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Hugo-Häring-Auszeichnungen vergeben

KIT-Professor Markus Neppl in Baden-Baden: „Es fehlen Wohnungen und die Infrastruktur ist marode“

Elf Gebäude in Mittelbaden wurden in Baden-Baden mit der Hugo-Häring-Auszeichnung prämiert. Das ist der wichtigste Architekturpreis in Baden-Württemberg. Im Festvortrag erklärte KIT-Professor Markus Neppl „Es geht an die Substanz“.

Architekten und Bauherren trafen sich im denkmalgeschützten alten E-Werk in Baden-Baden, um die Hugo-Häring-Auszeichnungen entgegenzunehmen. Insgesamt wurden elf Gebäude in Mittelbaden prämiert. 
Architekten und Bauherren trafen sich im denkmalgeschützten alten E-Werk in Baden-Baden, um die Hugo-Häring-Auszeichnungen entgegenzunehmen. Insgesamt wurden elf Gebäude in Mittelbaden prämiert.  Foto: Ulrich Coenen

Der Rahmen war ebenso passend wie würdig. Als Gastgeber der Hugo-Häring-Auszeichnung in Mittelbaden hatte Erster Bürgermeister Alexander Uhlig (parteilos) die Preisverleihung organisiert. Die elf Auszeichnungen wurden am Dienstagabend im denkmalgeschützten Alten E-Werk in Baden-Baden verliehen.

„Der Hugo-Häring-Preis ist der älteste und wichtigste Architekturpreis in Baden-Württemberg“, betonte Gunnar Lehmann, Vorsitzender der Kreisgruppe Baden-Baden/Rastatt/Ortenaukreis des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) in seiner Begrüßung. Die fünfköpfige Jury der Kreisgruppe war Mitte Juli zwei Tage lang unterwegs, um die schönsten Häuser zu finden. Die Ergebnisse wurden bereits unmittelbar nach der Sitzung des Preisgerichts bekannt gegeben. Urkunden und Plaketten, mit denen Architekten und Bauherren gleichermaßen geehrt werden, wurden am Dienstag in einem Festakt überreicht.

Wir sind einen heißen Reifen gefahren.
Alexander Uhlig
Erster Bürgermeister

Der BDA hatte Uhlig, der Baudezernent der Stadt Baden-Baden ist, in die Jury berufen. In seinem Grußwort blickte der Erste Bürgermeister auf die zwei Tage im Sommer mit mehr als 30 Stunden Autofahrt und Besichtigungen zurück. Am Ende hatte der von seinem persönlichen Referenten Alexander Neumann gesteuerte Kleinbus 420 Kilometer auf dem Tacho. „Wir sind einen heißen Reifen gefahren“, meinte Uhlig. „Wir zeichnen Bauherren und Planer aus, die etwas Hervorzuhebendes geschaffen haben. Diese Gebäude werden die Zeit hoffentlich überdauern wie dieses E-Werk.“ Das bot den vielleicht schönsten Rahmen der vergangenen Jahrzehnte für die nur alle drei Jahre stattfindende Preisverleihung.

Mit dem Kleinbus auf schmalen Waldwegen im Kinzigtal unterwegs

Caroline Reich ist stellvertretende Landesvorsitzende des BDA und war ebenfalls Mitglied der Jury. Während der Beamer Fotos auf die große Leinwand warf, erinnerte sie an die Sitzung des Preisgerichts. Die Fotos gaben einen Einblick in die Aufgaben der Juroren. „Es war eine sehr disziplinierte Arbeit“, meinte Reich. Die weiten Strecken bis ins Kinzigtal seien aber für Alexander Neumann nicht immer einfach zu fahren gewesen.

Wohnanlage am Ooswinkel
Preisträger: Ein im Stadtbild markanter fünfgeschossiger Turm schließt die Wohnanlage am Ooswinkel in Baden-Baden in Richtung Osten ab. Foto: Ulrich Coenen

Das schwierigste Ziel war der Gründlehof, einsam gelegen weit oberhalb von Hornberg. Beim letzten viertel Kilometer streikte Neumann. „Da fahre ich nicht hoch“, meinte er mit Blick auf den schmalen Waldweg. Mit dem sieben Meter langen Fahrzeug wäre das nicht zu schaffen gewesen. Die Preisrichter mussten sich auf den Fußweg machen.

Die Laudatio auf die Preisträger hielt Michael Conrad, stellvertretender Vorsitzender der BDA-Kreisgruppe und ebenfalls Mitglied der Jury. Den Abschluss der Veranstaltung bildete der Festvortrag von Markus Neppl, Professor für Stadtquartiersplanung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit dem Titel „Es geht an die Substanz“.

Die Markuskirche und das neue Gemeindehaus bilden ein gelungenes Ensemble.
Preisträger: Die Markuskirche und das neue Gertrud-Hammann-Gemeindehaus in Gaggenau bilden ein gelungenes Ensemble. Foto: Ulrich Coenen

Neppl lobte die Qualität der Preisträger im ländlichen Raum zwischen Rastatt und Offenburg, die man mitunter nicht einmal in großen Städten finde. Er lobte ebenfalls das einträchtige Bild von Architekten und Bauherren gemeinsam auf der Ehrungsbühne. „Es waren außerordentliche Anstrengungen für beide Seiten nötig, um diese Ergebnisse zu erzielen“, stellte der Hochschullehrer fest.

Vor diesem Hintergrund stellte Neppl die Frage, wie die preisgekrönten Gebäude in zehn oder auch in 30 Jahren aussehen. „Unser Berufsstand darf die Augen nicht verschließen und muss nach vorne sehen“, meinte er im Hinblick auf die zahlreichen Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft. Neppl stellte Beispiele von zum Teil identitätsstiftenden Gebäuden in der Stadt und auf dem Land vor, die abgerissen wurden. Die Ersatzbauten seien von den Investoren angepriesen worden. „Aber jeder von uns weiß, dass das nicht stimmt“, erklärte er.

Reithalle Achern
Preisträger: Die Reithalle in Achern wurde 1946 für die französischen Besatzungstruppen gebaut. Das Büro Michael Welle Architektur hat das Gebäude behutsam saniert. Foto: Ulrich Coenen

Der von niedrigen Zinsen befeuerte Bauboom der vergangenen Jahre, der jetzt zu Ende gehe, sei an Grenzen gestoßen. Neppl erinnerte an das Positionspapier des BDA „Das Haus der Erde“, das vom ewigen Wachstum Abschied nimmt und für eine Achtung des Bestands wirbt. „Es fehlen aber Wohnungen und die Infrastruktur ist marode“, gab der Stadtplaner zu bedenken. Als wichtige Perspektive nannte der KIT-Professor unter anderem eine gute Ausbildung des Nachwuchses. „Das Studium ist heute viel breiter aufgestellt als früher und fokussiert auf die Dinge, die sich verändern“, berichtete er. „Ein pures Verharren hat unseren Berufsstand noch nie ausgezeichnet.“

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