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Politik fordert Rettungsschirm

Karlsruher Kulturszene in der Corona-Krise: Substage-Betreiber spricht von Insolvenz

Im Zuge der Corona-Krise droht freien Kulturträgern in Karlsruhe die Insolvenz. Im Substage erwartet man das Aus für Oktober. Die Karlsruher Liste (KAL) fordert einen städtischen Rettungsschirm. Zudem sollen die diversen Häuser in großen, öffentlichen Hallen spielen dürfen.

Substage
Kulturinstitutionen in Not: Das Substage auf dem Gelände des Alten Schlachthofs rechnet im Zuge der Corona-Krise mit einer Insolvenz im Oktober. Foto: jodo

Für den Karlsruher Musikclub Substage ist die Lage dramatisch. „Wir rechnen derzeit mit einer Insolvenz im Oktober“, sagt Geschäftsführer Gérald Rouvinez-Heymel. Zehn feste Mitarbeiter und 60 Minijobber beschäftigt die auf dem Schlachthof-Areal ansässige Kultureinrichtung. Wie viele andere Häuser traf sie die Corona-Krise mit voller Wucht.

„Wenn wir insolvent sind, sind wir weg“, ist Rouvinez-Heymel sicher. Ob Club, Konzert- oder Theaterbühne: Die Pandemie könnte das Ende von Karlsruhes bunter Kulturszene bedeuten – was Bürger erschreckt und die Kommunalpolitik auf den Plan ruft.

Die Karlsruher Liste (KAL) prescht nach vorne. Deren Stadträte Lüppo Cramer und Michael Haug fordern einen mit fünf Millionen Euro ausgestatteten städtischen Rettungstopf für die freien Kulturträger. „Das sind keine Kosten, sondern Investitionen in die Zukunft“, findet Haug.

Der Neustart kostet erst mal mehr Geld

Haug weiß: Selbst wenn einige Häuser ab Juni wieder öffnen, können sie erst einmal kein Geld verdienen. Es ist sogar das Gegenteil der Fall, erläutert Tollhaus-Chefin Britta Velhagen. Wenn sie ab Juni der Landesverordnung entsprechend Konzerte und Kleinstkunst mit maximal 100 Zuschauern anbietet, legt die Institution drauf.

Doch Velhagen und ihr Kollege Bernd Belschner finden: „Wir müssen wieder sichtbar werden.“ Es gehe darum, den Menschen eine Zusammenkunft und den Austausch zu ermöglichen. „Das hat eine kulturpolitische Dimension.“

Wir wollen wieder Kultur anbieten

Außerdem müsse man die Häuser zusammenhalten, also Mitarbeiter und Ehrenamtliche bei der Stange halten. „Wir wollen wieder Kultur anbieten“, legen sich Cramer und Haug fest.

Sie halten es für notwendig, dieses Wiederhochfahren mit Zuschüssen zu fördern. „Selbst wenn die Kosten erst einmal steigen, rechnet sich das. Wenn nur die Fixkosten der Häuser gedeckt werden, ist das nur ein erster und viel zu kleiner Schritt“, so Haug.

Tollhaus finanzierte sich zu 90 Prozent selbst

Das Tollhaus finanzierte sich bisher zu 90 Prozent selbst. Das benachbarte Substage erwirtschaftete jährlich einen Umsatz von 1,4 Millionen Euro. Der städtische Zuschuss lag bei 130.000 Euro. Wie andere Clubs steht das Substage nun vor einer unklaren Zukunft. Bestuhlte Konzerte für bis zu 100 Besucher sind für das Tollhaus ein Anfang, für das Substage aber schwer vorstellbar.

Kultur auf Abstand braucht Platz

Wo bisher gerne 1.000 Leute feierten und tanzten, könnten den Abstandsregeln zufolge tatsächlich nur 100 Besucher Platz finden. „Vielleicht könnten wir Stehtische aufstellen“, meint Rouvinez-Heymel.

Er überlegt, eine Band dreimal am Abend auftreten zu lassen, aufgeteilt nach Schichten quasi. In Corona-Schnelltests legt er ebenfalls Hoffnung – zudem in größere Ausweichquartiere.

Südwerk als Spielstätte?

Die dm-Arena beispielsweise ist so groß, dass selbst unter Einhaltung der Abstandsregeln vergleichsweise viele Menschen Platz finden könnten. Die KAL bringt ebenso die Garten- und Schwarzwaldhalle sowie das Konzerthaus ins Gespräch. „Den Kultureinrichtungen dürfen dafür keine Kosten entstehen.“

Die Kommunalpolitiker wissen, dass auch die Messe derzeit mit vielen Unbekannten plant. „Das Bürgerzentrum Südwerk könnte somit eine Ausweichstelle sein, bei der Veranstalter Planungssicherheit haben“, sagt Haug. 150 bis 200 Menschen hätten dort unter Einhaltung der Abstandsregeln Platz.

Open-Air-Bühne im Gespräch

Der Kulturring erwägt zudem eine Open-Air-Bühne auf dem Schlachthof-Areal, berichtet Rouvinez-Heymel.

Im großen Saal des Tollhaus können unter Corona-Bedingungen 250 statt bisher gut 800 Menschen sitzen. "Wir wollen im Sommer zusätzlich unseren Garten bespielen“, sagt Velhagen.

Sie und Belschner können sich gut vorstellen, den kleinen Saal dem Theaterhaus, also dem Jakobus-Theater, der marotte und dem Sandkorn zu überlassen. „Das wäre eine fanstatische Option“, erklärt der künstlerische Leiter des Sandkorns, Erik Rastetter.

Kirchen im Blick

In der hauseigenen Fabrik hätten noch 35 statt bisher 162 Menschen Platz. In der Studiobühne käme man auf 18 statt 95 Plätze. Im kleinen Saal des Tollhauses hingegen könnten die Schauspieler vor 100 Zuschauern auftreten.

Rastetter hatte bereits Kontakte zur evangelischen Kirche. Der Albert-Schweizer-Saal könnte eine Ausweichfläche und womöglich die Gotteshäuser selbst Spielstätten werden.

Gastspiel in Ettlingen

„Vielleicht entstehen in der Krise neue Verbindungen“, sagen Velhagen und Rastetter. Das Sandkorn beispielsweise tritt diesen Sommer in Ettlingen auf: Die dortigen Stadtwerke laden das Haus ebenso wie lokale Kulturträger und die Karlsruher Hemingway Lounge ein zur „Kultur in der Garage“.

„Natürlich möchten wir aber auch in Karlsruhe spielen“, so Rastetter. Der Theatermacher leidet mit den Aktiven im hauseigenen Jugendclub, dem inklusiven und dem 60plus Theater. Alle Aufführungen wurden wegen der Krise verschoben oder abgesagt. Die Schultheaterwoche ebenfalls fiel der Krise zum Opfer. „350 Schüler wurden um eine ganzheitliche Erfahrung gebracht“, so Rastetter. Er sagt: „Sollten wegen Corona Institutionen wegbrechen, betrifft dies viele Künstler. Es geht um Existenzen.“ Und um einen Wirtschaftsfaktor. In Deutschland sei Kultur der zweitgrößte nach der Automobilindustrie.

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