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Matthias Reinschmidt

Zoodirektor aus Karlsruhe steckt unter Bühler Hexenmaske

Der Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt lebt den Artenschutz und liebt die Straßenfastnacht. Als Bühler Hexe kann er einiges erzählen.

Alles keine Hexerei: Der gebürtige Bühler und Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt in vollem Ornat in seinem Büro mit den Papageien-Brüdern Henry und Indigo.
Alles keine Hexerei: Der gebürtige Bühler und Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt in vollem Ornat in seinem Büro mit den Papageien-Brüdern Henry und Indigo. Foto: Timo Deible

Das Leben ist mitunter wie verhext, aber nicht zwangsläufig eine Hexerei. Prof. Dr. Matthias Reinschmidt (59) kann ein Lied davon singen. In seinem Beruf ist der Zoodirektor eine Persönlichkeit des uneingeschränkt öffentlichen Lebens. Als Sachbuchautor, Experte oder Moderator von inzwischen 450 TV-Dokumentationen über weltweit vom Aussterben bedrohter Tierarten.

Was nur Bühler Fastnachts-Insider wissen. Seinem großen Hobby frönt der Direktor des Karlsruher Zoos unerkannt, weil mit Maske getarnt. Das Vermummungsverbot ignoriert der aktive Straßenfastnachter der Bühler Hexenzunft und Gründer der gleichnamigen Guggenmusik konsequent. Seine Urlaubspläne sind in Stein gemeißelt; jedes Jahr ab dem Schmutzigen Donnerstag bis einschließlich Aschermittwoch, der Primetime der alemannischen Straßenfastnacht.

Klare Vorstellungen beim jungen Bühler

Ansonsten verliefen strategische Entscheidungen, beispielsweise bei der Berufswahl, gänzlich ohne Spuk. Seine Eltern Werner und Krimhilde betrieben in der Bühler Schwanenstraße 13 ein Lebensmittel- und Feinkostgeschäft.

Mit gerade mal sechs Jahren durfte Klein-Matthias der Mutter beim Abkassieren helfen. Eine Kundin sah in ihm den natürlichen Nachfolger in dann vierter Generation. Der Bub aber hatte andere Vorstellungen: „Nein, ich möchte einmal Zoodirektor werden!“, antwortete er leicht trotzig, aber bestimmt.

Immer wieder inspirierte ihn die Schaufenster-Dekoration des benachbarten Einzelhandelsgeschäfts von Alex Beuchert in Form eines hölzernen Spielzoos.

Die Faszination nahm ihren Lauf: Unter dem Dachgebälk des inzwischen 300 Jahre alte Elternhauses hängte der heranwachsende Vogelfreund neun Schwalbennester auf und züchtete auf dem Dachboden Wellensittiche und Papageien. 2015 verlieh der Naturschutzbund (Nabu) der Familie den Titel eines „Schwalben-freundlichen Hauses“.

Seit 2015 Direktor in Karlsruhe

Ironie des Schicksals: Im gleichen Jahr wurde der Tier- und Papageien-Experte, inzwischen ein promovierter Diplom-Biologe und seit 2022 mit Professoren-Titel durch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) geadelt, unter 121 Bewerbern zum Direktor des Karlsruher Zoos berufen.

Perspektivische Berufsplanung muss ergo nicht zwingend ein Hexenwerk sein. Selbst dann nicht, wenn man von Kindesalter an in der Narrenhochburg Bühl eine notorische Angst vor diesen bisweilen übergriffigen Gruselgestalten mit ihren bananenkrummen XXL-Nasen hatte.

Mit 17 zu den Bühler Hexen

Dem Aufnahmestopp der Bühler Hexen zum Trotz durfte er 1982, damals 17-jährig, der Zunft beitreten. Mit seinem Freund Jürgen Seifried besuchte er Umzüge und weckte am „Schmotzigen“ ab 5 Uhr früh mit viel Getöse auf dem Marktplatz und in den Gassen der Stadt die noch schlaftrunkene Bürgerschaft.

Reinschmidt aber war ein ausgeschlafener Typ und fand weitere Mitstreiter in seinem Bruder Christian, im heutigen Zunftmeister Gernot Baumann und bei jungen Musikanten der Bühler Stadtkapelle.

Sprichwörtlich mit Pauken und Trompeten zogen also die Radaubrüder durch die Innenstadt. Die Bühler Hexen-Guggenmusik ward geboren. Zwölf Jahre lang war Matthias Reinschmidt ihr Leiter. Mit Häs, rotem Rock und schrägen Tönen verschaffte sich die Hallodri-Horde Zugang zu Einzelhandelsgeschäften, Kreditinstituten oder in Wirtshäuser.

Hausverbot in Bühler Schule

Höhepunkte aber waren stets die Auftritte in den Schulen. Dort warteten die Schüler bereits sehnsüchtig auf ihre „Befreiung“, sprich den vorzeitigen Ferienbeginn. Gerne erinnert sich Matthias Reinschmidt (heute mit Bühlertäler Wohnsitz) an einen legendären „Empfang“ in der Aloys-Schreiber-Schule.

Der damalige Rektor Albrecht Kirschner, ein langjähriger freier redaktioneller Mitarbeiter dieser Zeitung, erteilte den Hexen-Guggis gleich bei ihrem ersten Besuch umgehend Hausverbot.

Sein späterer Nachfolger Hans Dürk entwickelte erheblich mehr Sympathie für den vorzeitigen Feierabend und meinte bei deren erstem Überfall: „Komme ring, mir mache des zur Tradition!“

Sprung übers Feuer in Bühl

Mut und Geschick bewies Reinschmidt auch beim traditionellen Hexensprung über ein loderndes Feuer auf dem Marktplatz als Höhepunkt und zum Abschluss des Sternmarschs Bühler Narren.

Unvergesslich auch die Begegnungen mit dem Comitee Düsseldorfer Carneval e.V. Die Landeshauptstadt unterhält eine Städtepartnerschaft mit Puerto de la Cruz auf Teneriffa. Traditionell fallen die Rheinländer am Aschermittwoch auf der Kanaren-Insel ein. Dort war Reinschmidt 15 Jahre lang (2001 bis 2015) Kurator und später zoologischer Direktor des Loro Parque.

Die Düsseldorfer verbanden also ihre jährlichen Auftritte mit ihrer Teilnahme am legendären Karnevals-Umzug Teneriffa mit großem Gefolge (Prinzenpaar, Gardemädchen, Spielmannszug etc.) und statteten traditionell auch dem Papageien-Park des Bühlers einen Besuch ab.

Im Gegenzug luden die Jecken die Bühler Hexenzunft zu ihrem Rosenmontagsumzug vor rund einer Million Zuschauern ein. Matthias Reinschmidt war Ehrengast auf dem Prunkwagen und ist heute noch Ehrenmitglied der Düsseldorfer Narrenzunft 1910.

Beim Umzug in Karlsruhe dabei

Feuer und Flamme aber ist und bleibt der Zoodirektor für die Bühler Hexenzunft. Sein Terminplan ist eng getaktet: Sonntag Umzug in Bühl und am Fastnachtsdienstag in Karlsruhe. Auf der Ehrentribüne des Fächerstadt-Marktplatzes wird er zusammen mit weiteren Honoratioren die Narrenparade abnehmen.

Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Bühler Hexenzunft vorbei defiliert. Dann wird er aufstehen und sich in den Demo-Zug seiner Zwetschgenfest-Konfetti-Kanonisten einreihen.

Maskerade totale. Ein global renommierter Tier- und Artenschutzexperte, der zudem schon mal Schulhausverbot bekam, seine Briefe und Mails mit Doktor- und Professor-Titel unterzeichnen darf und auch noch mit Strohschuhen übers Feuer springen kann. Welcher Zoodirektor kann dies - weltweit - von sich schon behaupten? Alleweil: Alles keine Hexerei!

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