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Nach sehr guten Kapitalmarktdaten

Auch in Gaggenau: Unmut bei Daimler Truck-Beschäftigten über Sparzwang wächst

Das Lkw-Geschäft brummt bei Daimler Truck. In der Belegschaft kommt ein rigides Kostensenkungsprogramm daher im Gegensatz zu den Aktionären nicht mehr gut an.

ARCHIV - Michael Brecht, Betriebsratschef von Daimler Truck. Foto: Benedikt Spether/dpa/Archivbild
Michael Brecht fordert ein anderes Vorgehen bei der Identifikation von Sparpotenzialen. Brecht steht nicht nur dem Gesamtbetriebsrat von Daimler Truck, sondern auch dem Betriebsrat des Werkes in Gaggenau vor. Foto: Benedikt Spether/dpa/Archivbild

Bei Daimler Truck läuft es derzeit wie geschnitten Brot – das zeigen die guten Zahlen, die das Unternehmen zum Kapitalmarkttag oder jüngst zum zweiten Quartal vorgelegt hat. Doch in der Belegschaft wächst offenbar der Unmut, angesichts dieser Erfolge weiter einem rigiden Sparplan zur Senkung der Fixkosten zu unterliegen. Sie sollen konzernweit von 2019 bis 2025 um 15 Prozent reduziert werden.

Wenn Sie nur eine Zahl in den Raum werfen, erhöhen Sie die Unsicherheit.
Michael Brecht
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Daimler Truck

„Bis heute habe ich noch keine vernünftige Logik gefunden, warum diese Zahl so sein muss“, sagte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht am Donnerstag in Gaggenau in einem bundesweiten Mediengespräch. „Ich würde diese Zahl so nicht setzen. Ich appelliere, dass man da reflektierter herangeht“, so Brecht. Von der geforderten 15 Prozent-Reduktion seien nach fünf Jahren acht Prozent erreicht.

„Wenn Sie nur eine Zahl in den Raum werfen, erhöhen Sie die Unsicherheit. Wenn Sie aber sagen, ich habe eine Idee, wie wir die Prozesse neu gestalten, dann kann man über die Sinnhaftigkeit des Vorschlages diskutieren, dann wird das sicherlich einfacher“, so Brecht.

Gewinnprognose erhöht

Beim Kapitalmarkttag im US-amerikanischen Boston hatte Daimler Truck am 11. Juli die Gewinnprognose für 2023 erhöht. Für Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz etwa erwartet der Konzern nun eine bereinigte Umsatzrendite zwischen acht und zehn Prozent (bisher: sieben bis neun Prozent).

Im gleichen Atemzug kündigte Daimler Truck ein Aktienrückkaufprogramm von bis zu zwei Milliarden Euro über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten an; zudem erfreute der Konzern die Aktionäre mit der Aussicht auf ein „stabileres Dividendenniveau auch in schwierigerem Marktumfeld mit einer Ausschüttungsspanne von 40 bis 60 Prozent“.

Daimler Truck sei auf gutem Weg, das angestrebte Ziel einer bereinigten Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent im Industriegeschäft für 2025 unter günstigen Marktbedingungen zu erreichen, ließ der Konzern wissen: „Eine Reduzierung der Fixkosten und Investitionen, des Kapitaleinsatzes sowie höhere Service-Erlöse führen zu einer besseren Resilienz.“

Ich will kein Angstszenario haben, gerade in Zeiten, in denen viel Geld verdient wird.
Michael Brecht
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Daimler Truck

Aktien in Milliardenhöhe zurückzukaufen, befürwortet Brecht. Doch das Argument, die Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten – durch Kostensenkung zu erhöhen, überzeugt den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden nicht: „Wir haben viele Instrumente in der Hand, um auch in Krisenzeiten flexibel reagieren zu können“, sagte Brecht. Als Beispiele nannte er die flexiblen Arbeitszeitkonten oder die breit genutzte Kurzarbeit während der Coronapandemie.

Der Druck käme von außen, sagte Brecht mit Blick auf die Aktionärsinteressen, für die er durchaus Verständnis habe. Aber: „Ich will die Belegschaft mitnehmen, wenn wir in Veränderungsprozesse gehen. Ich will kein Angstszenario haben, gerade in Zeiten, in denen viel Geld verdient wird.“

Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks
Karin Rådström, Chefin von Mercedes-Benz Trucks in Europa, trimmt das Unternehmen auf Effizienz und Kostensenkungen. Foto: Daimler Truck Global Communicati Daimler Truck AG

Gefragt nach seinem Verhältnis zu Karin Rådström, im Vorstand bei Daimler Truck unter anderem für Europa und die Marke Mercedes-Benz Lkw zuständig, antwortete Brecht: „Wir können sehr gut diskutieren, aber wir können auch gut streiten.“ Und im Moment streite er eben über die Senkung der Fixkosten mit Rådström. „Sie geht sehr aggressiv an die Frage der Fixkostenreduktion heran.“

Hier gebe es „einige Ideen, die uns als Betriebsräte überhaupt nicht erfreuen. Wir glauben, wenn man mit solcher brachialen Gewalt hingeht, dann wird das auch innerhalb der Belegschaft deutliche, negative Spuren hinterlassen.“

Jahrelange Sparzwänge auch im Werk Gaggenau

Auch mit Blick auf das Werk in Gaggenau sagte Brecht: Seit Jahren gebe es Vorgaben, etwa jährlich 2,5 Prozent Effizienzsteigerung in Produktion wie auch in der Verwaltung zu bringen. Durch Fluktuation habe man in den vergangenen Jahren viele Funktionen gebündelt, auch im Management die Zahl der Führungskräfte reduziert und Planungsteams zusammengelegt. Derartige prozessuale Verbesserungen könne man immer diskutieren.

„Aber bei uns arbeiten die Leute am Anschlag. Niemand hat momentan eine Idee, wie eine weitere Reduktion von zehn oder 15 Prozent erreicht werden sollte“, so Brecht. Dann müsse man entweder sagen: Welche Tätigkeiten werden nicht mehr gemacht – doch das werde „bis heute nicht angesprochen. Von daher gibt es eine gewisse Resignation in den Produktionsstandorten, weil niemand eine Idee hat, wie das gehen soll.“

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