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Prostitutionsring

Transsexuelle Prostituierte nach Rastatt eingeschleust: Bordellbetreiber vor Gericht

Transsexuelle, in Fernost auch Ladyboys genannt, sind jahrelang aus Thailand nach Deutschland eingeschleust und mit Zwangsprostitution ausgebeutet worden. Nun wird einer bundesweiten Gruppierung der Prozess gemacht. Es könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein.

Bordellbetreiber-Netzwerk
Der mutmaßliche, unter anderem wegen Zwangsprostitution, angeklagte Bordellbetreiber hält eine Akte hoch. Foto: Jörn Perske/Archiv
Transsexuelle, in Fernost auch Ladyboys genannt, sind jahrelang aus Thailand nach Deutschland eingeschleust und mit Zwangsprostitution ausgebeutet worden. Nun wird einer bundesweiten Gruppierung der Prozess gemacht. Es könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein.

Die Geschichten, die die Sexarbeiterinnen in Deutschland erleben und durchleben mussten, klingen alle ähnlich und verliefen nach wiederkehrendem Muster: Von Thailand aus wurden sie nach Deutschland eingeschleust und dort mehr oder minder zur Prostitution gezwungen. Am Dienstag begann das öffentliche Verfahren gegen Mitglieder eines bundesweit operierenden Prostitutionsnetzwerks mit Transsexuellen und Frauen aus Thailand.

Angeklagt sind fünf mutmaßliche Bordellbetreiber , vier thailändische Frauen und ein Deutscher im Alter zwischen 49 und 63 Jahren. Als sie am Morgen im hessischen Hanau, von viel Presse begleitet, den Gerichtssaal betraten, verbargen sie ihre Gesichter und hielten sich Aktenordner oder Mappen vor den Kopf.

Zwei Hauptbeschuldigte

Als Hauptbeschuldigte gelten ein 63-Jähriger und eine 60-Jährige - ein ehemaliges, deutsch-thailändisches Paar aus Siegen (Nordrhein-Westfalen), das dort drei Bordelle betrieb. Gemeinsam mit den anderen Angeklagten und weiteren, gesondert verfolgten Mittätern, sollen sie die Sexarbeiterinnen per Flugzeug und mit Touristen-Visa nach Deutschland eingeschleust haben. Unter anderen handelte es sich laut Anklage um Männer, die sich einer Geschlechtsumwandlung zur Frau unterzogen hatten.

Die Prostituierten arbeiteten laut Anklage in Bordellen zunächst in Siegen und dann in einem Rotationsverfahren bundesweit an weiteren Orten, darunter Maintal, Rodgau und Gießen in Hessen, Rastatt (Baden-Württemberg), Speyer (Rheinland-Pfalz), Saarbrücken, Hannover, Bremen und Gotha (Thüringen). Nachdem sie Wochen oder Monate in einem meist als Massagesalon getarnten Etablissement tätig waren, wurden sie weitergeschickt.

Bundespolizisten nehmen im Rahmen einer Razzia im Rotlichtmilieu mutmaßliche Prostituierte in Gewahrsam.
Bundespolizisten nehmen im Rahmen einer Razzia im Rotlichtmilieu mutmaßliche Prostituierte in Gewahrsam. Foto: dpa

In den Bordellen wurde ihnen laut Staatsanwaltschaft der Reisepass abgenommen. Meist seien sie eingesperrt worden, hätten das Gebäude nicht verlassen dürfen und unter Zwang anschaffen müssen. Teilweise seien sie geschlagen oder mit dem Tode bedroht worden. Neben physischem sei auch psychischer Druck ausgeübt worden. Es sei ihnen auch angedroht worden, dass ihren Angehörigen Schlimmes widerfahre. Einige seien auch zum Sex ohne Kondom gezwungen worden. Ihre Einnahmen hätten sie abgeben müssen, um die Schleuserkosten abzuarbeiten. Zwischen 15 000 und 23 000 Euro seien von ihnen verlangt worden, zuweilen bis zu 36 000 Euro.

Bevor es dazu kam, wurden sie in Thailand gezielt angeworben, um der Prostitution nachzugehen, wie Kathrin Rudelt, Anklagevertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, erklärte. Schon in Thailand sollen Fotos von ihnen gemacht worden sein, um sie schnellstmöglich auf einschlägigen Internetseiten anzubieten. Die Flugreise sei etwa nach Zürich, Paris oder Düsseldorf gegangen und von dort aus weiter in die ersten Bordelle.

Sechs Jahre lang aktiv

Vorgeworfen wird den Angeklagten Zwangsprostitution, gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern, Ausbeutung von Prostituierten, Zuhälterei, Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung. Es geht um Taten zwischen Juli 2012 und April 2018. Ins Rollen kam alles durch eine Großrazzia. Am 18. April 2018 hatten mehr als 1500 Bundespolizisten insgesamt 62 Bordelle, Wohnungen und Büros in zwölf Bundesländern durchsucht.

Die Schwerpunkte der Großrazzia lagen in Nordrhein-Westfalen (17 Objekte), Hessen (10), Niedersachsen (9) und Baden-Württemberg (9) - die bisher größte Durchsuchungsaktion in der Geschichte der Bundespolizei. Ausgelöst wurden die Ermittlungen im Juni 2016 nach einer Kontrolle dreier Prostituierter im hessischen Maintal.

Ermittlungen gegen 49 Beschuldigte

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wird in dem Komplex insgesamt gegen 49 Beschuldigte ermittelt - darunter aber keine Prostituierten. Verfahren gegen fünf Beschuldigte wurden an Staatsanwaltschaften in Baden-Baden und Saarbrücken abgegeben.

Beim Prozess in Hanau wurden über Stunden Dutzende von Einzelfällen referiert. Doch das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass es noch eine hohe Dunkelziffer an Fällen gibt. Der Sprecher der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, Alexander Badle, rechnet mit mindestens 150 bis 200 Fällen.

Neben den menschlichen Dramen, die sich im Bordell-Netzwerk laut Anklage ereigneten, hat der Prozess auch eine finanzielle Dimension. Allein im Fall der 60-jährigen Hauptbeschuldigten geht die Staatsanwaltschaft von 2,73 Millionen Euro Schaden durch Steuerhinterziehung aus. Der Schaden für die Sozialversicherung, der alleine ihr angelastet wird, wird auf 1,7 Millionen Euro beziffert. Der Prozess soll am 23. Mai (9.00 Uhr) fortgesetzt werden.

dpa/lsw
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