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Laden im Visier von Rassisten

Nach Drohbriefen gegen Betreiber von Blumenladen: Tränen der Solidarität in Baden-Baden

Nachdem ein türkischstämmiger Blumenhändler in Baden-Baden von einer „feinen Familie“ rassistische Drohbriefe erhalten hat, nimmt die Anteilnahme kein Ende. Selbst Fremde sind teils zu Tränen gerührt.

Rassistische Zeilen einer „feinen Familie“.
Rassistische Zeilen einer „feinen Familie“: Viele Baden-Badener zollen der Familie Kostik Respekt, dass diese damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. Foto: Nina-Christiana Ebersbach

Mit einer solchen Welle der Anteilnahme und Solidarität hatte Mehmet Kostik nicht gerechnet: Nachdem bekannt geworden ist, dass seine Familie von einer „alteingesessenen feinen Familie“ in Baden-Baden bedroht wird, zeigen sich nicht nur die Kunden des Blumenladens tief betroffen. Auch bislang Fremde sind teils zu Tränen gerührt – berührt von den rassistischen, braunen Zeilen.

Viele Kunden seien gekommen und hätten sich vor lauter Fremdscham für das entschuldigt, was der Familie und ihrem Geschäft in der Fußgängerzone widerfahren sei.

Ein älterer Herr aus Sinzheim habe sich aufgrund der Berichterstattung dieser Redaktion sogar extra auf den Weg zu dem Blumenladen in der Fußgängerzone gemacht. „Als er hier war, hat er geweint“, erinnert sich der türkischstämmige Kostik. Anschließend habe ihm der Mann aus Verbundenheit gleich mehrere Sträuße abgekauft.

„Ich habe meinen Kunden gesagt, dass sie sich für nichts entschuldigen müssen“, sagt Kostik: „Solche Vorfälle gibt es in jedem Volk.“

Betreiber erhält viel Anerkennung für den Schritt in die Öffentlichkeit

Seine Familie ernte viel Anerkennung dafür, dass diese mit ihrer Situation an die Öffentlichkeit gegangen sei. Schließlich höre man in der eienn oder anderen Ecke der Stadt immer mal wieder rassistische Sprüche.

Mehmet Kostik spricht aus Erfahrung. Die Betreiberfamilie des Blumenladens hatte im Februar einen hasserfüllten Brief erhalten. „Sie sind Ausländer Kostik, kein Deutscher! Leben Sie nach unseren Vorschriften, kann Ihnen nichts geschehen!“, lauteten die Drohungen gegen den Geschäftsmann, der als Kind in den 80er Jahren nach Deutschland gekommen ist.

Seit 30 Jahren in der Blumenbranche tätig: Mehmet Kostik.
Seit 30 Jahren in der Blumenbranche tätig: Mehmet Kostik. Foto: Nina-Christiana Ebersbach

Aufhänger der Zeilen war ein leeres Blumenregal gewesen, an dem sich eine ältere Frau mit ihrem Rollator gestoßen haben soll. Kostik hatte es immer mal wieder auf der gegenüberliegenden Straßenseite seines Geschäfts abgestellt.

Doch die schneidenden Worte lassen auf einen noch ganz anderen Hintergrund schließen: „Sollten wir das Regal ... weiterhin sehen ... werden Sie deftig zur Kasse gebeten. Und dann sind Sie weg von hier. Das ist nur ein Vorgeschmack, wie es sein könnte, sollten Sie sich nicht an unsere deutschen Regeln halten“, heißt es drohend.

Auch beim direkten Nachbarn, dem Café Böckeler, war von demselben Verfasser ein ähnlich gearteter Brief eingegangen. Auch darin war über den „Türken-Basar“ gehetzt worden. Immerhin wurde in diesem Brief klar, dass hinter den rassistischen Zeilen eine Frau stecken muss.

Der Juniorchef des Cafés, Fabian Böckeler, hatte sich im Gespräch mit dieser Redaktion bestürzt gezeigt. Und auch bei der Detektei des Kaufhauses Wagener, in dem der Blumenladen angesiedelt ist, wurde auf Nachfrage nur Entsetzen über die Vorkommnisse geäußert.

Den Groll gegen den kleinen Blumenladen kann niemand nachvollziehen. „Wir beleben mit unserem Geschäft sogar die Innenstadt“, sagt der 49-jährige Kostik mit Hinblick auf die sich immer mehr häufenden Geschäftsschließungen.

Drohungen auch seitens der Konkurrenz

Allerdings habe er nicht nur von den anonymen Briefschreibern vermeintlichen Gegenwind erhalten. Auch türkischstämmige Konkurrenten aus der Blumenbrache hätten ihn bereits vor Monaten ins Visier genommen – aus Angst, er könne ihnen Kundschaft abwerben.

„Sie haben mich vor dem Blumenladen bedroht, so dass ich die Polizei rufen musste.“ Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet.

Jetzt kann ich wieder richtig durchatmen.
Mehmet Kostik, Blumenhändler in der Langen Straße in Baden-Baden

Zweifel daran, dass die Mehrheit der Bürger hinter ihm stehe, habe er jedoch nie gehegt, sagt Kostik. Dennoch sei er nach der überwältigenden Resonanz umso erleichterter.

„Jetzt kann ich wieder richtig durchatmen“, sagt er. „Ich möchte mich bei allen bedanken. Dafür, dass wir zusammenhalten, egal, welche Hautfarbe wir haben. Letztendlich sind wir alle gleich!“

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