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Ärger über Preissprung

Warum ein ehrenamtlicher Müllsammler die Stadt Gernsbach kritisiert

Seit knapp zehn Jahren sammelt Egon Selmayr im Gernsbacher Stadtzentrum den Müll ein. Jetzt überlegt er aufzuhören. Ein Vorfall hat für ihn das Fass zum Überlaufen gebracht.

Ein sammelt Müll auf der Straße ein.
Seit knapp zehn Jahren macht der 87-jährige Egon Selmayr in seiner Nachbarschaft in Gernsbach sauber. Doch wegen der jüngsten Vorkommnisse überlegt er sogar aufzuhören. Foto: Adrian Mahler

Egon Selmayr ist wieder unterwegs. Mit einer Greifzange aus Metall und einem Plastikeimer geht der 87-Jährige den Blumenweg in Gernsbach entlang. Er sammelt Zigarettenkippen und Glasscherben ein.

Der Gernsbacher blickt in den Eimer und sagt: „Über 100 Kippen habe ich schon nach ein paar Minuten hier drin. Und das in den Sommerferien.“ Wenn keine Ferien sind, liege noch viel mehr Abfall im Gernsbacher Zentrum herum.

Seit fast zehn Jahren sammelt Selmayr ehrenamtlich Müll in der Stadtmitte, die auch als Vandalismus-Hotspot gilt. Sechsmal die Woche, jeweils rund eineinhalb Stunden. Er ist unter anderem im Blumenweg, in Teilen der Scheffelstraße und auf dem Parkplatz neben der Sozialstation unterwegs.

Hier sieht es immer aus wie bei Hempels unterm Sofa!
Egon Selmayr, Müllsammler aus Gernsbach

„Hier sieht es immer aus wie bei Hempels unterm Sofa!“, sagt er. „Es ist schockierend, was Jugendliche hier anrichten.“ Er habe schon alles Mögliche von Kondomen über angefressene Pizzen bis hin zu Heroinbesteck gefunden. „Gernsbach ist ein schönes Städtchen, das will ich nicht dem Vandalismus überlassen.“ Deshalb räumt er Tag für Tag in den Straßen auf.

Doch schon bald könnte das Geschichte sein. Denn Selmayr überlegt, aufzuhören – wegen fehlender Wertschätzung. Er wolle für sein Engagement zwar keine Lobeshymnen bekommen. „Aber ein Dankeschön von der Stadt wäre nach all den Jahren schon mal schön“, betont er.

Seinen Frust habe er bisher heruntergeschluckt – bis ein Vorfall vergangene Woche das Fass zum Überlaufen gebracht habe: Selmayr gibt pro Jahr rund 20 Fahrräder, die er beim Müllsammeln findet, im Fundbüro Gernsbach ab. Wenn die Drahtesel bis Ablauf der sechsmonatigen Frist nicht vom Besitzer abgeholt werden, nimmt er sie mit und spendet sie an soziale Einrichtungen.

Ärger über Preissprung bei Abholgebühr von Fundsachen

„Früher habe ich beim Abholen drei Euro pro Rad gezahlt“, sagt Selmayr. „Doch vergangene Woche wurden plötzlich 15 Euro pro Rad von mir verlangt.“ Das sei eine Unverschämtheit. „Erst werde ich jahrelang ignoriert und jetzt noch dafür bestraft, dass ich mit meinen Fundrädern anderen helfen will“, betont er mit wütender Stimme. „So wird das Ehrenamt mit Füßen getreten.“

Diese Vorgehensweise basiert auf rechtlichen Vorschriften und stellt keinerlei Bewertung ehrenamtlicher Tätigkeiten dar.
Petra Rheinschmidt-Bender, städtisches Presseteam

Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt Petra Rheinschmidt-Bender vom städtischen Presseteam: „Diese Vorgehensweise basiert auf rechtlichen Vorschriften und stellt keinerlei Bewertung ehrenamtlicher Tätigkeiten dar.“ Das Bürgerbüro überarbeite aktuell die Fundsachen komplett. Die frühere Gebühr von drei Euro für alle Fundräder gelte nicht mehr. Wenn Fundsachen bis zu 500 Euro wert sind, falle für die Aufbewahrung nun eine Gebühr von zwei Prozent des Wertes und mindestens eine Gebühr von drei Euro an.

„Für Sachwerte von über 500 Euro liegt die Aufbewahrungsgebühr bei zehn Euro plus drei Prozent des Wertes“, erklärt Rheinschmidt-Bender die von Selmayr verlangten 15 Euro.

Selmayr kann den Preissprung nicht verstehen und fühlt sich unfair behandelt. Zumal er die Fundräder auch nicht selbst nutze, sagt er. „Das Mindeste, was ich jetzt erwarte, ist eine Entschuldigung.“

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