. Foto: pr

Da sich viele der Mitglieder schon seit Jahren persönlich kennen, ist der Zusammenhalt auch in Zeiten von Corona groß. „Normalerweise treffen wir uns, gehen essen, in den Schlossgarten oder auch Cocktails trinken“, so Reiner. Da dies aktuell nicht gehe, verlagere sich alles in die virtuelle Welt. Neben Chats würden die Gruppenmitglieder derzeit via Facetime oder Whatsapp eigene kleine Videokonferenzen machen. Denn viele benötigen Unterstützung – auch für die Versorgung.

Alleinstehende sind besonders auf Hilfe angewiesen

Reiner berichtet von einer 50-jährigen Freundin, die Risikopatientin und alleinstehend ist. Sie bekomme deshalb die Lebensmittel vor die Tür gebracht und verzichte auf jeglichen persönlichen Kontakt. Da sie herzkrank sei, sehe sie auch ihre Kinder nicht mehr. Eine weitere alleinstehende Freundin erzählt von ihren anstrengenden Kindern, die sie nun alleine zu Hause bändigen muss. Paare hingegen könnten sich die Betreuung immer aufteilen.

Wie viele andere hat Reiner sich einen Vorrat an Toilettenpapier angeschafft. „Aber nur, um auch anderen helfen zu können“, sagt sie. Und das habe sie bereits getan: Ihr 82-jähriger Nachbar hatte keines mehr und war überglücklich. Er wusste nicht, wie er Danke sagen und das wieder gut machen kann, so die Königsbacherin.

Ebenfalls allein ist Sören Anders (34), Koch und Inhaber des „Anders auf dem Turmberg“ in Karlsruhe. Er ist seit zwei Jahren Single und sagt: „Dann muss der Prinz eben noch warten“. Mit seiner Familie und den Patenkindern hält er via Facetime Kontakt. Ansonsten geben ihm seine beiden Hunde viel Kraft, durch die er häufig an der frischen Luft ist.

Telefonieren geht fast immer

Professionelle Behandlung erhalten Singles bei emotionalen Krisen während dieser Zeit bei Psychologen und Psychotherapeuten. Ulrike Zoworka, Psychologische Psychotherapeutin aus Bruchsal, behandelt ihre Patienten weiterhin persönlich in ihrer Praxis, da diese wie bei allen anderen Facharztgruppen auch geöffnet bleibt.

Ältere Patienten hätten zwar nun mehr Angst vor Ansteckung und vermieden es, aus dem Hause zu gehen. "Dennoch melden sich neue Patienten.“  Einen größeren Ansturm befürchtet sie erst, wenn die Kontaktsperre und Quarantänezeit noch eine Weile anhalten würde: Denn dann könnten sich familäre Krisenherde und das Einsamkeitserleben bis hin zu manifesten Depressionen und Angststörungen entwickeln.

Wer eine stabile Tagesstruktur und Haustiere hat, um die er sich kümmern muss, ist weniger einsam.
Ulrike Zoworka, Psychologische Psychotherapeutin aus Bruchsal

„Jüngere haben über die sozialen Kanäle noch gute Möglichkeiten, sich auszutauschen“, sagt die Expertin. Bei Älteren sehe das schon schwieriger aus, da ihnen zum Teil die Medienkompetenz fehle. Aber telefonieren gehe immer.

Ein Austausch mit anderen in einer ähnlichen Situation sei zu empfehlen. Dabei weist sie auch auf die Unterschiede zwischen Stadt und Land hin. In der Stadt sei alles noch etwas anonymer für Ältere, auf dem Land hätten sie eher soziale Anbindung.

Einen großen Unterschied mache es außerdem, ob Singles sich bewusst dazu entschieden hätten, allein zu sein oder ob sie beispielsweise frisch getrennt oder verwitwet seien. Ebenfalls ein entscheidender Aspekt sei die finanzielle Absicherung.

Ältere Singles sollten sich trauen und in Corona-Zeiten Nachbarn ansprechen

„Wer eine stabile Tagesstruktur und Haustiere hat, um die er sich kümmern muss, ist weniger einsam“, sagt die Psychotherapeutin. „Kleine Erfolge, Hobbys oder soziales Engagement für andere helfen da ungemein."

Ältere würden sich oftmals sozial isolieren und aus Selbstschutz Kontakte meiden. Sie sollten, sofern sie keine Angehörigen haben, die in der Nähe wohnen, den Mut ergreifen und ihre Nachbarn ansprechen. Diese können dann die Einkäufe erledigen.

„Jüngeren empfehle ich, rauszugehen und Sport zu treiben, das erhält die Tagesstruktur“, so die 57-Jährige. „Bei allen Altersgruppen steigt die Angst vor einer Erkrankung, schlimmstenfalls vor Tod und auch die Angst, jemanden zu verlieren, sich dann noch nicht mal mehr verabschieden zu können.“

Grübeln kann depressiv machen

Beim Thema unerwarteter Kurzarbeit oder Betriebsschließungen vermissten Menschen zu Hause Tagesstruktur wie auch den Kontakt zu Kollegen. Finanzielle Sorgen erschweren die Ausnahmesituation. Grübeln und Existenzängste  bis hin zu Depressionen können die Folge sein. Die Psychotherapeutin rät daher gerade dann, Kontakt zur "Außenwelt" zu halten, sich auch telefonisch oder per Internet mit Freunden und Angehörigen zu vernetzen.

Auch für die Bruchsaler Psychotherapeutin hat die Corona-Krise Auswirkungen: Außer, dass mehr Abstand-und Hygieneregeln beachtet werden, hat sie jetzt in der Praxis vorübergehend Videokonferenzen eingeführt. Persönlicher Kontakt ist und bleibt effektiver. Lieber nur die Stimme ohne Ruckeln als ein Video mit Verzerrungen, Unterbrechungen, doch telefonische Behandlung ist nur in einigen wenigen Bundesländern erlaubt und wird entsprechend auch bezahlt.

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