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staatliche Unterstützung

Bürgermeister Ottersweier: „Streichung der Bundesförderung wäre suboptimal“

Bürgermeister Jürgen Pfetzer äußert sich im Interview zur Generalsanierung der Sporthalle, dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckens, der schwierigen Suche nach Flüchtlingsunterkünften und weiteren aktuellen Themen.

Jürgen Pfetzer hier am Ratstisch als Vorsitzender des Gemeinderats.
Seit bald 25 Jahren als Bürgermeister für Ottersweier tätig: Jürgen Pfetzer hier am Ratstisch als Vorsitzender des Gemeinderats. Foto: Joachim Eiermann

2024 werde noch eher ein Planungs- und Ausschreibungsjahr sein, doch 2025 soll die Sanierung der 45 Jahre alten Sporthalle Ottersweier und der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens beginnen, beides Millionen-Projekte.

Bürgermeister Jürgen Pfetzer (CDU), seit 1999 im Amt, äußert sich auch zur schwierigen Suche nach Flüchtlingsunterbringungen, den Windpark-Plänen im Hatzenweierer Wald sowie zur Erschließung neuen Wohnraums und der Erweiterung des Gewerbegebiets Juhnebühn.

Zwei Millionenprojekte, Hochwasserrückhaltebecken und Sporthalle, stehen an. Müssen sich Hauseigentümer und Gewerbetreibende kurz- oder mittelfristig wegen hoher Investitionskosten auf weitere Steuererhöhungen gefasst machen?
Pfetzer
Die Gemeinde hat in mehrfacher Hinsicht Vorsorge getragen für diese Großinvestitionen, die aber natürlich den Gemeindehaushalt sehr belasten werden. Wir haben in den letzten guten Haushaltsjahren das Eigenkapital gestärkt, versuchen die optimalen Förderungen zu erhalten und haben uns auch über Bausparverträge ein günstiges Zinsniveau gesichert. Beide Projekte werden in diesem Jahr noch keinen erhöhten Kapitalbedarf erfordern, weil 2024 eher ein Planungs- und Ausschreibungsjahr sein wird. Unter dem Strich bedeuten diese hohen Investitionen aber eine deutliche Steigerung der Verschuldung.
Heißt das, Steuererhöhungen sind dann nicht mehr auszuschließen?
Pfetzer
Nicht wegen dieser Investition. Und vorausgesetzt, wir haben stabile Rahmenbedingungen. Wir haben vorgebaut, weil dieses Mammutprojekt schon länger geplant ist. Wir bringen angesparte Rücklagen und Darlehen zur Finanzierung ein. Und bauen auf die Fördermittel des Landes.
Die Sanierung der Sporthalle Ottersweier wird beginnen. Wie soll das Ganze ablaufen?
Pfetzer
Nach aktuellem Kostenstand gehen wir bei einer Generalsanierung der 1979 in Betrieb genommenen Halle von einem Investitionsvolumen von rund 5,5 Millionen Euro aus. Wir haben von der Sportförderung des Landes aber nur einen gedeckelten Bewilligungsbescheid über 420.000 Euro erhalten. Daher wurde parallel ein Förderantrag für das Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ eingereicht, über den allerdings erst noch entschieden wird, sofern das Programm nicht dem Spardiktat im Bundeshaushalt zum Opfer fällt. Erhalten wir keine Bundesförderung, können wir die Sanierung nur in technisch und finanziell sinnvollen Abschnitten über mehrere Haushaltsjahre verteilt angehen. Für das Projekt und die Nutzer wäre das natürlich suboptimal.
Wie werden sich die Vereine während der Umbauarbeiten einschränken müssen?
Pfetzer
Ohne erhebliche Einschränkungen für Vereine und Schule ist eine Generalsanierung im Bestand nicht umzusetzen, da auch Flachdach, Deckenkonstruktion, Lüftung und Elektrotechnik angefasst werden müssen. Schließzeiten während der kritischen Sanierungsabschnitte sind alternativlos. Wir haben noch die neue Turnhalle, die sich mit einem Trennvorhang in zwei Abschnitte aufteilen lässt, aber aus nachvollziehbaren Gründen nur einen Teil der bisherigen Nutzungen zeitweise auffangen kann. Ligaspiele können dort schon gar nicht stattfinden. Das muss im Vorfeld gut geplant und kommuniziert werden. Wir haben auch einen Arbeitskreis installiert, in dem die Turnerschaft Ottersweier als größter Nutzer der Halle vertreten ist.
In der Werkrealschule der Maria-Victoria-Schule mangelt es an Klassenzimmern und Mensakapazitäten. Kann die Gemeinde abhelfen, ohne umfänglich investieren zu müssen?
Pfetzer
Das wird nicht möglich sein, weil unsere Maria-Victoria-Schule auch ohne den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich schon heute Raumprobleme hat wegen stark gestiegener Schülerzahlen. Es laufen bereits Planungen für den Bau einer Mensa und von Betreuungsräumen, und wir vertrauen darauf, dass das Land rasch die Förderrichtlinien erlässt, die schon seit zwei Jahren versprochen sind. Ohne erhebliche Förderung ist dieses Projekt für uns nicht zu stemmen.
Der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Münchhof/Aspich wird die Landschaft in der Talsenke des Muhrbachs nachhaltig verändern. Wird Ihnen da nicht bange?
Pfetzer
Es musste schon im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, bei der mehrere Varianten von den Fachbehörden intensiv geprüft wurden. Dabei kristallisierte sich schlussendlich die jetzige Planungsvariante heraus, die den geringsten Eingriff für Fauna und Flora und das Landschaftsbild bedeutet und sich in den Taleinschnitt einfügt. Das bedeutet einen sehr viel kürzeren Damm mit Barrierewirkung als an jedem anderen Alternativstandort. Auch die Kaltluftschneise wird dadurch nicht beeinträchtigt. Aber klar ist auch, dass es sich um ein technisches Bauwerk in der Landschaft handelt. Letztlich muss im Genehmigungsverfahren eine Abwägung getroffen werden zwischen dem Eingriff in Natur und Landschaft einerseits und den Folgen des Klimawandels mit einem erhöhten Schutzbedürfnis vor Starkregen- und Hochwasserkatastrophen andererseits. Bange ist mir dabei nicht, denn wir schützen über 1.000 Einwohner im Einzugsgebiet von Dorf- und Muhrbach vor Hochwasser.
Wann ist Baustart und wie lange wird voraussichtlich gebuddelt?
Pfetzer
Nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens wird mit den ersten Arbeiten voraussichtlich im Spätjahr 2024 begonnen, da zum Beispiel die Rodungsarbeiten abschnittsweise erfolgen müssen. Der eigentliche Beginn wird Anfang 2025 sein. Wir gehen von einer Bauzeit von zwei Jahren aus.
Auch Ottersweier hat viele Geflüchtete aufgenommen. Wie viele Personen leben aktuell im Ort und wo sind Sie untergebracht?
Pfetzer
Derzeit leben 131 Flüchtlinge in 18 angemieteten und eigenen Gebäuden im Ort.
Bestehen noch räumliche Reserven?
Pfetzer
Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und haben keine räumlichen Reserven mehr. Ständig starten wir über das Mitteilungsblatt Aufrufe zur Vermietung von Wohnraum, um unserer Unterbringungs-Verpflichtung gegenüber dem Landkreis gerecht zu werden. Laut Prognose muss Ottersweier in diesem Jahr weitere 53 Flüchtlinge unterbringen. Wir planen deshalb auch auf Containerlösungen zurückzugreifen. Ultima ratio ist die Belegung von Hallen, soweit darf es aber nicht kommen.
Abwägung zwischen Eingriff in Natur- und Landschaft einerseits und Katastrophenschutz andererseits: In der Muhrbachsenke entsteht das Hochwasserrückhaltebecken Münchhof/Aspich.
Abwägung zwischen Eingriff in Natur- und Landschaft einerseits und Katastrophenschutz andererseits: In der Muhrbachsenke entsteht das Hochwasserrückhaltebecken Münchhof/Aspich. Foto: Joachim Eiermann
Projekte zum Klimaschutz sind keine Selbstläufer. Auerhuhn schlägt Windkraft, würde man beim Schach sagen. Wie soll da ein Windpark im Hatzenweierer Wald gelingen können?
Pfetzer
Die beiden auf Gemarkung Ottersweier geplanten Windkraftanlagen unterhalb der Schwarzwaldhochstraße liegen in der aktuellen Auerhuhn-Schutzkulisse. Gebaut werden kann dort nur, wenn eine verpflichtende Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass die Population im Kerngebiet oberhalb der Schwarzwaldhochstraße nicht beeinträchtigt oder gestört wird. Diese Untersuchungen laufen derzeit.
Mit der Änderung von drei alten Bebauungsplänen nimmt die Gemeinde etwas in Angriff, was bislang kaum gelang: die Innenverdichtung. Sind das jetzt die ersten, sanften Daumenschrauben, um weiteren Wohnraum zu generieren?
Pfetzer
Dieses Projekt ist das krasse Gegenteil, denn es kann Eigentümer im Einzelfall von den sehr restriktiven Regelungen in den alten Bebauungsplänen befreien. Städtebauliches Ziel ist die maßvolle Nachverdichtung im Innenbereich und der sparsame Umgang mit Flächen. Bisherige Festsetzungen in den Bebauungsplänen lassen vielfach die Aufstockung, den Ausbau von Dachgeschossen oder auch die Bebauung in zweiter Reihe nicht zu. Unsere Antwort darauf ist, diese Fesseln dort abzustreifen, wo dies sinnvoll und nachbarschützend umgesetzt werden kann.
Wohnbau in der Fläche geht nicht mehr, eine Ausweitung des Gewerbegebiets Juhnebühn in der Hägenichstraße aber schon. Wie lautet der aktuelle Stand?
Pfetzer
Die Nachfrage nach freien Gewerbeflächen in Ottersweier ist hoch. Allerdings hat die Gemeinde nur noch wenige freie Gewerbegrundstücke im Eigentum. Daher ist die Erweiterung des Gewerbegebiets Juhnebühn dringend notwendig. Der Aufstellungsbeschluss wurde im März vom Gemeinderat gefasst. Das beauftragte Planungsbüro konkretisiert derzeit den Vorentwurf für das Bebauungsplanverfahren. Eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung wurde bereits durchgeführt. Zudem erfolgten Abstimmungsgespräche mit der Unteren Naturschutzbehörde. Mit den Grundstückseigentümern werden zu Jahresanfang Vorgespräche über die erforderliche amtliche Umlegung geführt.

Vom Glasfaserkabel bis zur Milchkanne

Das Glasfaserkabel ist in Ottersweier sprichwörtlich bis zur letzten Milchkanne verlegt. Wird es auch hinreichend genutzt?
Pfetzer
Man kann in aller Bescheidenheit von einem Erfolgsmodell sprechen. Über 98 Prozent aller Straßen haben wir erschlossen, die Anschlussquote bei den Hausanschlüssen liegt bei fast 70 Prozent. Aktuell haben rund 60 Prozent der Anschlussnehmer einen Netzdienste-Vertrag mit unserem Partner DBN abgeschlossen. Das sind Top-Quoten!
Die Digitalisierung der Gemeindeverwaltung hat begonnen. Können die Bürgerinnen und Bürger alsbald nur noch über das Internet mit dem Rathaus kommunizieren?
Pfetzer
Das Motto lautet, „das eine tun, ohne das andere zu lassen“. Wir treiben die Digitalisierung voran, weil uns das Warten auf Hilfe von Bund und Land einfach zu lange dauert. Wir versprechen uns Effizienzgewinne und schlankere Prozesse, die dem stetig steigenden Kostendruck entgegenwirken. Vor allem aber wollen wir verbesserte, kundenfreundliche und leistungsfähige Angebote für unsere Bürgerinnen und Bürger generieren. Digitale Transformation bedeutet Steigerung des Kundenservices, aber nicht Verlust von Kundenkontakten. Auch in Zukunft wird gelten: Geht dir der Rat aus, dann komm aufs Rathaus.
Auf was freuen Sie sich 2024 am meisten?
Pfetzer
Ich würde mich am meisten darüber freuen, gesund zu bleiben.
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