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Prozess beginnt am 29. April

Unfallflucht mit zwei Toten in Gaggenau: Bricht der Angeklagte sein Schweigen?

Ab Montag, 24. April, wird der Verkehrsunfall vom 13. Juli 2018, der ganz Gaggenau erschütterte, vor Gericht in Rastatt verhandelt. Ein Mann soll eine 54-Jährige und ihren sieben Monate alten Enkel mit dem Auto erfasst haben, beide starben. Danach soll er geflüchtet sein.

Kerzen stehen am Unfallort in Gaggenau
Mit Trauer und Bestürzung reagierte Gaggenau im Juli 2018, als vor Tor 12 des Mercedes-Werks eine Frau und ihr Enkelkind totgefahren wurden. Der Fahrer flüchtete, verlor aber ein Auto-Kennzeichen. Foto: N/A

Eine Stadt im Schockzustand: In der Benz-Stadt gibt es in den Tagen nach dem 13. Juli 2018 kein anderes Thema, mit Fassungslosigkeit und Bestürzung reagieren die Menschen auf den Verkehrsunfall an diesem Freitagabend gegen 21 Uhr. Die 54-jährige Galina D. und ihr sieben Monate alter Enkel Davian, der im Kinderwagen liegt, werden beim Spaziergang auf dem Gehweg der Goethestraße von einem Auto, das von der Straße abgekommen ist, erfasst.

Die Frau stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus; der Bub wird mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen, wo er wenig später seinen schweren Verletzungen erliegt. Der Fahrer flüchtet, ohne sich um die Opfer zu kümmern .

Am Unfallort nahe des Bildungszentrums von Mercedes-Benz werden in den Folgetagen zahlreiche Kerzen abgestellt, Kuscheltiere und Blumen niedergelegt, viele Passanten halten dort inne. Das Medieninteresse dürfte sehr groß sein, wenn ab kommenden Montag, 29. April, ein zum Tatzeitpunkt 47-Jähriger aus Gaggenau sich vor dem Schöffengericht Rastatt verantworten muss (Beginn ist um neun Uhr im Saal 151 des Amtsgerichts im Rastatter Schloss).

Drei Verhandlungstage angesetzt

Für die Hauptverhandlung unter dem Vorsitz von Richterin Angelika Binder sind weitere zwei Sitzungstage vorgesehen (13. und 17. Mai, jeweils ab neun Uhr). Geladen wurden 27 Zeugen und zwei Sachverständige. Eine Nebenklage der Opferfamilie gegen den Angeklagten liegt laut Amtsgericht nicht vor.

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Anhand eines Kfz-Kennzeichens, das am Unfallort gefunden wurde, machte die Polizei den Fahrzeughalter noch am Unfallabend bei einem Bekannten ausfindig, nahm ihn mit aufs Polizeirevier Gaggenau, ein Haftbefehl erging aber nicht.

Gegenüber Polizeibeamten und Privatpersonen soll sich der Mann nur ganz am Anfang zur Sache geäußert, dann aber keine Angaben mehr gemacht haben. Inwiefern er sich mit diesen ersten Äußerungen selbst belastet hat und ob er vor Gericht Stellung beziehen wird, gehört zu den spannenden Fragen des Gerichtsverfahrens.

Tödliche Unfälle, bei denen die Verantwortlichen flüchten, kommen in der Region immer wieder vor. Etwa 2003, als auf der A5 bei Weingarten eine junge Mutter und ihre Tochter sterben. bnn.de hat einen Überblick zusammengestellt .

Wenn Menschen bei Unfällen verletzt oder getötet werden, sind alle Beteiligten einem enorm großen psychischen Stress ausgesetzt. bnn.de hat mit Rüdiger Born, Geschäftsführer des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen, darüber gesprochen, warum Personen auf diese Situationen unterschiedlich reagieren .

Die Unfallstelle in Gaggenau am Tag danach (Video):

Keine Zeugen für den Unfall

Eine weitere ist, mit welcher Strategie Uwe Kirsch, in Karlsruhe Fachanwalt für Strafrecht, seinen Mandanten verteidigen wird. Unmittelbare Zeugen, die den Unfall gesehen haben, gibt es nicht; der Unfallhergang muss rekonstruiert werden. Im August sagte Staatsanwalt Michael Klose im BNN-Gespräch, dass sich das Ermittlungsverfahren „wie ein Puzzle mit mehreren hundert Teilen gestaltet“.

Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden war sich aber schon bald sicher, dass der Fahrzeughalter auch der Fahrer des Unfallwagens am Abend des 13. Juli 2018 war. Insgesamt sechs Gutachten wurden in Auftrag gegeben.

Die Anklagebehörde zeigt sich auch überzeugt, dass der Fahrer zum Tatzeitpunkt „alkohol- und drogenbedingt“, somit fahrunsicher, auf dem Weg von einer Gaststätte zu seiner Wohnung von der Fahrbahn abgekommen war.

Dies sollen Gutachten belegen, die nicht nur den Alkohol betreffen, sondern auch „die Feststellung berauschender Mittel im Blut“ (Staatsanwaltschaft); der Fahrer soll vor dem Unfall Cannabis konsumiert haben.

Bei der Fahndung nach dem flüchtigen Beschuldigten war auch dessen Wohnung durchsucht und dort eine Marihuana-Indooranlage mit 48 Stauden gefunden worden. In ihrer Anklageerhebung Ende September 2018 sprach deshalb die Staatsanwaltschaft vom „Verbrechen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Hierfür beträgt die Mindeststrafe ein Jahr.

Anklage: fahrlässige Tötung in zwei Fällen

Das Schöffengericht hat diese Anklage zugelassen und fasst sie für die in wenigen Tagen beginnende Verhandlung mit der weiteren Anklage zusammen, wonach dem Beschuldigten vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in zwei Fällen sowie unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen wird.

Strafrechtlich gesehen handelt es sich hier um ein Vergehen, das heißt um Straftatbestände ohne erhöhte Mindeststrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte beim Gericht beantragt, beide Strafverfahren zu verbinden, und das Gericht hat diesem Antrag entsprochen. In den Tagen nach dem Unfall stieg die Hilfsbereitschaft zugunsten der Opferfamilie rapide an. Das Spendenkonto wies über 16 000 Euro auf, die via Rathaus an die Familienmitglieder, die einst als Russlanddeutsche ins Badische gekommen sind, übergeben werden.

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