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Porträt

Kleine Gesten, die tief berühren: Eine Hebamme aus Baden-Baden erzählt

Corina Hesse lebt ihre Berufung: Täglich begleitet die 24-Jährige als Hebamme im Kreißsaal des Klinikums Mittelbaden das „Wunder“ der Geburt – mit all seinen Höhen und Tiefen.

Demonstriert mit einer Baby-Puppe den Umgang mit einem Säugling: Hebamme Corina Hesse hat bislang 500 Geburten im Klinikum Mittelbaden begleitet.
Demonstriert mit einer Baby-Puppe den Umgang mit einem Säugling: Hebamme Corina Hesse hat bislang 500 Geburten im Klinikum Mittelbaden begleitet. Foto: Monika Zeindler-Efler

Die Wärmelampe über dem Wickeltisch stellt konstant 37 Grad Celsius sicher, die gleiche Temperatur zeigt das Bettchen der mobilen Notfalleinheit rund um die Uhr an. Im Kreißsaal muss jederzeit alles für die nächste Geburt bereit sein – in erster Linie natürlich die Hebamme.

Betritt Corina Hesse in ihrer granatapfelroten Arbeitskluft zu Schichtbeginn den Kreißsaal, weiß sie nicht, was sie dort in den nächsten Stunden erwarten wird: „Zu Beginn des Arbeitstages ist offen, ob ich lächelnd oder betroffen nach Hause gehe“.

Meist verlässt sie das Klinikum in Baden-Baden so, wie sie es betritt – strahlend. Hebamme zu sein, ist für die Sinzheimerin mehr als ein Beruf. „Es ist meine Erfüllung.“ Und auch nach rund 500 Geburten, die sie bislang begleitet hat, ist jede einzelne immer noch ein „Wunder“. „Es ist etwas sehr Besonderes, einen der intimsten Momente eines Paares mitzuerleben.“

Mein Bauchgefühl leitet mich in diesen Momenten.
Corina Hesse, Hebamme

Routiniert sind ihre Handgriffe, aber zur Routine wird ihr Beruf niemals, ist sich Corina Hesse sicher: „Jede Frau, jedes Kind, jede Geburt ist individuell und es ist meine Aufgabe, mich in jede Person und Situation einzufühlen und intuitiv zu handeln.“

Intuition und Empathie scheinen überhaupt zwei Grundvoraussetzungen dieses Berufes zu sein. Ein Gespür dafür zu haben, wann es Zeit ist, aktiv zu motivieren und anzuleiten und wann, sich selbst zurückzunehmen. Der 24-Jährigen fällt das nicht schwer. „Mein Bauchgefühl leitet mich in diesen Momenten. Es ist in der Regel ein harmonisches Zusammenspiel zwischen den werdenden Eltern, dem Ungeborenen und mir.“

Besonders die kleinen Dinge und Gesten sind es, die sie selbst bei ihrer Arbeit immer wieder tief berühren: Wenn sich die Väter kurz verschämt wegdrehen, um ihre Tränen zu verstecken, wenn sie ihr Kind das erste Mal sehen. Deren vor Aufregung und Unsicherheit zitternden Hände, wenn sie die Nabelschnur durchtrennen. Diesen ersten Augenblick als Familie, wenn sich Mutter, Vater und Kind beschnuppern. Und die ersten Gesichtsausdrücke des Säuglings, wenn Corina Hesse seine Vitalwerte sowie den Kopfumfang misst und ihn wiegt. 

„Wenn Mutter und Kind dann gemeinsam nach einer intensiven Zeit den Kreißsaal verlassen, nehmen Mütter sehr oft noch mal kurz meine Hand und bedanken sich bei mir. Diesen Moment empfinde ich als so wahrhaftig wie kaum einen anderen.“

Im Kreißsaal in Baden-Baden gibt es keinen Raum für das eigene Ego

Mit 14 Jahren hat Corina Hesse zum ersten Mal einen Kreißsaal betreten – und wusste instinktiv: „Das wird mein Arbeitsplatz.“ 

Zwar hat sie dem Bank- und Versicherungswesen bei weiteren Praktika auch eine Chance gegeben, doch gegen den Kreißsaal kam kein Büro an. „Diese warme und freundliche Atmosphäre, die sich von den anderen Stationen eines Klinikums abhebt, der Teamgedanke auf Station, das Arbeiten Hand in Hand, bei dem es keinen Raum für das eigene Ego gibt, die Nähe zu den Schwangeren und Neugeborenen – das alles hat mich damals überzeugt.“

Da sie nach ihrer Mittleren Reife mit 16 Jahren rechtlich gesehen noch zu jung für die Ausbildung zur Hebamme war, entschied sie sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr im Fachbereich Chirurgie im Klinikum. Eine andere Welt. „Dort bin ich erwachsen geworden“, sagt Hesse.

In dieser Zeit habe sie auch den tragischen und bisweilen dramatischen Krankenhausalltag kennengelernt und dabei viel gelernt: „Über das Leben. Über den Tod.“ Dieser gehöre dazu, weiß die 24-Jährige. Auch in ihrem Beruf, der hauptsächlich mit viel Freude, Liebe und Glück verknüpft wird.

Mein erstes Sternenkind werde ich nie vergessen.
Corina Hesse, Hebamme

.„Mein erstes Sternenkind werde ich nie vergessen“, sagt Corina Hesse und man spürt, dass diese Erfahrung sie noch immer berührt. „Ich habe dieses Neugeborene gebadet und behandelt, als wäre es noch am Leben.“ Auch sie zeige in solchen Momenten authentisch ihre Gefühle: „Da fließen schon auch mal Tränen.“

Solche schicksalhaften Erlebnisse hallten noch eine Weile nach, das könne man nicht einfach abschütteln. Umso wichtiger ist es für sie, sich auszutauschen, mit ihrer Mutter, Kollegen oder Freunden. „Empathie ist mit das Wichtigste in meinem Beruf, und das Abgrenzen fällt manchmal nicht so leicht. Da muss jeder seinen Weg finden.“

Sinzheimer Hebamme kommt für die Nachsorge auch zu Müttern nach Hause

Für manche Mamas ist der Abschied von Corina Hesse nach der Geburt kein endgültiger mehr. Seit März 2021 betreut sie einige Frauen und deren Nachwuchs zur Nachsorge in deren Zuhause. „Ich finde es wunderschön, die Frauen auch nach der Geburt noch unterstützen zu können. Denn dann beginnt das wirkliche Abenteuer der Elternschaft – mit allen Höhen und Tiefen.“

Oft bedürfe es gerade in der ersten Zeit neben fachlichem Wissen, Antworten auf die Fragen der Eltern, die sich im Alltag mit dem Baby zu Hause ergeben haben und der Pflege des Säuglings, einfach mal eines ehrlichen Kompliments oder einer bestärkenden Umarmung.

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