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Mahnwachen am Freitag

"Fridays gegen Altersarmut" in der Region Karlsruhe: Wie viel Rechtsextremismus steckt drin?

In Karlsruhe und anderen Städten der Region haben Aktivisten der Bewegung "Fridays gegen Altersarmut" für den kommenden Freitag Mahnwachen angemeldet. Zur Teilnahme rufen unter anderem rechtsextreme Gruppierungen auf. Droht der Bewegung eine Unterwanderung von Radikalen – oder ist sie sogar deren Projekt?

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Die Sorge vor Altersarmut wächst in der Bevölkerung. Und damit möglicherweise auch die Attraktivität des Themas für rechte Gruppierungen. Foto: dpa

Gesichert ist, dass rechtsextreme Gruppierungen und Parteien zur Teilnahme an den Mahnwachen aufrufen, die in zahlreichen deutschen Städten für Freitag angemeldet sind. So fordert etwa die Kleinpartei "Die Rechte" auf ihrer Homepage dazu auf, die Veranstaltungen zu unterstützen.

Auch offensichtlich rechts orientierte Blogs und Foren werben für eine Teilnahme an den Aktionen. Im Internet und in den sozialen Netzwerken finden sich daher zahlreiche Beiträge, in denen "Fridays gegen Altersarmut" als Teil einer rechten Propaganda-Strategie dargestellt wird.

Eine Kopie von "Fridays for Future"

Die Bewegung selbst stellt sich nach außen als überparteilich dar. Ihr Name sowie die Optik ihres Logos zeigen deutliche Bezüge zu "Fridays for Future". Und ähnlich wie die von Jugendlichen dominierten Umweltproteste nutzt "Fridays gegen Altersarmut" vor allem soziale Netzwerke, um Menschen anzusprechen und zu mobilisieren.

In der Region um Karlsruhe sind für den Freitagnachmittag drei Kundgebungen angekündigt. Neben Karlsruhe wollen "Fridays gegen Altersarmut"-Ableger in Rastatt und Bad Herrenalb auf ihre Ziele aufmerksam machen. Zumindest vordergründig sind die drei Veranstaltungen unabhängig voneinander geplant. Und zumindest in Karlsruhe erklärt der Veranstalter, rechten Gedanken keinen Raum geben zu wollen.

Wenn sich Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten hinter diesem Ziel vereinen und vielleicht noch miteinander ins Gespräch kommen, ist das umso besser."
Demirkiran Yalcin, Initiator der Mahnwache in Karlsruhe

"Wenn es auf der Mahnwache zu rechten Parolen kommt, breche ich sie sofort ab", sagt Demirkiran Yalcin. Er hat auf Facebook das Event "Fridays gegen Altersarmut" für Karlsruhe erstellt und die Veranstaltung nach eigenen Angaben bei der Stadt angemeldet.

Der 44-Jährige mit türkischen Wurzeln legt Wert darauf, mit der Mahnwache in Karlsruhe eine Möglichkeit der Begegnung schaffen zu wollen. "Mir ist schon klar, dass auch Menschen mit rechten Positionen kommen werden", erklärt er. "Genauso kommen aber auch welche mit linken Ansichten."

Fridays gegen Altersarmut: Ihre Ursprünge hat die Bewegung in einer Facebook-Gruppe, die im vergangenen Herbst gegründet wurde. Mittlerweile gibt es mehrere Ableger, die größte von ihnen kommt auf über 300.000 Mitglieder. Die Bewegung gibt sich einen unpolitischen Anstrich. Unter den Administratoren der großen Gruppen gebe es aber offensichtliche Verbindungen ins rechte Lager, erklären Kritiker.

Geht es nach Yalcin, soll "Fridays gegen Altersarmut" ein Ort werden, an dem unterschiedliche politische Ansichten keine Rolle spielen. "Mir geht es allein darum, dass Menschen im Alter ein vernünftiges Auskommen haben. Wenn sich Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten hinter diesem Ziel vereinen und vielleicht noch miteinander ins Gespräch kommen, ist das umso besser."

Eher keine Zustimmung bei den Gewerkschaften

Ein optimistischer Ansatz also, der längst nicht überall geteilt wird. So kursiert in Gewerkschaftskreisen ein Schreiben mit der Überschrift "Finger weg von 'Fridays gegen Altersarmut'", das vor der Bewegung warnt. Darin aufgeführt sind etwa Verbindungen von Aktivisten ins rechte Lager.

Das Schreiben kommt zu dem Schluss, "Fridays gegen Altersarmut" sei "reiner Populismus": "Man erzeugt emotionalen Unmut über ein Problem – und bietet keine Lösung dafür an, aber Feindbilder."

Eine Sprecherin von Verdi aus Frankfurt sagt, das Schreiben stelle keine offizielle Position der Gewerkschaft dar. "Wir können diese Bewegung aktuell noch nicht endgültig einschätzen", erklärt sie.

Amely Poll, stellvertretende Verdi-Geschäftsführerin im Bezirk Mittelbaden, sieht die angekündigten Mahnwachen in und um Karlsruhe zumindest kritisch: Es gebe längst breite Zusammenschlüsse gegen Altersarmut. Sie verweist auf das "Baden-Württembergische Bündnis gegen Armut im Alter", einem Zusammenschluss von kirchlichen Organisationen, Gewerkschaften und anderen Wohlfahrtverbänden. "Fridays gegen Altersarmut trägt zumindest mal populistische Züge, weswegen wir da erst mal auf Distanz bleiben", sagt Poll.

Ein Gemeinderatskandidat mit einem Faible für den 1. Weltkrieg

Auch die "Omas gegen Rechts" in Karlsruhe wollen kein Teil von "Fridays gegen Altersarmut" sein: Das Thema sei zwar grundsätzlich gerechtfertigt, teilt die Gruppe in einem Schreiben mit. Aber es gebe klare Anhaltspunkte, dass die AfD die Bewegung "unterwandert hat und auch mehr oder weniger zu ihrer Sache macht".

Tatsächlich hat das "Netzwerk Karlsruhe gegen Rechts" ein Dossier veröffentlicht, dass die Karlsruher Mahnwache in eine rechte Ecke rückt. Stein des Anstoßes ist dort nicht zuletzt das Engagement von Michael Pfahler. Pfahler trat im vergangenen Jahr als parteiloser Kandidat für die AfD bei der Gemeinderatswahl an. Pfahler zeigt sich auf Facebook gern in deutschen Uniformen aus dem 1. Weltkrieg und teilt dort typische AfD-Positionen – etwa in Sachen Zuwanderungspolitik. Zudem fungiert er offenbar als Administrator der Facebook-Seite "Deutschland zuerst."

Keine klare Tendenz in der Karlsruher Gruppe erkennbar

Pfahler selbst legt erklärt, er sei kein Rechter im eigentlichen Sinne, vertrete lediglich teils konservative Ansichten. Seine bisherigen politischen Aktivitäten stünden in keinem direkten Zusammenhang zum Engagement rund um die "Fridays gegen Altersarmut", wo er sich vor allem für eine gerechtere Rentenpolitik engagiere.*

Pfahler steht ohnehin nicht unbedingt repräsentativ für die Unterstützer von "Fridays gegen Altersarmut" in Karlsruhe. Zumindest auf Facebook lässt sich dort keine klar politische Ausrichtung von Freunden der Seite und unter den potenziellen Teilnehmern der Mahnwache am Freitag erkennen. Vielleicht löst die Gruppe also tatsächlich die Hoffnung von Initiator Yalcin ein, ein Ort des lagerübergreifenden Austausches zu werden.

Rechte Verstrickungen in Rastatter Gruppe?

Ob das auch bei den Veranstaltungen in Bad Herrenalb und Rastatt klappen könnte, ist indes offen. Die Anmelderin der Mahnwache in Bad Herrenalb, Gerlinde Chahbani, ist selbst Rentnerin und somit nah dran am Thema. "Ich lasse mich und die Mahnwache vor keinen Karren spannen", erklärt sie auf Anfrage. Ihr gehe es allein um den Einsatz für eine menschenwürdige Rente.

Die Veranstalter aus Rastatt reagierten zunächst nicht. Als Kontaktmöglichkeit sind auf einem Flyer aus Rastatt zwei anonyme E-Mail-Adressen aufgeführt, zudem wird auf ein Facebook-Profil mit dem Namen "Adolf Friedrich" verwiesen.

In einem Dossier auf ka-gegen-rechts.de ist zu sehen, dass der Account Adolf Friedrich in der Vergangenheit offenbar auch schon mal einen Wehrmachtssoldaten im Profil hatte sowie ein Logo mit dem Schriftzug "Wodans Wölfe Germanien".

Aktuell ist auf seiner Seite nur der Aufruf zur Mahnwache am Freitag öffentlich sichtbar. Er gefällt vier Personen – eine von ihnen tritt in seinem Profil als "unterstützender Freundeskreis" der rechtsextremen Gruppierung "Sektion Nordland" auf.

Inwiefern die Vorwürfe einer rechten Unterwanderung der Bewegung zutreffen, wird sich also möglicherweise vor Ort anhand der einzelnen Mahnwachen und ihrer Besucher zeigen.

*Diese Stellungnahme wurde nachträglich in den Text eingefügt.

Die Mahnwache in Karlsruhe findet am Freitag ab 16 Uhr an der Ecke Waldstraße/Kaiserstraße statt. In Rastatt beginnt sie um 17 Uhr vor dem Rathaus. In Bad Herrenalb ist der Treffpunkt um 16 Uhr am Rathausplatz.

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