Skip to main content

Laufsportart Gehen

Gaggenauerin Gisela Theunissen ist mehrfache Weltmeisterin

Die Wahl-Gaggenauerin Gisela Theunissen ist Geherin. Die heute 76-Jährige nimmt seit 1997 an Wettkämpfen teil und hat bereits zahlreiche Medaillen geholt. Aktuell ist sie Vize-Weltmeisterin im 3000-Meter-Gehen in der Halle und im 10-Kilometer-Straßengehen.

Gisela Theunissen geht
Gisela Theunissen trainiert im Kurpark in Gaggenau. Foto: Müller

Wenn sie kommt, hat so mancher Läufer das Nachsehen. Gisela Theunissen ist flott unterwegs. Und das, obwohl sie streng darauf achtet, dass ihre Füße nie gleichzeitig in der Luft sind. Sobald ein Fuß den Boden berührt, streckt sie das jeweilige Knie gerade durch. Diese spezielle Technik, die beim Gehen vorgeschrieben ist, läuft bei ihr fast automatisch ab. Seit 1996 streift sie so durch die Wälder rings um Gaggenau.

Beim Gehen gelten strenge Regeln

„Ich habe 1995 mit dem Walking angefangen“, berichtet Theunissen. Im Gegensatz zum Gehen ist es dabei nicht so wichtig, ob die Knie wirklich durchgedrückt sind. Bekannte hätten sie dann auf das Gehen aufmerksam gemacht. Seither lässt die Sportart die mittlerweile 76-Jährige nicht mehr los. Dreimal pro Woche leitet sie eine Gruppe, mit der sie zwischen sechs und zehn Kilometer durch den Wald geht. Dabei trainiert sie vor allem ihre Kondition.

Ihre Geschwindigkeit misst die 76-Jährige auf einer anderen, etwa 5,4 Kilometer langen Strecke ohne Steigungen, die sie mehrmals nacheinander abgeht. Dann legt sie richtig los, ihre Füße wirbeln über den Waldboden. Ihre eher kurze Schrittlänge gleicht die kleine Frau durch eine hohe Frequenz wieder aus. Die Arme schwingen dabei energisch mit. „Sie sind mein Motor“, erklärt Theunissen.

Theunissens Team holt Gold in Torun

Bei einem Tempo, in dem andere längst ins Joggen verfallen, kann sie sich noch ruhig unterhalten. Kein Wunder, dass sie bereits zahlreiche Medaillen in der Laufsportart Gehen gewonnen hat, zuletzt zwei Silbermedaillen bei der Senioren-Weltmeisterschaft in Torun, Polen. 3000 Meter in der Halle schaffte sie in 22:35 Minuten, für zehn Kilometer auf der Straße benötigte sie 1:18. Mit ihrer Mannschaft holte sie sogar Gold beim Wettkampf über zehn Kilometer Straße. Und es werden wohl noch weitere Siege folgen. „Meist gehe ich auf sechs bis acht Wettkämpfe im Jahr“, erzählt sie.

Die Reisen sind teuer

Wenn sie könnte, würde sie sich bei noch mehr anmelden. Im Gegensatz zu manchen Profis, die beim Sieg völlig unbedarft ihre Trikots zerreißen, muss Theunissen allerdings ihre komplette Ausrüstung und die Reisen zu den Austragungsorten selbst bezahlen. Preisgeld gebe es ebenfalls nicht. Darum kann sie nicht alle Wettkämpfe mitnehmen. „Außerdem will ich ja auch mal mit meinem Mann in den Urlaub“, gibt sie zu. Er ist gesundheitlich angeschlagen und begleitet sie mittlerweile nicht mehr auf ihre Wettkämpfe ins Ausland. Dort hat sie schon viel erlebt, in Finnland marschierte sie durch den Schnee und in Malaga hatte sie so große Blasen an den Füßen, dass sie ohne Haut ins Ziel einlief.

Voller Einsatz für das Team

Denn für Theunissen gilt die Regel, ihre Teammitglieder nie im Stich zu lassen, egal, wie fit sie beim Wettkampf ist. Mit diesem Einsatz hat sie neben ihren Einzelsiegen mit ihrer Mannschaft schon mehrere Mannschaftswettkämpfe gewonnen, unter anderem mehrmals den Weltmeistertitel. Ihre Teammitglieder kommen aus ganz Deutschland, eine aus Esslingen, eine aus Berlin und bald schließt sich ihr eine Frau aus Groß-Gera an. „Man kennt sich unter den Gehern“, sagt Theunissen.

None
Gisela Theunissen Foto: Jule Müller

Der Zusammenhalt in der Gruppe sei enorm. Als Theunissen bei einem Wettkampf in Erfurt ihrer Meinung nach grundlos drei Rote Karten wegen unsauberen Gehens bekam, wollte sie am liebsten hinschmeißen. Aber jüngere Sportler hätten sie ermuntert und dazu überredet, weiterzumachen. Schließlich erleide jeder Sportler mal Niederlagen. Das hat sich gelohnt. Seither wurde sie nie wieder von einem Wettkampf ausgeschlossen.

Was sie allerdings etwas betrübt, ist die Tatsache, dass sie von der Stadt Gaggenau ihrer Ansicht nach nicht richtig gewürdigt wird. Sie war sogar schon auf der Sportlerehrung in Stuttgart, nicht aber in Gaggenau. „Dabei bin ich meines Wissens nach die einzige Weltmeisterin aus Gaggenau“, sagt Theunissen. Lange grübelt sie darüber aber nicht nach, auch ohne diese Wertschätzung liebt sie ihre Sportart.

Es macht unglaublich viel Spaß

Aktuell will Theunissen immer mindestens unter den besten drei sein. Das ist nicht immer leicht, auch wenn sie meist nur gegen zehn bis 20 Teilnehmer in ihrer Altersklasse antritt. „Die Konkurrenz schläft nicht“, betont Theunissen. Und so müsse auch sie beinahe täglich trainieren, um fit zu bleiben. Eine Qual sei das nicht. „Es macht unglaublich viel Spaß“, schwärmt die Sportlerin.

Ausdauer hat sie jedenfalls genug. Zusätzlich zu ihrem Training arbeitet sie ehrenamtlich in einer Kantine und in einem Internetcafé. Heute hat sie dafür genug Zeit. Früher, als sie jünger war, machte sie keinen Sport. „Ich habe fünf Mädchen großgezogen, da hatte ich keine Zeit für solche Scherze“, sagt sie lachend. So kam sie erst mit 54 Jahren zum Gehen.

Auch weiterhin unterwegs

Eine ihrer Enkeltöchter hat sich vier Jahre lang ihrem Training angeschlossen. Mit zehn Jahren gefiel ihr die Sportart allerdings nicht mehr. Seither ist Theunissen wieder allein oder mit ihrer Walkinggruppe unterwegs. Frühere Bekannte, mit denen sie zusammen durch den Wald ging, haben längst aufgehört.

Doch Theunissen bleibt dabei. „Ich weiß nicht, wie lange ich den Sport noch machen kann“, sagt sie. „Aber so lange ich immer noch Erfolge feiere und einen der ersten drei Plätze belege, höre ich nicht auf.“ Es scheint, als würde sie noch lange durch die Gaggenauer Wälder gehen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang