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Nicht alle werden öffnen

Nach Corona-Zwangspause: Karlsruher Wirte gehen wieder an den Start

Auf den Moment haben viele gewartet: An diesem Montag dürfen nach wochenlanger Zwangspause Gaststätten wieder öffnen. Doch Waldemar Fretz, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gastronomieverbands Dehoga, ist sicher: Es werden sich nicht alle Türen öffnen.

Abstand ist Pflicht: Im Restaurant Denkfabrik beim SSC in der Waldstadt stellt Wirt Athanasios Chatzitheodorou mit dem Metermaß sicher, dass alle Tische weit genug auseinander stehen.
Abstand ist Pflicht: Im Restaurant Denkfabrik beim SSC in der Waldstadt stellt Wirt Athanasios Chatzitheodorou mit dem Metermaß sicher, dass alle Tische weit genug auseinander stehen. Foto: jodo

„Wir gehen davon aus, dass etwa 80 Prozent aufmachen.“ Durch die coronabedingten Einschränkungen lohne sich für viele der Betrieb derzeit schlicht nicht. Wer statt sonst 50 jetzt nur noch zwölf Plätze habe, überlege sich schon, dafür die Küche hochzufahren. Und in anderen Bundesländern, die bereits die Gastronomie öffneten, habe sich gezeigt: „Es gibt keinen großen Run.“ Keine Kerzen, keine Blümchen auf dem Tisch: „Es fehlen jetzt die Emotionen beim Restaurantbesuch“, sagt Fretz voraus.

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Landesweit erwartet die Dehoga, dass ein Drittel der Betriebe die Krise nicht überlebt. „Die Gastronomie stirbt leise. Wir werden auch in Karlsruhe viele solcher Fälle haben“, ist Fretz sicher. 1.200 Gastronomiebetriebe gibt es in der Stadt. „Einige geben nun auf.“ Dabei sei zumindest die bundesweit verringerte Mehrwertsteuer eine große Hilfe.

Ordnungsamt unterstützt verunsicherte Gastronomen

Grundsätzlich lobt Fretz das Karlsruher Ordnungsamt. Mit dem sei man stets in gutem Kontakt. Amtsleiter Björn Weiße versuche mit seinen Mitarbeitern engagiert, Lösungen zu finden. Aus Gesprächen weiß Weiße, dass bei vielen Wirten zuletzt große Verunsicherung bestand: Wie sind Regeln auszulegen? Wie beispielsweise konkret Zugänge einzurichten oder Tische zu stellen? Der Amtsleiter ließ die Lebensmittelkontrolleure schulen, die bei den Betrieben ohnehin bekannt sind. Nun kommen sie bei Bedarf vorbei, um vor Ort zu beraten, was sich wie lösen lässt.

„Auf diese Entscheidungen können sich Wirte dann auch berufen“, sagt Weiße. Auch bei der Ausweitung von Außengastronomie versuchen er und seine Mitstreiter individuelle Lösungen zu finden – wobei immer auch Radler, Fußgänger, Autofahrer oder Rettungswege drum herum bedacht werden müssen.

Oberbürgermeister Frank Mentrup kündigte bereits an, dass die Stadt die Wirte auch in anderen Punkten unterstützen möchte. Wer außen bestuhlt, muss dafür nicht zahlen. Gleiches gilt für Händler, die Aufsteller im Freien haben.

Ich freue mich so, ich könnte heulen.
Susanne Huber, Lokal Eierhuberin

Einen Zweier- und zwei Vierertische hat Susanne Huber vor ihrem Lokal Eierhuberin in der Weststadt stehen. Mit dieser Anzahl kann sie jetzt auch wieder starten. Im Inneren wird einer von fünf Tischen gesperrt, um den Abstandsregeln gerecht zu werden. Stammgäste haben sich schon ihren Platz für die nächsten Tage gesichert, es gibt eine Liste mit Reservierungen. „Meine Gäste kommen“, ist die Wirtin sicher. Sie sagt: „Ich freue mich so, ich könnte heulen.“

Regeln für Gastro-Neustart

Tatsächlich bebt die Stimme der Frau, deren Lokal seit 1983 eine Institution in der Uhlandstraße ist. Sie ist glücklich, dass sie jetzt nach dem Lockdown wieder öffnen darf. Für diesen Neustart gelten indessen Regeln. Keine freie Platzwahl, Reservierungspflicht mit Namens-Erfassung, keine Stammtische: Alles werde ein wenig anders, als bisher gewohnt, sagt beispielsweise das Restaurant Fünf in der Nordstadt seinen Gästen auf der Homepage vorher. Dort steht auch: „Wir freuen uns auf euch!“ Los geht es in dem Betrieb im Kanalweg erst am Dienstag, nach dem montäglichen Ruhetag.

Bereit für die Eröffnung ist auch Athanasios „Saki“ Chatzitheodorou. In den vergangenen Wochen hat der Wirt der Denkfabrik in der Waldstadt ein detailliertes Konzept zur Umsetzung der Hygiene-Verordung erarbeitet. Den Mindestabstand von 1,50 Metern auf der weitläufigen Terrasse einzuhalten, ist für Chatzitheodorou dabei das geringstes Problem.

„Platz haben wir zum Glück genug“, sagt der Betreiber der Sportgaststätte des SSC Karlsruhe, der zunächst einmal auf die Außenbewirtung setzen wird. Nun müssten lediglich noch die Gäste Verständnis für die Situation mitbringen, sich an die Vorgaben halten und nicht spontan die Tische wechseln.

Hofbistro auf dem Turmberg öffnet

Auf dem Turmberg bei Sören Anders ist dem Chef zufolge die Stimmung bestens. Die Räumlichkeiten des Restaurants bleiben zwar einstweilen geschlossen, und nur das Hofbistro wird geöffnet. „Aber wir nutzen die gesamte Terrasse“, sagt Anders. Den Corona-Regularien trägt der Gastronom beispielsweise mit Trennwänden Rechnung, Spender mit Desinfektionsmittel sind zudem obligatorisch.

Der Zeitpunkt der eingeschränkten Wiedereröffnung hat sich für das Lokal gut gefügt: Die Endmontage der neuen Küche ist gerade fertig geworden; jetzt dürfen sich die Gäste nach wochenlanger Abstinenz auf das kulinarische Bistro-Angebot freuen: Flammkuchen, Maultäschle oder auch Graved Lachs gehören dazu, zählt der Patron auf. „Wir hoffen auf schönes Wetter“, gibt ein bestens gelaunter Sören Anders zu Protokoll.

In „Kofflers Heurigem“ in Rüppurr sind die Vorbereitungen ebenfalls über die Bühne gegangen. „Alle Kühlhäuser sind hochgefahren, alles ist gereinigt“, berichtet Dieter Wolczik. Wie sich der Betrieb letztlich anlässt, ist für ihn allerdings die Frage. „Ein Restaurantbesuch sollte ein Erlebnis sein“, sagt der Geschäftsmann, „doch dieses Erlebnis sehe ich noch nicht.“

Wolczik berichtet von einem gastronomischen Kollegen, der auf separat platzierte Dixi-Toiletten setzt, damit die Abstandsregelungen wirklich eingehalten werden können. Und er erzählt von einer Stammtisch-Gesellschaft, die am Dienstag wieder erscheinen wollte. Er musste den Gästen dann mitteilen, dass das entsprechend den staatlichen Vorgaben nicht geht.

„Beliebt macht man sich mit so etwas nicht“, hat er festgestellt. Das Rüppurrer Traditionslokal hat unter anderem eine Gartenschenke mit sieben großen Tischen. Sie bleibt geschlossen. Ohnehin ist die betriebswirtschaftliche Seite bei 60.000 Euro Fixkosten monatlich absehbar ein Problem. Bei weniger Gästen müssten eigentlich die Preise steigen, doch das funktioniert nur in der Theorie. Behelfen will man sich mit einer „Gedeckgebühr“.

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