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Wirbel um Vertrag

Stadt Pforzheim bezahlt Professor für Ornamenta-Unterstützung

Selbst Ornamenta-Skeptiker waren beeindruckt: Mit viel Engagement haben Studierende und Lehrende der Hochschule Pforzheim den Weg zur Ornamenta-Entscheidung im Gemeinderat unterstützt. Jetzt wird bekannt: Die Stadt hat einen Professor für seine Unterstützung bezahlt. Warum wurde das nicht von Anfang an deutlich gemacht?

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BEZAHLTER BERATER: Ornamenta-Befürworter Thomas Hensel von der Hochschule Pforzheim – hier bei einer Präsentation zu dem Veranstaltungsformat – wurde von der Stadt für seine Dienste honoriert. Foto: Müller

Selbst Ornamenta-Skeptiker waren beeindruckt: Mit viel Engagement unterstützten Studierende und Lehrende der Hochschule Pforzheim den Weg zur Ornamenta-Entscheidung im Gemeinderat. Jetzt wird bekannt:  Die Stadt bezahlt einen Professor für seine Unterstützung. Kritiker fragen: Warum hat die Verwaltung das nicht von Anfang an deutlich gemacht?

Studenten-Gedränge im Ratssaal, Professoren auf Podiums-Diskussionen: Der Einsatz der Hochschule Pforzheim für die Ornamenta dürfte manchen Skeptiker überzeugt haben. Namentlich das leidenschaftliche Engagement des Kulturhistorikers Thomas Hensel, Professor für Kunst- und Designtheorie an der Hochschule Pforzheim, war bemerkenswert.

Engagement für Ornamenta in neuem Licht

Nach dieser Entscheidung erscheint das Engagement des Wissenschaftlers aus Sicht von Kritikern in einem neuen Licht. Hensel war nicht nur ehrenamtlich oder als Hochschulvertreter in die Projektwerbung der Stadt Pforzheim eingebunden, sondern auch als deren Geschäftspartner. Ein Rathaussprecher räumt auf Anfrage ein: „Herr Prof. Dr. Hensel hat einen Beratervertrag mit der Stadt.“ Den Angaben zufolge läuft das Vertragsverhältnis zwischen Professor und Stadt vom 15. Juli dieses Jahres bis zum 31. Dezember.

Pforzheimer Stadträte im Unklaren gelassen

Öffentlich bekannt war das nicht. Selbst Gemeinderatsmitglieder hatte man im Unklaren gelassen. Für SPD-Stadträtin Jacqueline Roos passt dies ins Bild: „Ich sehe das äußerst kritisch. Da mangelt es an Transparenz. So schafft man keine vertrauensvolle Atmosphäre.“ Roos hatte sich bei der Ornamenta-Abstimmung am Dienstag enthalten. Die gelernte Goldschmiedin engagierte sich 2017 beim Goldstadtjubiläum, glaubt aber inzwischen nicht mehr daran, dass „Pforzheim in der Lage ist, ein solches Projekt mit nachhaltigem Erfolg“ zu stemmen, wie sie sagt.

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FDP-Politiker Hans-Ulrich Ruelke Mitte) im Pforzheimer Gemeinderat Foto: str

„Eine problematische Doppelrolle“

„Eine problematische Doppelrolle“ sieht Ornamenta-Kritiker Michael Schwarz (Freie Wähler) bei dem Professor mit Beratervertrag. Weil er selbst als Unternehmensberater tätig sei, so Schwarz, sei ihm auch ohne Mitteilung der Stadt klargewesen, dass Hensel für seine Dienste bezahlt werde. Präsentationen in Ortschaftsräten und ähnliche Veranstaltungen bedeuteten schließlich einen gewissen Zeitaufwand.  „Wer aber als Berater engagiert ist, kann nicht gleichzeitig als Vertreter der Hochschule agieren.“

Keine Antwort auf Nachfragen bekommen?

Für Stadtrat Thomas Goßweiler (Unabhängige Bürger) seien dies Gerüchte gewesen, mit denen er Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler (Grüne) im Eutinger Ortschaftsrat konfrontiert habe.  „Auf die Frage, ob Professor Hensel von der Stadt Geld erhält und wie viel habe ich von Frau Schüssler keine Antwort bekommen“, so Goßweiler.

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Bemerkenswert viele Zuschauer waren zur Ornamenta-Entscheidung in der Dezembersitzung unter den Zuschauern im Gemeinderat Foto: str

Die Verwaltung stellt auf Nachfrage klar: „Wir haben diese Tatsache weder absichtlich geheim gehalten noch verneint.“ Es sei bei Projekten dieser Größe „absolut üblich und notwendig Fachexpertise und Know-How“ einzukaufen. „Dass es dieses Vertragsverhältnis gibt, war und ist insofern kein Geheimnis, sondern entspricht einem zielgerichteten Vorgehen.“ Qualität und Quantität von Hensels Diensten wären ehrenamtlich nicht zu erreichen gewesen. Der Vertrag mit Hensel sei der einzige Ornamenta-Vertrag mit einem Vertreter der Pforzheimer Hochschule, hieß es auf Nachfrage zudem.

Stadt Pforzheim: Summe wird nicht verraten

Welche Summe dafür geflossen ist, wollen das Rathaus und sein Berater nicht verraten. Das sei  „grundsätzlich vertraulich“, so ein Verwaltungssprecher. Hensel selbst taxiert sein Honorar gegenüber dem Kurier „deutlich unter dem Niveau marktüblicher Beraterhonorare“. Dem Wissenschaftler ist wichtig: „Mein Einsatz für die Ornamenta war und ist intrinsisch motiviert.“ Es gehe ihm also um die Sache und nicht ums Geld.

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Professor Thomas Hensel bei einer Präsentation in Pforzheim zur Ornamenta Foto: Müller

Professor Hensel: Rollen immer klar unterschieden

Eine „problematische Doppelrolle“ kann der Design-Experte nicht erkennen. Er habe „immer klar zwischen meiner Rolle als Berater und meiner Zugehörigkeit zur Hochschule unterschieden“, so Hensel. Bei Veranstaltungen sei er von der Stadtverwaltung stets als „Berater“ vorgestellt worden. „Immer dann, wenn ich als Hochschulangehöriger argumentiert habe, habe ich diese Position ausdrücklich markiert, wie zuletzt bei meiner Rede im Kulturausschuss. Und der Sinn dieser Markierung war gerade der, keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, meine in dem jeweiligen Augenblick eingenommene Position betreffend“, so Hensel, der vorsorglich betont, dass nun womöglich aufkommende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ungerechtfertigt seien.

In der kritischen FDP/FW/UB/LED-Fraktion zweifelt man einmal mehr an der Verwaltungsspitze und vermutet, im Dezernat II werde ohnehin mit Berater-Honoraren „viel geprasst“. Einem an diesem Freitag veröffentlichten Antrag an die Stadtverwaltung Pforzheim zufolge, soll Bürgermeisterin Schüssler nun alle Gutachterkosten und Beraterhonorare in ihrer Amtszeit offenlegen.

Link-Tipp: Offizielle Internet-Präsenz der Ornamenta 2024
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