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Kunstprojekt

Kreative Köpfe werden im Gaggenauer Schloss Rotenfels gefördert

Beim Fördern geht es oft um die, die Nachholbedarf haben oder aus weniger privilegierten Verhältnissen kommen. Die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg hat es sich zum Ziel gesetzt, besonders Begabte zu unterstützen. Wie das aussieht, zeigt sich unter anderem im Atelier.

Im Schloss Rotenfels malt der 15-jährige Noel im Rahmen der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg ein Bild.
Im Schloss Rotenfels malt der 15-jährige Noel ein Bild zu den Protesten im Iran. Foto: Uli Deck/dpa

Mit einem dicken Pinsel grundiert Noel das Holz mit weißer Farbe. Hier sollen die Porträts von Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei und dem einstigen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini entstehen – in einem Bilderrahmen mit zerbrochener Scheibe, aus einer vollgestopften Mülltonne ragend. Als Vorlage für sein Werk dient dem 15-jährigen Schüler aus Ulm ein Foto aus dem Internet.

Ausgewählt habe er es wegen der jüngsten Protestwelle im Iran, sagt Noel. „Ich finde das Thema wichtig.“ In Deutschland ist der Aufstand der Bevölkerung in der islamischen Republik nach seiner Meinung zu wenig Thema. „Über Kunst kann man viele Menschen erreichen.“

In der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg hat der Teenager die Chance, frei nach Lust und Laune zu malen. Aus 137 Bewerbungen wurde er als einer von 20 Schülerinnen und Schülern ausgewählt, die eine Jury als talentiert einschätzt und die je eine „Kreativwoche“ am Ende der Sommerferien und in den Faschingsferien im Schloss Rotenfels in Gaggenau verbringen dürfen.

Kinder bekommen professionelle Unterstützung

Und das mit professioneller Unterstützung: Künstler Christian Vögtle hilft seiner Gruppe mit Rat und Tat. Die 14-jährige Marisa etwa erzählt: „Ich wusste am Anfang nicht, wie ich Lichter malen soll, so dass sie in der Dunkelheit herausstechen.“ Nun hat sie mit Acrylfarbe die Laternen auf ihrem Gemälde gewissermaßen zum Leuchten gebracht.

Wichtig sei, dass die Kinder ihren eigenen Weg finden, sagt Vögtle. In den zwei Wochen gibt es – anders als in der Schule – weder Aufgaben noch Noten. Statt 45 Minuten arbeiten die Jugendlichen teils bis in den Abend an den Staffeleien und geben sich auch gegenseitig Tipps.

„Wer Fußball spielt, hat immer eine Mannschaft. Gute Zeichner kennen oft keine anderen, die gut zeichnen können“, sagt die Leiterin von Schloss Rotenfels, Katharina Beckmann. Hier sollen sie Gleichgesinnte und Profis kennenlernen sowie Einblicke in die Arbeit von Künstlern erhalten. „So werden hoffentlich Potenziale in Gang gesetzt.“

Begabte aus allen Bereichen sind willkommen

„Bildungspolitische Debatten haben oft schwächere Schülerleistungen im Blick“, sagt der Geschäftsführer der Baden-Württemberg-Stiftung und der Stiftung Kinderland, Christoph Dahl. „Dabei gibt es so viele begabte Schülerinnen und Schüler in den Schulen in Baden-Württemberg.“ Diese zu entdecken und ihre Talente gezielt zu fördern, sei das Anliegen der Kulturakademie. Seit 2010 fördert die Stiftung so besonders interessierte und talentierte Schülerinnen und Schüler der Klassen 6 bis 11 in den Bereichen bildende Kunst, Musik, Literatur und MINT – also mathematisch-naturwissenschaftliche Themen.

Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Baden-Württemberg können potenzielle Kandidaten nominieren. Bewerben müssen diese sich dann selbst. Rund 16 000 Nominierungen gab es einem Sprecher zufolge in den 13 Jahren, etwa die Hälfte bewirbt sich. Daraus wurden über alle Sparten rund 1360 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgewählt. Kooperationspartner der Kulturakademie sind unter anderem das Deutsche Literaturarchiv Marbach (Landkreis Ludwigsburg), die Landesakademie für musizierende Jugend Ochsenhausen (Landkreis Biberach) sowie die Uni Stuttgart in Kooperation mit dem Verein Deutscher Ingenieure Stuttgart.

Der Kunst-Part in Schloss Rotenfels ist dabei nur eine Möglichkeit, kreative Kinder und Jugendliche zu fördern. 42 Kunstschulen listet der Landesverband der Kunstschulen Baden-Württemberg auf – von Konstanz bis Mannheim. Die Nachfrage sei groß, sagt Geschäftsführerin Sabine Brandes. „Wir wollen wachsen.“ Acht Initiativen planten derzeit, Kunstschule zu werden. „Wir versuchen, die weißen Flecken zu schließen“, sagte Brandes und nannte etwa den Nordosten des Landes an der Grenze zu Bayern und den Schwarzwald als Beispiele.

Kunst dient der allgemeinen Bildung

Die Förderlandschaft in dem Bereich sei sehr großzügig, sagt Claudia Seidensticker-Fountis von der Stiftung Kultur für Kinder. Es gebe viele Bundesmittel. Und Spender seien gerne bereit, für kulturelle Bildung Geld zu geben. „Wir nutzen kulturelle Bildung als Türöffner für allgemeine Bildung.“ Die Stiftung unterstützt vornehmlich Kinder aus sozial schwachen und/oder sogenannten bildungsfernen Familien.

Im Schloss Rotenfels arbeitet derweil eine Gruppe an großen Plastiken aus alten Plakaten, die einst Werbung für Musicals und TV-Sendungen machten. In einem anderen Atelier malen die Kinder weiter mit Pinseln und Farbpaletten an Werken für eine große Abschlussausstellung.

Noel hat neben seinen politischen Bildern – ein weiteres zeigt Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit roten Strichen, die blutverschmierte Finger hinterlassen haben könnten – eine Holzplatte mit wilden schwarzen Pinselstrichen fertiggestellt. „Christian hat mir den Schubs gegeben, mal abstrakter zu malen“, erklärt der 15-Jährige. In der Schule sei er nicht unbedingt der Beste in Kunst, es gebe weniger Freiräume. „Da kommt nicht so viel Kreativität auf.“

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