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Architekturfakultät KIT

Karlsruher Kunsthistoriker Gerhard Kabierske schreibt Buch über die Villa Egon Eiermann in Baden-Baden

Der Kunsthistoriker Gerhard Kabierske hat ein Buch über die Villa Eiermann in Baden-Baden geschrieben. Er überrascht die Leser mit zahlreichen neuen Details.

Villa Eiermann
Die Villa Eiermann in Baden-Baden wurde 1962 nach Plänen von Egon Eiermann vollendet. Der Karlsruher Kunsthistoriker Gerhard Kabierske beschreibt das heute denkmalgeschützte Wohnhaus in seinem neuen Buch. Foto: Ulrich Coenen

Egon Eiermann ist der wohl einflussreichste Architekt in der jungen Bundesrepublik. Obwohl er von 1947 bis zu seinem Tod 1970 als wichtigster Lehrer an der Architekturfakultät der Technischen Hochschule Karlsruhe (heute KIT) den Nachwuchs in seinem Sinne geformt hat, sind in Baden nur wenige Bauten nach seinen Entwürfen entstanden.

Gleich zwei von ihnen gibt es in Baden-Baden. Es sind die Häuser Hardenberg und das etwas jüngere eigene Wohnhaus des Architekten, das er mit seiner Familie 1962 bezogen hat.

Blick aus dem Treppenhaus ins Esszimmer. Die originale Farbigkeit ist nicht erhalten.
Blick aus dem Treppenhaus ins Esszimmer: Die originale Farbigkeit der Villa Eiermann ist in vielen Räumen nicht erhalten. Ursprünglich waren die Wände grau. Foto: Ulrich Coenen

Die Bauaufgabe Wohnhaus nimmt im Werk Eiermanns nach 1945 eine Sonderstellung ein. Der erfolgreiche Architekt von Industrie- und Verwaltungsbauten hatte das Interesse an diesem nach seiner Ansicht sehr aufwendigen Gebäudetyp rasch verloren.

Dass seine beiden einzigen Wohnhäuser der Nachkriegszeit ausgerechnet in Baden-Baden entstanden sind, ist kein Zufall, sondern nur im Kontext mit der Villenkultur der Kurstadt verständlich.

Jetzt sind gleichzeitig zwei Bücher über Eiermann auf den Markt gekommen. Eines von ihnen beschreibt neben den Villen in Baden-Baden die beiden Gewerbebauten Eiermanns in Offenburg und basiert auf zwei Artikelserien in den BNN. Das andere widmet sich ausschließlich Haus Eiermann in Baden-Baden und ist in der renommierten Reihe Opus der Edition Menges erschienen.

Autor ist der Kunsthistoriker Gerhard Kabierske, der 1993 an der Universität Freiburg mit einer bemerkenswerten Arbeit über den Karlsruher Architekten Hermann Billing promoviert hat.

Gerhard Kabierske betreute das Werkarchiv Eiermann

Mit ihm hat der Verlag einen der besten Experten für Eiermann gewonnen. Kabierske war bis zu seinem Ruhestand von 1993 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Südwestdeutsches Archivs für Architektur und Ingenieurbau am KIT und dort unter anderem für das umfangreiche Werkarchiv Eiermann zuständig.

Was er in seinem hervorragenden Essay über die spannende Baugeschichte der Villa Eiermann berichtet, geht weit über das hinaus, was wir bisher wussten. Viele interessante Details verdanken wir Karin Kirsch, die die Entstehungsgeschichte auf der Basis von Gesprächen mit der Witwe Brigitte Eiermann und Bauakten in ihrem Buch „Die neue Wohnung und das alte Japan“ 1994 dargestellt hat.

Villa Eiermann
Blick ins Oostal: Der Balkon der Villa Eiermann erlaubt eine fantastische Aussicht über Baden-Baden. Die Familie Eiermann zog 1962 hier ein. Foto: Ulrich Coenen

Kabierske überrascht in seinem für die Reihe Opus typischen zweisprachigen deutschen und englischen Text auf nur 72 Seiten mit vielen neuen Erkenntnissen, die zeigen, wie tief er in die Bauakten und die Korrespondenz des Architekten eingestiegen ist.

Der Leser wird nicht nur ausführlich über den aufwendigen Entwurfsprozess für dieses einzige Wohnhaus, das Eiermann in seiner langen Laufbahn für sich und seine Familie gebaut hat, informiert. Er erfährt auch Einzelheiten aus dem Familienleben der Eiermanns, die zunächst in einer Dienstwohnung in Karlsruhe und dann ab 1956 in einem gemieteten Haus in Neureut wohnten.

Kabierske beschreibt in seinem Essay nicht nur, er ordnet die Villa Eiermann kenntnisreich in das Gesamtwerk des Architekten ein. Wer sich in Zukunft mit dessen Wohnhäusern beschäftigen will, kommt an der gewinnbringenden Lektüre des neuen Buches nicht vorbei.

Fotos von Horstheinz Neuendorff interpretieren die Architektur

Illustriert wird der Band durch Fotos von Horstheinz Neuendorff, der mit Eiermann befreundet war. Neuendorff hat seit den frühen 1960er Jahren zahlreiche Gebäude des Architekten fotografiert und damit deren Bild durch die Veröffentlichung in zeitgenössischen Fachzeitschriften maßgeblich geprägt.

Neuendorffs Schwarz-Weiß-Fotos sind Kunst. Sie dokumentieren die Architektur Eiermanns nicht nur, sie interpretieren sie, gerade auch durch die Verfremdung in Grautönen.

Villa Eiermann
Farbig und mit floralem Ornament: Die Fußböden seiner Villa hat Egon Eiermann selbst entworfen. Sie sind einzigartig und ungewöhnlich für die Nachkriegsmoderne. Foto: Ulrich Coenen

Das ist ihre Stärke, gleichzeitig aber auch ihre Schwäche. Die einzigartige Farbigkeit des Innenraums der Villa Eiermann mit ihren Mosaikfußböden und dem rötlichen Douglasienholz der Decken, Fenster und Möbel können Schwarz-Weiß-Fotos nicht einfangen. Die sechs Jahrzehnte alten Bilder zeigen außerdem das Haus, wie es war, aber heute nicht mehr ist.

Erst mit dem Kauf des Baudenkmals durch Thomas Nitschke und Heiner Oppermann 2020 hat es nach langer Vernachlässigung eine Wende zum Guten gegeben. Durch die sensible Sanierung durch „NO W HERE Architekten“ hat die Villa viel von ihrem ursprünglichen Charakter zurückerhalten. Die Probleme der Villa Hardenberg zeigen, dass das nicht selbstverständlich ist.

Lesetipp

Gerhard Kabierske: Haus Eiermann, Baden-Baden, 72 Seiten, Edition Axel Menges, ISBN 978-3-932565-87-8, 36 Euro.

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