Skip to main content

Kinder im Netz angesprochen

Cybergrooming: Betroffenes Mädchen aus dem Kreis Karlsruhe berichtet

Beim Cybergrooming geben sich erwachsene Täter in Internetforen oder -spielen als Gleichaltrige aus, um gezielt Kinder und Jugendliche anzusprechen. Ziel der Täter ist es, das Vertrauen der Minderjähirgen zu gewinnen und sexuelle Kontakte herzustellen. Auch im Landkreis Karlsruhe sind Kinder betroffen, wie die zwölfjährige Leonie.

None
Vorsicht im Netz: Unter Cybergrooming versteht man das gezielte Ansprechen von Kindern mit der Absicht, sexuelle Kontakte herzustellen. Täter nähern sich Kindern oft in Online-Spielen oder in sozialen Netzwerken. Foto: rodjulian/Stock

Beim Cybergrooming geben sich erwachsene Täter in Internetforen oder -spielen als Gleichaltrige aus, um gezielt Kinder und Jugendliche anzusprechen. Ziel der Täter ist es, das Vertrauen der Minderjährigen zu gewinnen und sexuelle Kontakte herzustellen. Auch im Landkreis Karlsruhe sind Kinder betroffen, wie die zwölfjährige Leonie.

Der Begriff ist noch wenigen geläufig, erlebt haben es vermutlich viele: Cybergrooming. Darunter versteht man das gezielte Ansprechen von Kindern durch Erwachsene. Ziel ist es, sexuelle Kontakte anzubahnen, erklärt Moritz Scherzer, Referent beim Karlsruher Bündnis gegen Cybermobbing.

Täter geben sich online als Gleichaltrige aus

Die Täter geben sich in Online-Spielen oder sozialen Netzwerken oft als Gleichaltrige aus. Sie versuchen, das Vertrauen der Kinder zu erschleichen. Ziel sei es, diese zu persönlichen Treffen zu überreden, (kinder-)pornografisches Material zu erstellen, ihnen zugänglich zu machen oder sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen beziehungsweise von ihnen vornehmen zu lassen.

Verdächtige Links in der WhatsApp-Gruppe

Das hat auch Leonie (Namen von der Redaktion geändert) erlebt. Die Zwölfjährige aus dem Landkreis Karlsruhe lernte beim Online-Spiel Fortnite einen Freund ihres Cousins kennen. Der lud sie in eine WhatsApp-Gruppe ein. Gedacht war die, um sich mit Spielern auszutauschen oder zum Spielen zu verabreden.

Andere Mitglieder der Gruppe posteten wiederholt Links mit pornografischen Inhalten. Es kam auch vor, dass man sie nach ihrem richtigen Namen oder einem Treffen gefragt habe, sagt Leonie. Ihr Freund löschte die Nutzer, doch sie schafften es immer wieder in die Gruppe. Erst nach mehreren Wochen vertraute sich das Mädchen seinen Eltern an – aus Angst, Ärger zu bekommen, sagt sie.

Dunkelziffer ist weit höher

Wie Leonie geht es vielen Jugendlichen, weiß Peter Sommerhalter. Er ist Leiter des Bereichs Prävention und Medienberatung beim Bündnis gegen Cybermobbing. Zwischen zehn und 20 Anfragen aus dem Landkreis erhält das Bündnis pro Jahr. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, vermutet Sommerhalter. Genaue Fallzahlen gibt es nicht.

Das Phänomen Cybergrooming ist bei dem Dezernat für Sexualdelikte im Ermittlungsalltag allgegenwärtig.
Christina Krenz, Sprecherin des Polizeipräsidiums Karlsruhe

„Das Phänomen Cybergrooming ist bei dem Dezernat für Sexualdelikte im Ermittlungsalltag allgegenwärtig“, erklärt Polizeisprecherin Christina Krenz. In einem Großteil der Ermittlungsverfahren, in denen Täter Kindern pornografische Inhalte übersenden, sei eine „Anbahnungsphase“ vorausgegangen. Da es sich aber nicht um einen einzelnen Straftatbestand handelt, werden Fälle von Cybergrooming nicht separat erfasst.

Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg geht davon aus, dass die Zahlen aufgrund des verbesserten Zugangs von Kindern zum Internet zugenommen haben, bestätigt Sprecher Jürgen Glodek. Es sei davon auszugehen, dass sich manche Kinder nicht als Opfer wahrnähmen oder sich aus Scham Eltern oder der Polizei nicht anvertrauten.

Häufige private Fragen oder Komplimente sollten stutzig machen

Für Moritz Scherzer ist es wichtig, dass sich nicht nur Erwachsene mit dem Thema befassen. „Man sollte nicht nur die Eltern sensibilisieren, sondern auch die Kinder.“ Warnzeichen seien etwa die Frage nach persönlichen Daten oder das Locken in Privatchats.

Auch ständige Komplimente sollten Kinder und Eltern hellhörig werden lassen, ebenso die wiederholte Ansprache sexueller Themen. Bisweilen gäben sich Täter als Agenten oder Model-Scouts aus und versuchten so, die Kinder zum Senden von Bildern zu bewegen.

Auch wenn der Ermittlungserfolg gering ist, rät das Bündnis gegen Cybermobbing dazu, zur Polizei zu gehen. Für Peter Sommerhalter ist jeder angezeigte Fall wichtig, denn nur der erscheine auch in der Polizeistatistik. Andernfalls könne der Eindruck entstehen, dass es Cybergrooming im Landkreis Karlsruhe nicht gebe.

Betroffene sollten Chats und Screenshots als Beweise sichern

Wichtig ist, Screenshots von Chats und Bildern als Beweismittel zu machen, betont Scherzer. Betroffene sollten sich nicht entmutigen lassen und gegebenenfalls auch eine weitere Polizeidienststelle aufsuchen.

Diesen Schritt hat Leonie verpasst. Sie hat sämtliche Daten gelöscht, war nicht bei der Polizei. Fortnite spielt sie auch heute noch, allerdings nur noch mit Leuten, die sie auch wirklich kennt, sagt sie. Insgesamt sei sie jetzt vorsichtiger. Anderen Betroffenen rät sie, schneller zu reagieren. „Man sollte am besten mit einer Person sprechen, der man vertrauen kann“, betont die Zwölfjährige.

Einen konkreten Straftatbestand Cybergrooming gibt es nicht. Die Kontaktaufnahme im Internet mit einem Kind aus sexuellem Interesse wird in Paragraf 176 Absatz 4 Nr. 3 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) unter Strafe gestellt.

Cybergrooming kann aber auch weitere Straftatbestände wie die Verbreitung pornografischer Schriften (Paragraf 184 ff. StGB) oder auch Erpressung (Paragraf 253 StGB) umfassen. Bislang war der Versuch des Cybergroomings nicht strafbar, etwa wenn ein Täter in Wahrheit nicht mit einem Kind, sondern mit einem Elternteil oder einem Polizeibeamten in Kontakt trat.

Am 13. Februar diesen Jahres beschloss der Bundestag per Gesetz die Änderung des Paragrafen 176 Absatz 6 StGB, der den sogenannten „untauglichen Versuch“ straflos stellte. Künftig werden auch die Täter bestraft, die nur davon ausgehen, mit einem Kind Kontakt aufzunehmen.

Polizei, Landeskriminalamt und Opferschutzverbände begrüßten die Entscheidung. „Für mich ist die Absicht entscheidend“, sagt Moritz Scherzer, Referent des Bündnis gegen Cybermobbing in Karlsruhe. Kritik kam vonseiten des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Durch die Gesetzesänderung sei die Versuchsstrafbarkeit auf bloße Vorbereitungshandlungen ausgedehnt worden, heißt es in einer Stellungnahme des DAV von Mai 2019.

nach oben Zurück zum Seitenanfang