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„Vom Fass“-Laden schließt

Stimmen zum Corona-Lockdown in Baden-Baden: „Das Schlimmste ist eingetroffen“

Ab Mittwoch müssen die meisten Geschäfte in der Baden-Badener Innenstadt wieder schließen. Für die Ladeninhaber ist das eine Katastrophe - vor allem, weil viele auf das Weihnachtsgeschäft gebaut hatten.

Verkäuferin Michaela Schnetzer zapft Likör.
Letzte Handgriffe: Michaela Schnetzer muss ihr Geschäft zum Ende des Jahres schließen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen kann- Foto: Sidney-Marie Schiefer

Matthias Vickermann ist erschüttert: „Das Schlimmste ist eingetroffen“, kommentiert der Vorsitzende der Einzelhändler-Initiative Baden-Baden Innenstadt (BBI) die Beschlüsse zum harten Lockdown. Danach müssen die meisten Geschäfte ab Mittwoch, 16. Dezember, bis mindestens 10. Januar schließen.

Für die meisten Laden-Inhaber in der Bäderstadt sei das eine Katastrophe. Er habe - jetzt allerdings vergeblich - gehofft, dass die Händler wenigstens noch das für sie äußerst wichtige Weihnachtsgeschäft mitnehmen könnten. „Das ist ein richtiges Trauerspiel“, bekräftigt der BBI-Vorsitzende im Hinblick darauf, dass die Umsätze im Advent teilweise überlebenswichtig seien, zumal die folgenden Monate Januar und Februar traditionell eine Saure-Gurkenzeit seien.

Vickermann, der mit seinem Partner Martin Stoya eine Maßschuh-Manufaktur betreibt, hält es für ausgeschlossen, dass die verbleibenden Tage bis zu den angeordneten Ladenschließungen reichen werden, um einen Teil des wegbrechenden Umsatzes zu kompensieren. Er rät dennoch allen Händlern, die Öffnungszeiten zu verlängern, um beispielsweise Berufstätigen noch die Möglichkeit zu bieten, ihre Weihnachtseinkäufe auf den letzten Drücker zu erledigen.

Der BBI-Vorsitzende hofft zudem darauf, dass der Einzelhandel mit ähnlicher staatlicher Unterstützung rechnen dürfe wie etwa die Gastronomen und Hoteliers. „Ansonsten bekommen wir Anfang des neuen Jahres eine Pleitewelle“, ist Vickermann überzeugt. Ein weiterer Grund für die schlechten Perspektiven sei, dass der stationäre Baden-Badener Einzelhandel noch Nachholbedarf beim Online-Geschäft habe. „Das ist nicht so schnell hinzubekommen. Es dauert Jahre, um einen Online-Auftritt zu etablieren“, betont der Geschäftsmann.

Es gibt ja nichts, was die Menschen locken könnte.
Matthias Vickermann, BBI-Vorsitzender

Vickermann macht sich große Sorgen um das Baden-Badener Erscheinungsbild in den kommenden Wochen. „Es gibt ja nichts, was die Menschen locken könnte“, sagt er. Geschäfte, Restaurants und Hotels sind geschlossen. Der Christkindelsmarkt findet nicht statt, das sonst um Weihnachten reiche Kultur-Angebot gibt es nicht. „Das wird eine Geisterstadt. Trauriger geht es nicht“, bekräftigt der BBI-Vorsitzende.

Nach einer Woche ist schon wieder Schluss

„Bevor sie schließen, nehme ich lieber noch welche zur Reserve mit“, sagt eine Kundin am Weihnachtsstand der Firma Kimberger. Die Frau nimmt gleich mehrere kleine Christbaumanhänger mit und gibt der Standbesitzerin ein kleines Trinkgeld. Für Klaudia Kimberger ein kleiner Trost, denn die Standbesitzerin muss noch einer Woche Verkauf in Baden-Baden ihre Holzhütte wieder verlassen. „Wir sind grade fertig mit dem Aufbau, jetzt müssen wir schon wieder schließen“, sagt sie resigniert.

Sie kommt nicht aus Baden-Baden und so seien die Anreise- und Hotelkosten im Endeffekt höher gewesen als die Einnahmen. Dass sie gekommen ist, bereut sie trotzdem nicht: „Es hätte auch gut ausgehen können“, meint Kimberger. Auch die letzte Woche sei schon nicht mit einem echten Weihnachtsmarkt zu vergleichen gewesen: „Die Leute laufen oft einfach vorbei.“ Mit dem Lockdown ist für sie das Geschäft dieses Jahr vorbei. Immerhin könne sie die Glasprodukte der Firma Lauschaer auch nächstes Jahr noch verkaufen. „Die sind ja zeitlos“, meint sie.

„Vom Fass“-Laden wird aufgegeben

Die Hoffnung auf nächstes Jahr musste Michaela Schnetzer bereits aufgeben. Weil sie die Miete vom März nicht nachzahlen kann, hat ihre Vermieterin nun eine Räumungsklage gegen sie bewirkt. Ihren „vom Fass“-Laden muss sie deswegen aufgeben. „Ein Umzug ist wieder mit Investitionen verbunden, das kann ich mir nicht leisten“, betont die Inhaberin.

Klaudia Kimberger verkauft Weihnachtsschmuck
Kurzes Glück: Nach rund einer Woche müssen die Stände in Baden-Baden wieder schließen. Foto: Sidney-Marie Schiefer

Auch ein Einigungsversuch, bei dem sie um eine vorübergehende Mietminderung gebeten habe, sei gescheitert. Der Lockdown trifft sie somit zum „ungünstigsten Zeitpunkt“. Die Zeit bis Weihnachten hätte sie gebraucht, um möglichst viel ihrer Ware abzuverkaufen. Ganz sicher, ob sie ihren Laden, in dem auch Lebensmittel verkauft werden, schließen muss, ist sie zudem nicht: „Ich hoffe, dass das Ordnungsamt mich in Ruhe lässt.“

Ich hoffe, dass das Ordnungsamt mich in Ruhe lässt.
Michaela Schnetzer, Inhaberin „Vom Fass“

Dass sie weithin Honig-Produkte verkaufen darf, hat Uli Braun bereits geklärt. Sie glaubt trotzdem, dass es in ihrer Schwarzwald Imkerei Manufaktur ab Mittwoch ruhig wird. „Die Leute wissen wahrscheinlich nicht, dass wir offen haben“, meint sie. Für ihre Weihnachtsgeschenke aus Honig werde sie zudem nicht groß werben: „Wir wollen erst mal abwarten, wie sich die Situation entwickelt.“

Auf weitere Entwicklungen braucht Susanne Baysal in ihrem Schmuckladen nicht warten. Ihre Bilanz für 2020 steht fest. Nachdem sie am Mittwoch, mitten im Weihnachtsgeschäft schließen muss, beschreibt sie das Jahr als „bescheiden“. Zwar vermutet sie bereits am Morgen, dass ihr vor der Schließung nochmal ein geschäftiger Tag bevorsteht, die kommende Woche wäre jedoch wichtig gewesen. „Männer kommen oft erst in der letzten Minute und kaufen Schmuck, weil sie vorher noch arbeiten müssen“, sagt sie.

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