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Schlechter Zustand

Wohlfahrtsverbände werfen Blick auf Armut in Baden-Baden

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Baden veranstaltete unter dem Motto „Armut bedroht alle - Armut im Klimawandel“ eine Aktionswoche. Wieso die Lage sehr ernst ist.

Gesundes Essen auf den Tisch zu bekommen, wird für viele immer schwieriger: Die Nachfrage beispielsweise bei den Tafeln wird immer größer.
Gesundes Essen auf den Tisch zu bekommen, wird für viele immer schwieriger: Die Nachfrage beispielsweise bei den Tafeln wird immer größer. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Armut ist immer ein Thema. Ein Mal im Jahr legen die Wohlfahrtsverbände in einer Aktionswoche ein besonderes Augenmerk auf das Gesellschaftsproblem, das es eigentlich gar nicht geben sollte.

Jetzt war es wieder soweit – doch in diesem Jahr scheint die Lage besonders ernst zu sein. Das liegt zum einen daran, dass die Pandemie und der Ukraine-Krieg mitsamt seinen Folgen die Armut in Deutschland nochmals deutlich verschärft haben.

Hinzu kommt allerdings auch, dass die Liga der freien Wohlfahrtspflege, in der mehrere Wohlfahrtsverbände zusammenarbeiten und die die Aktionswoche verantwortet, in diesem Jahr ein Thema gewählt hat, das es den Verantwortlichen schwierig macht: „Armut im Klimawandel“.

Familiensystem gerät immer stärker aus den Fugen

Andrea Hesch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Baden fasst es lapidar zusammen: „Vor dem aktuellen Hintergrund muss man in Bezug auf Klimaschutz ganz klar sagen: Das muss man sich leisten können.“

Sie würdigt die Themensetzung als „hehren Ansatz“, aber im Austausch mit ihren Kollegen anderer Wohlfahrtsträger und Sozialbürgermeister Roland Kaiser (Grüne) wird schnell klar: Die aktuellen Krisenfragen, die vor allem aus der Teuerung und der Pandemie resultieren, überlagern den gesetzten Schwerpunkt.

Hesch erzählt bei einem Pressegespräch von ihrer Arbeit im Kinder- und Jugendheim in Lichtental – davon, dass das Familiensystem immer stärker aus den Fugen gerate.

Bereits die gesunde Ernährung sei ein Problem geworden. Man habe wieder Frühstück sowie Schulmilch eingeführt. Gleichzeitig werde es immer schwerer, den Einkauf und das Selbstkochen der Einrichtung zu finanzieren.

Menschen wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen zahlen sollen

„Wir sind mittendrin in den sozialen Verwerfungen“, urteilt Otto Tepper vom Diakonischen Werk Baden-Baden/Rastatt. Er erzählt von Menschen, die das Auto nicht mehr betanken können, um zur Arbeit zu fahren. Die kaum mehr wissen, wie sie den Einkauf, Strom und Gas bezahlen sollen.

Und die froh sind, wenn sie im Diakonie-Laden günstig Kleidung finden. Er umreißt damit die Krisenlage, die derzeit alle, die von Armut betroffen sind oder sich helfend in diesem Bereich engagieren, in Geiselhaft nimmt: Alles wird teurer.

Die Gruppe der Bedürftigen immer größer und immer bedürftiger. Und das macht es auch den Helfern immer schwerer.

Eva Pfistner, Geschäftsführerin bei der Arbeitwohlfahrt, führt beispielhaft „Essen auf Rädern“ an: „Das war noch nie wirklich wirtschaftlich, aber jetzt wird es ganz schwierig.“

Die Zutaten und das Ausfahren werden immer teurer. Und sie berichtet von ihren Sorgen, wenn sie an die anstehenden Nebenkosten-Abrechnungen für die AWO-Einrichtungen denkt.

Tepper fügt an: „Wir sind an einem Punkt, an dem wir umdenken und uns fragen müssen: Können wir das bisherige System aufrecht erhalten?“ „Was können wir als Verbände noch leisten“, fragt Hesch in die Runde – es gibt keine Antworten, es bleibt eine rhetorische Frage.

Pfistner will dennoch nicht ganz vom gesetzten Thema abschweifen. Es gehe auch darum, gerade in diesen Zeiten das Bewusstsein für klimaverträgliches Verhalten zu bewahren und in die Köpfe auch ärmerer Menschen zu pflanzen.

Sie verweist auf die Mobilität: Durch vergünstigte Tarife könnten auch ärmere Bevölkerungsschichten weg vom Auto und in den öffentlichen Nahverkehr geholt werden. Hier hakt Kaiser ein: Er führt das Sozialticket der Stadt an, betont den Willen, auch künftig vergünstigte Tickets anzubieten.

Ein Erfolg im Themenkreis „Armut im Klimawandel“ ist gefunden. Hesch weitet letztlich den Blick. Sie versteht das Thema als sozialen Klimawandel, der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehen lasse. „Das war noch nie so eklatant.“

Für Pfistner schließt sich so der Kreis: „Wenn wir schlecht mit unserer Umwelt umgehen, gibt es immer weniger Ressourcen, die teurer werden und die sich nur noch wenige leisten können.“

Viele werden dann ärmer werden – und die Wohlfahrtsverbände mit noch größeren Herausforderungen zu kämpfen haben.

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