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Stadtteil von Bühl

„Nicht lamentieren, sondern machen“: Was ehemalige Balzhofener vermissen - und neue lieben

Balzhofen ist ein kleiner Stadtteil von Bühl, der aber Großes auf die Beine zu stellen vermag. Bald gibt es dafür eine ganz besondere Gelegenheit.

Das Luftbild zeigt einen kleinen Ort, im Hntergrund einen Gebirgszug.
Balzhofen ist seit 1972 ein Stadtteil von Bühl. 2025 kann das Dorf auf 700 Jahre seit der urkundlichen Ersterwähnung zurückblicken. Foto: Bernhard Margull

2025 hat Balzhofen einen gewaltigen Grund, ein ordentliches Fest auf die Beine zu stellen. Dann blickt der Bühler Stadtteil auf 700 Jahre seit seiner ersten urkundlichen Erwähnung zurück. Dass die Balzhofener sich diese Chance nicht entgehen lassen, darf mit Fug angenommen werden, und mit Recht auch. Denn sie können es, wie es das 1953 erstmals gefeierte Pfingstmusikfest des Musikvereins Harmonie Jahr für Jahr beweist. Beim wohl größten Zeltfest der Region packen nicht nur die Musikerinnen und Musiker mit an.

Wer hier groß geworden ist, das Fest schon als Kind erlebt hat und irgendwann weggezogen ist, kommt später immer wieder gerne zurück, wenn das große Festzelt auf dem Platz hinter dem Haus Harmonie steht.

Das ist auch bei Andrea Lienhart so. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet sie in Freiburg. Neben den Bühler Zwetschgen und „dem schönen Kapellchen“ nennt sie auf die Frage, was sie im Breisgau gerne aus ihrem Heimatort hätte, fast schon selbstverständlich das Pfingstmusikfest.

Aus Balzhofen in die Welt

Andrea Lienhart ist Autorin, Trainerin, Coach, Künstlerin – und ehemalige Balzhofenerin. 1980 ist sie der Ausbildung wegen nach Karlsruhe gezogen. Sie war 17 Jahre alt und wollte hinaus, die Welt entdecken.

Heute ist ihr Heimatdorf wieder ein wichtiger Teil ihrer Welt. Einmal im Monat komme sie zu Besuch, und das sei eher mehr geworden. Sie treffe sich mit ihrer Schwester, alten Bekannten und Freundinnen oder statte ihren Eltern und dem Bruder einen Besuch ab, die auf dem Vimbucher Friedhof bestattet sind.

Wenn sie beruflich auf der Autobahn nach Norden unterwegs sei, schaue sie nicht einfach nur hinüber auf das Dorf, nein, sie fahre oft von der Autobahn ab, um in Balzhofen mit ihrem Hund eine Gassirunde zu drehen. Es komme zu spontanen kurzen Begegnungen und zum einen oder anderen Schwätzchen. Sie freue sich beim Gang durch das Dorf über Vertrautes, auch wenn es weniger geworden ist. Denn sie sehe auch, was sich verändert hat.

Manches ist verschwunden, anderes dazugekommen. Der Tabakschuppen aus dem Jahr 1939 ist 2011 abgerissen worden. 1970 hielt zum letzten Mal der „Entenköpfer“, der Personenzug der Mittelbadischen Eisenbahn zwischen Bühl und Freistett. Seit 1973 hat Balzhofen keine eigene Grundschule mehr, die Kinder werden in Vimbuch unterrichtet.

Dafür entstand 1980 ein eigener Kindergarten. Seit 2019 hat Balzhofen ein neues Feuerwehrgerätehaus, das auch die Abteilungen aus Oberweier und Vimbuch nutzen. Eine Vereinslagerhalle ist bereits 2010/11 entstanden, das Vereinsheim wurde 2006 eröffnet und die Mehrzweckhalle Haus Harmonie 1987.

Postkarten
Balzhofen um 1970: Eine Postkarte zeigt Dorfansichten. Foto: Stadtgeschichtliches Institut Bühl

In ihrer Jugend seien im Dorf noch alle vertreten gewesen: Bäcker, Metzger, Post, Kiosk, Wirtschaft (einst gab es davon drei). Nichts davon ist geblieben, die Infrastruktur ist schlechter geworden. Toll sei aber der Automat „mit frischen, tollen Landerzeugnissen“. Viele Neubauten sehe sie und eine engere Bebauung: „Heimeligen Dorfcharakter nehme ich weniger wahr“. Das, fügt sie umgehend an, liege vielleicht aber auch daran, „dass ich nicht mehr hier lebe“.

Integration in Balzhofen wird zum Selbstläufer

Holger Siebnich ist den umgekehrten Weg gegangen. Als er vor sieben Jahren gemeinsam mit seiner Frau Andrea Bieser in Bühl und Umgebung ein Haus suchte, fand sich die Wunschimmobilie in Balzhofen. „Das war eher Zufall“, sagt der Rastatter BNN-Redaktionsleiter.

Der Zufall entpuppte sich rasch als Glücksfall. „Die Dorfgemeinschaft hat uns mit offenen Armen empfangen“, sagt Siebnich. „Obwohl die Bevölkerung mit 700 Einwohnern sehr überschaubar ist, schauen die Alteingesessenen die Reingeschmeckten nicht argwöhnisch an, sondern suchen den Kontakt und sind sehr offen.“ Und wenn man dann noch bereit sei, „sich selbst in die Gemeinschaft einzubringen, ist die Integration ein Selbstläufer“.

Siebnich tat es unter anderem mit umjubelten Auftritten in der Bütt des Halbmu, der Balzhofener Fastnachtsgemeinschaft, und mit einem Auftritt als Wettkandidat bei „Wetten dass...“ verschaffte er dem Ort nationale Bekanntheit.

Der Wahl-Balzhofener schätzt hier die tolle Lage zwischen Schwarzwald und Rhein: „In fünf Minuten sind wir in Bühl, auf der Autobahn oder zu Fuß im Waldhägenich. Und mit dem Bus X34 fahren wir direkt vor das Terminal des Baden-Airparks. Balzhofen Kirche nach Palma de Mallorca ist von Tür zu Tür in drei Stunden locker machbar.“

Eine Gaststätte fehlt in Balzhofen

Was in seinen Augen fehlt, ist eine Gaststätte, „und seit diesem Jahr leider auch ein Bäcker“. Der örtliche Hof fange jedoch mit Automat und Marktstand einiges auf. Auch das ist für Siebnich ein typisches Merkmal der Balzhofener: „Nicht lamentieren, sondern machen“.

Andrea Lienhart und Holger Siebnich haben ganz unterschiedliche Balzhofen-Erfahrungen, die sich an manchen Stellen aber decken. An einer Stelle ganz besonders, und damit sind wir wieder bei der Musik. In Freiburg wäre es schön, an lauen Sommerabenden im Hof zu sitzen und dem probenden Musikverein zu lauschen, sagt Lienhart. Siebnich darf dieses nicht nur in der Vorstellung genießen: „Manchmal sitzen wir im Garten und hören die Blasmusik“. Andrea Lienhart kann stattdessen mit ihrer Sandkastenfreundin, die auch in Freiburg lebt, ihre Erinnerungen austauschen – ein Stück Balzhofen in Freiburg.

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50 Jahre Große Kreisstadt: Dieses Jubiläum wird beim Bühler Zwetschgenfest gefeiert. Das begleitet die Redaktion mit Stadtteilporträts.

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