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Viertägige Fahrt

Opa reist mit dem Traktor Hunderte Kilometer zur Einschulung seines Enkels in Baden-Baden

Einschulung mal anders: Frank Neermann bringt seinen Enkel mit dem Traktor in die Grundschule Cité in Baden-Baden. Dafür ist er mehrere Hundert Kilometer angereist.

Ein Mann und ein Junge auf einem alten, roten Traktor mit Wohnwagen hintendran.
Seit sieben Jahren hat Frank Neermann auf diesen Moment gewartet: Er setzt seinen Enkel Kim an dessen ersten Schultag an der Grundschule Cité ab. Foto: Ulrich Philipp

Es war im Jahr 2016, als Silke Schlosser ihren Eltern verkündete, dass sie schwanger ist und Sohn Kim als neues Familienmitglied erwartet. Schlosser lebt in Baden-Baden, stammt aber aus dem kleinen Ort Dassel bei Einbeck in Niedersachsen. Hier wohnen Schlossers Eltern.

Vater Frank Neermann fasste damals in diesem Moment den Entschluss, seinen Enkelsohn mit dem Traktor zu dessen Einschulung zu fahren. Neermanns Traum hielt sich hartnäckig und am vergangenen Freitag, sieben Jahre nach der freudigen Nachricht über den Familiennachwuchs, war es schließlich so weit.

Neermann setzte seinen Enkel samt Schultüte auf den Beifahrersitz seines Traktors Porsche Junior und fuhr ihn von der Ortenaustraße zunächst zum Einschulungsgottesdienst in die Friedenskirche und anschließend in die Grundschule Cité. „Der Traktor ist Baujahr 1958 und damit genauso alt wie ich“, erklärte Neermann im Gespräch mit dieser Redaktion.

In einer viertägigen Fahrt brachte Frank Neermann den Traktor nach Baden-Baden

Sein Lieblingsfahrzeug überführte er bereits vor einigen Wochen in einer viertägigen Fahrt über 510 Kilometer aus dem niedersächsischen 140-Seelen-Dorf Dassel bei Einbeck in Niedersachsen nach Baden-Baden überführt. Im Schlepptau einen alten Wohnanhänger aus DDR-Produktion, liebevoll bemalt mit einer Mohnblumenwiese und zusätzlich versehen mit dem Hinweis an schnellere Verkehrsteilnehmer: „25 Kilometer pro Stunde, mehr geht nicht mit 14 PS“.

Seine Ehefrau Uta steuerte das Begleitfahrzeug. Die Strecke war deutlich länger als sie mit einem Pkw gedauert hätte, denn Neermanns „Rotnase“, wie er seinen Traktor liebevoll nennt, darf ja auf Autobahnen und Schnellstraßen nicht fahren.

So war schon die Suche nach der geeigneten Strecke eine Herausforderung für sich. „Ich war fast nur auf Kreis- und Landesstraßen unterwegs, am ersten Tag hab ich 138 Kilometer geschafft“, zeigt er sich sichtlich stolz und betont, dass er auf dem Traktor im Gegensatz zum Autofahren keine Rückenschmerzen hat.

„Da ist ja kein Dach und ich kann während der Fahrt manchmal aufstehen“, erklärt er lachend und so wird er voraussichtlich auch die Rückfahrt wieder auf eigener Achse zurücklegen.

Ungewöhnliche Reise war gut vorbereitet

Bereits Wochen vor der eigentlichen Reise hat er die bestmögliche Route für den Traktor herausgesucht und ist sie mit dem Auto schon einmal abgefahren. Das Ergebnis war eine Liste mit Ortsnamen für jeden Reisetag, die er auch einhalten konnte.

Die erste Nacht verbrachten das Paar auf einem Campingplatz bei Aumühle, die Route des zweiten Tages führte über Bad Wildungen bis in die Nähe von Idstein, wo die Großeltern an einer Bundesstraße übernachten mussten. „Das war furchtbar“, stellte Ehefrau Uta klar, „wir haben kein Zimmer bekommen, es war nasskalt und wir haben fast nicht geschlafen.“

In der dritten Nacht bei Worms konnten sie sich jedoch ein Zimmer ergattern, so dass sie die letzten etwa 140 Kilometer nach Baden-Oos am darauffolgenden Tag vergleichsweise entspannt zurücklegten. „Wir sind jeden Morgen so gegen acht Uhr losgefahren und so gegen 15 Uhr hat man dann überlegt, wo kann man eine Rast einlegen?“, erklärt Neermann und ergänzt: „mehr schafft man nicht“.

Die Fahrt war bei allen Beteiligten mit Emotionen verbunden.
Silke Schlosser
Kims Mutter

Tochter Silke Schlosser betont: „Die Fahrt war bei allen Beteiligten mit Emotionen verbunden, wir haben während der Fahrt alle mitgefiebert und danach waren wir erleichtert, dass alles gut gegangen ist.“

Sehr bewegend war für den sechsjährigen Kim auch der Abschied im Kindergarten „Eulenspiegel“ am vergangenen Donnerstag, dem Tag vor der Einschulung. Opa Frank, wie Kim seinen Großvater nennt, hatte seinen Enkel auch hierher mit dem Traktor gebracht und der war für die Kindergartenkinder eine Attraktion.

Für die Kinder ist der Traktor eine Attraktion

„Sie durften darauf sitzen, haben gehupt wie wild und den Anhänger erkundet“, berichtet Schlosser. „Tschüss Kim“ riefen sie ihrem Freund ein letztes Mal hinterher, als der auf dem Sitz neben seinem Großvater auf der „Rotnase“ lostuckerte.

Auch die Fahrt zum Einschulungsgottesdienst in der Friedenskirche ließ sich Neermann nicht nehmen und chauffierte seinen Enkel hierher. Die Geistlichen erteilten den insgesamt 48 Kindern den Segen für den neuen Lebensabschnitt, bevor sie von ihren Klassenlehrern in Empfang genommen wurden und die ersten 30 Minuten Schulunterricht ihres Lebens absolvierten.

In vier Jahren wird auch Neermanns zweiter Enkel Jan eingeschult, er hat bereits signalisiert, dass er dann auch mit dem Traktor gefahren werden will, allerdings mit dem „Grünen“, dem zweiten Traktor Neermanns der Marke Deutz, ebenfalls ein Oldtimer.

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