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Aktionsstand auf dem Bauernmarkt

Weniger Geld für Migrationsleistungen: Bühler Beraterinnen zeichnen düsteres Bild

Bund plant für 2024 Kürzung der finanziellen Mittel für die Migrationsberatung: Auf dem Bauernmarkt klären DRK und Caritas über die drohenden Konsequenzen auf – und erhalten politische Unterstützung.

Sophia Steimel, Kübra Günes, Hasmik Galstyan und Kai Whittaker auf dem Stand von Caritas und DRK auf dem Bauernmarkt.
Sophia Steimel (links), Kübra Günes und Hasmik Galstyan (rechts) erhalten auf dem Bauernmarkt Unterstützung vom CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker. Foto: Martina Fuß

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Caritas nutzen den Bauernmarkt in Bühl, um über eine bemerkenswerte Situation zu informieren. Während die Zahl der Migranten höher ist denn je – höher noch als während der Flüchtlingskrise 2015 –, sieht der Bundeshalt 2024 Kürzungen der finanziellen Mittel für die Migrationsberatung vor. Für die drei jungen Frauen, die bei Caritas und DRK in Bühl für diese Beratungsleistungen zuständig sind, ist das in keiner Weise nachvollziehbar.

„Das ist komplett kontraproduktiv zu dem, was immer gefordert wird“, erklärt Kübra Günes, die bei der Caritas in Bühl, in der Mühlenstaße 12 im Jugendmigrationsdienst JMD arbeitet und 150 Jugendliche im Alter von zwölf bis 27 Jahren betreut. Für die über 200 erwachsenen Zuwanderer in Bühl und Umgebung ist Sophia Steinel vom DRK zuständig. „Wir beraten alle Zuwanderer, Spätaussiedler, Arbeitsmigranten aus der EU und aus der ganzen Welt, Studenten und Geflüchtete“, berichtet sie von ihrer Arbeit in der Migrationsberatung für Erwachsene MBE.

Wenn jemand aus einem kleinen Dorf kommt, müssen wir auch zeigen, wie man einen Geldautomaten bedient.
Sophia Steinel
DRK

Migrationsberatung durch Caritas und DRK umfasst viele Ebenen

Dritte im Bunde ist Hasmik Galstyan, die ebenfalls in der MBE arbeitet. Die drei Beraterinnen sind äußerst engagiert, die großen Herausforderungen zu bewältigen, die mit den hohen Migrationszahlen einhergehen. Und sie sind ratlos und enttäuscht, dass die wichtige Arbeit nun an finanziellen Mitteln scheitern soll, die der Bund nicht mehr zur Verfügung stellen möchte. „Durch die massive Kürzung der Mittel um nahezu 30 Prozent können wir die notwendige Qualität in der Beratung nicht mehr aufrechterhalten“, sind sich die drei Frauen einig.

MBE und JMD sind gut vernetzt mit Behörden, Rathäusern, Job-Center und Sprachschulen. „Außerdem stellen wir in Zusammenarbeit mit der Stadt unsere Angebote im Café International vor, das wir zusammen mit der Stadt betreiben“, erklärt Galstyan.

Kübra Günes, Hasmik Galstyan und Sophia Steinel am Stand auf dem Bühler Bauernmarkt.
Kübra Günes, Hasmik Galstyan und Sophia Steinel (von links) helfen Zuwanderern aus Bühl und der Umgebung bei der Bewältigung des Alltags. Foto: Martina Fuß

In ersten Gesprächen werde immer geklärt, welche Problemlagen, Ziele und Bedürfnisse vorliegen. „Jeder Mensch bringt ein individuelles Schicksal mit“, sagt Sophia Steinel. An erster Stelle stehe das eine Mal das Erlernen der Sprache, ein anderes Mal die Versorgung der Kinder in Kindergarten oder Schule, oder aber die Suche nach einem Arbeitsplatz. „Wenn jemand aus einem kleinen Dorf kommt, müssen wir auch zeigen, wie man einen Geldautomaten bedient.“

Wenn all diese Beratungsaufgaben wegbrechen, dann werden sich verstärkt Parallelstrukturen entwickeln und verfestigen.
Sophia Steinel
DRK

Hilfe bei Alltagsproblemen mit Sprache, Amtsangelegenheiten und Integration

Daneben informieren MBE und JMD auch über Teilhabemöglichkeiten in Vereinen und Organisationen. In Workshops werden die Menschen auf die Ausbildung oder das Berufsleben vorbereitet, in Sprachclubs im Café International über den Alltag und die Traditionen in Deutschland gesprochen. Außerdem unterstützt die MBE bei Fragen der Aufenthaltserlaubnis. Diese Aufgabe sei ultrabürokratisch, niemand schaffe das je allein, erklären die Betreuerinnen. Ohne Begleitung dränge das die Menschen in die Illegalität.

 „Wenn all diese Beratungsaufgaben wegbrechen, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, diese Menschen zu integrieren und an die Gesellschaft anzubinden, dann werden sich verstärkt Parallelstrukturen entwickeln und verfestigen. Das wollen wir ja gerade nicht, wie auch die Politik immer betont“, so Sophia Steinel.

Für Kübra Günes geht es in der Jugendbetreuung genau um die selben Themen. Sie organsiert Nachhilfe, Workshop-Angebote und Ausflüge und bringt die Jugendlichen damit in Bezug zu deutscher Kultur und gesellschaftlichen Konventionen. Als dramatisch empfindet sie den Wegfall der Stelle eines sogenannten „Respekt-Coaches“. Dafür soll es künftig kein Geld mehr geben.

„Respekt-Coach“ soll abgeschafft werden

Der „Respekt-Coach“ geht in Schulen und arbeitet dort mit Schülern, um Menschenfeindlichkeit und Extremismus in allen Formen vorzubeugen und jungen Menschen demokratische Werte zu vermitteln. An dieser Stelle zu sparen, sei absolut unklug und gesellschaftspolitisch kontraproduktiv, sagt Günes.

„Natürlich wehren sich unsere Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege. Es wird noch diskutiert und verhandelt“, wissen die drei Beraterinnen über Verhandlungen zu berichten. Sie selbst haben die Bundestags- und Landtagsabgeordneten an ihren Stand eingeladen, um auf die Situation aufmerksam zu machen.

Ausgerechnet jetzt diese Mittel zu kürzen, ist ein falsches Signal.
Kai Whittaker
Bundestagsabgeordneter

Sowohl der Landtagsabgeordnete Hans-Peter Behrens (Grüne) als auch der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker (CDU) besuchten den Stand auf dem Bauernmarkt. Während Behrens Verständnis für das Anliegen äußerte, letztlich aber keinen Einfluss auf den Bundeshaushalt hat, positionierte sich Whittaker deutlich: „Ausgerechnet jetzt diese Mittel zu kürzen, ist ein falsches Signal“, sagt er.

Petitionen gegen Kürzungen in der Migrationsberatung

„Wir haben einen Arbeitskräftemangel. Es ist wichtig, die Menschen im Alltag zu begleiten, damit sie die Sprache lernen, Fuß fassen und selbstständig hier leben können. Ohne die finanziellen Mittel für die Beratung riskieren wir, dass diese Menschen langfristig arbeitslos bleiben.“

Gegen die Kürzungen in der Migrationsberatung gibt es auf den Petitionsplattformen openpetition und weact.campact Unterschriftenaktionen. 

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