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Was bisher geschah

Mordprozess in Baden-Baden: Gericht könnte am Freitag Urteil fällen

Hat ein 34-Jähriger aus Baden-Baden in einer Dezembernacht 2021 die Spielfreundin seines Sohnes getötet? Der Prozess läuft schon seit Monaten. Was bisher passiert ist.

Der Angeklagte im Prozess wegen Mordes an einer Sechsjährigen und Störung der Totenruhe wird in einen Verhandlungssaal im Landgericht Baden-Baden geführt. Der heute 34-jährige soll das Mädchen laut Staatsanwaltschaft mit einem Messer getötet haben, „um sich hierdurch und anschließend mithilfe ihres Leichnams sexuell zu erregen“.
Der Angeklagte im Prozess wegen Mordes an einer Sechsjährigen und Störung der Totenruhe wird in einen Verhandlungssaal im Landgericht Baden-Baden geführt. Foto: Uli Deck/dpa

Neunmal musste der 34-Jährige im Großen Sitzungssaal des Baden-Badener Landgerichts auf der Anklagebank schon Platz nehmen. Neunmal filzte die Polizei im Eingangsbereich des Gebäudes die Besucher, die den Mordprozess Tag für Tag verfolgten. Neunmal mal warteten die Verfahrensbeteiligten darauf, ob der Mann im weißen Hemd nicht doch noch reden möchte. So bleiben den Familienangehörigen des Opfers, den Medienvertretern und Verhandlungsbeobachtern die Fragen: Hat ein Mann, der besonders bei Kindern sehr beliebt ist, die Spielfreundin seines eigenen Sohnes auf brutale Art und Weise ermordet, wie es ihm die Anklage vorwirft? Und wenn ja, warum?

Gäbe es Antworten auf diese Fragen, hätte der Prozess nicht so viel Zeit in Anspruch genommen. Stattdessen muss Tag für Tag durchgekaut werden, wer was und wen in einer Dezembernacht 2021 gesehen oder gehört hat – und vielleicht am Ende doch Hinweise dazu geben kann, was in einem Haus im Baden-Badener Stadtteil Oosscheuern geschah.

Polizisten und Feuerwehrleute berichten von Leichenfund

Die Staatsanwaltschaft jedenfalls macht dem 34-Jährigen kurz nach dem tragischen Ereignis klare Vorwürfe: er soll das kleine Mädchen erst getötet und sich dann sexuell an ihrer Leiche vergangen haben – die dazu noch Verstümmelungen aufwies, die derart grausam sind, dass wir sie unseren Lesern nicht zumuten können.

Danach soll er seine Wohnung in Brand gesetzt haben – wohl wissend, dass vier weitere Personen, allesamt Verwandte, dabei sterben könnten. Auf das Schweigen des Angeklagten folgt ein Indizienprozess, der mit jedem weiteren Tag an Tragik zunimmt.

Polizisten, Feuerwehrmänner, Kriminalbeamte erzählen immer wieder, wie sie den leblosen Körper des Mädchens auffanden oder den 34-Jährigen im Garten liegend entdecken.

Am Freitag könnte Urteil in Baden-Baden fallen

Unterdessen ist das Rasseln der Fußkette oft das einzige Geräusch, das im Großen Sitzungssaal des Landgerichts zu hören ist. An diesem Freitag könnte vielleicht das Urteil fallen. Doch was ist bisher passiert? Eine Übersicht.

  • Der Angeklagte: Schweigt zu den Vorwürfen und möchte auch dann nicht reden, als Richter Stefan Schmid ihn ausdrücklich nochmal fragt. Ganz unbeteiligt sitzt er jedoch nicht im Gerichtssaal: Den Prozess verfolgt er aufmerksam, den geladenen Zeugen blickt er direkt ins Gesicht. Es gibt eine Person, bei der er sehr emotional wird: Fragt Richter Schmid nach seinem Sohn, der sich während der Tat in der Wohnung befunden haben soll, verzieht er schmerzverzerrt das Gesicht.
  • Der Staatsanwalt: Fordert in seinem Plädoyer eine lebenslange Haftstrafe und die Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“.
  • Die Mutter des Opfers: Wird mehrfach geladen, erscheint erst am Ende. Darf in einem anderen Raum sitzen, weil sie den Angeklagten „nicht erträgt“. Ihre Zeugenaussage wird in den Großen Sitzungssaal per Video übertragen.
  • Der Anwalt der Mutter: Ist nicht nur der Anwalt der Mutter, sondern als Geschäftsführer der Acura Kliniken Baden-Baden auch ihr Arbeitgeber. Weil mehrere Atteste von einer Ärztin aus selbiger Klinik vorliegen, sieht er keinen Anlass, seine Mandantin zu Gericht zu zwingen. Wirft Richter Stefan Schmid Befangenheit vor. Unterdessen veröffentlichen die Acura-Kliniken einen Facebook-Beitrag, in dem sie Schmid als „Richter Gnadenlos“ bezeichnen und von einem „Justizskandal“ berichten. Landgericht und Staatsanwaltschaft Baden-Baden äußern sich auf Nachfrage dieser Redaktion bis heute nicht zu dem Beitrag.

  • Der Bruder des Angeklagten: Hat sich während der Tat mit seinen eigenen Kindern in seiner Wohnung aufgehalten, die über der seines Bruders liegt. Soll behauptet haben, den Sohn des Angeklagten in der Tatnacht aus der brennenden Wohnung gerettet zu haben. Will während der Verhandlung nicht aussagen und erscheint auch an keinem Tag. Für den Angeklagten scheint er jedoch eine wichtige Rolle zu spielen. Dem Gericht stellt sich die Frage: Wer hat den Sohn des 34-Jährigen letztlich aus dem Feuer gerettet? Eine Antwort darauf gab es bislang nicht.
  • Die erste Sachverständige: Wurde nach dem Fund der Leiche zur DNA-Analyse gebeten. Bestätigt dem Gericht, dass es Spuren gibt, die auf einen sexuellen Missbrauch des Mädchens durch den Angeklagten hindeuten.
  • Die zweite Sachverständige: War für die Spurenuntersuchung am Tatort zuständig. Erzählt vor Gericht von einer Blutspur, die sich durch die gesamte Wohnung zog – und von vier Messern, die Spuren des Mädchens aufwiesen.
  • Der Gutachter: Sollte den Angeklagten während der Verhandlung beobachten, um dem Gericht seine psychologische Einschätzung vorzutragen – bleibt letztlich jedoch ratlos. Zwar seien „gewisse Verhaltensauffälligkeiten“ in der Vergangenheit des 34-Jährigen vorhanden, aber: „Das reicht nicht, um eine konkrete Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren.“

Die Verhandlung wird an diesem Freitag um 9.30 Uhr fortgeführt. Es ist möglich, dass Richter Schmid bereits das Urteil verkündet.

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