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Leerstände gesucht

Wohnraum für Flüchtlinge ist rares Gut: Murgtal-Gemeinden hoffen auf Mithilfe

Der Wohnungsmarkt in Gaggenau und Gernsbach ist angespannt. Deshalb ist es für die Gemeinden keine leichte Aufgabe, geeigneten Wohnraum für Ukraine-Flüchtlinge zu finden. Sie setzen deshalb auch auf die Hilfsbereitschaft der Bürger.

Ein Wohnhaus steht neben einer Kirche.
50 Flüchtlinge sind in den vom Landkreis geführten Gemeinschaftsunterkünften in Moosbronn (links, Haus Dorothee) und Freiolsheim untergebracht. Foto: Adrian Mahler

Über den Krieg spricht Stephanie Herrmann mit ihren ukrainischen Mietern nicht. „Das würde ihnen zu nahegehen. Sie sollen hier auf andere Gedanken kommen“, sagt die Bad Rotenfelserin.

Seit einer Woche leben vier aus dem Süden der Ukraine geflüchtete Menschen in ihrer Dreizimmerwohnung: Oma, Mutter, Sohn und dessen Freundin. Zuvor stand die Wohnung leer, weil Herrmann mit ihrer Familie in ein neues Haus auf dem gleichen Grundstück gezogen ist.

„Wir wollten einfach helfen“, erklärt sie die Beweggründe, die leerstehende Wohnung bei der Stadt zu melden. „Bisher klappt alles wunderbar. Wir versuchen die Ukrainer zu integrieren, pflücken mit ihnen zum Beispiel gemeinsam Beeren im Garten.“

Der einzige Haken: die Sprachbarriere. Doch mit den beiden Jugendlichen könne sie auf Englisch reden. Und im Notfall komme der Google-Übersetzer zum Einsatz, sagt Herrmann.

Gaggenauer Bürger haben bisher 60 Wohnungen angeboten

Sie ist nicht die einzige in Gaggenau, die Wohnraum für Ukrainer zur Verfügung gestellt hat. „Wir sind mehr als überrascht von der Hilfsbereitschaft und Vielzahl der Angebote“, betont Judith Feuerer, Pressesprecherin der Stadt. Die Bevölkerung habe bisher mehr als 60 Wohnungen angeboten. Trotzdem sucht die Verwaltung aktuell dringend nach weiteren Angeboten.

Sie bittet erneut die Eigentümer leerstehender Wohnungen, sich bei der Stadt zu melden. Der Grund: Nach wie vor wohnen laut Feuerer viele der geflüchteten Ukrainer in Gaggenau bei Freunden und Bekannten – etwa 120 von insgesamt 210. Weitere 50 seien noch in den Gemeinschaftsunterkünften in Moosbronn und Freiolsheim untergebracht, 40 Personen habe die Stadt in von Bürgern angebotene Wohnungen vermittelt. Das soll mehr werden.

Die Stadt will so Freunde und Bekannte, die kurzfristig Wohnraum zur Verfügung gestellt haben, entlasten. Es sei keine Dauerlösung, wenn etwa in einer Zweizimmerwohnung, die zu dritt bewohnt wird, noch mehrere ukrainische Freunde aufgenommen würden, betont Feuerer. „Auf so engem Raum wollen wir, bevor Konflikte entstehen, Entspannung herbeiführen.“

Doch bei der Suche nach mittel- bis langfristigen Bleiben sei die Stadt auf Hinweise angewiesen: Denn der Wohnungsmarkt in Gaggenau ist laut Feuerer sehr angespannt, „was es uns nicht einfach macht, geeigneten Wohnraum zu finden“.

Zugleich müssen die Wohnungen für Ukrainer bestimmte Kriterien erfüllen: 30 der bisher rund 60 angebotenen Wohnungen hätten diesen nicht entsprochen, so Feuerer. Mal sei die Mietzeit kürzer als das Minimum von einem Jahr gewesen. Mal seien die Mietbeträge zu hoch gewesen, um vom Jobcenter finanziert werden zu können.

Bevor die Stadt den Kontakt zwischen Vermietern und Ukrainern herstellt, „prüfen wir die angebotenen Wohnungen im Vieraugenprinzip“, erklärt Feuerer. „Wir wollen darauf Einfluss nehmen, dass Ukrainer fair in der Unterbringung behandelt werden“. Vor dem Hintergrund des überschaubaren verfügbaren Wohnraums sagt sie: „Die Flüchtlinge müssen aber grundlegend zu Einschränkungen bereit sein.“

In Gernsbach kommen Flüchtlinge privat bei Freunden unter

In Gernsbach ist die Situation ähnlich. „Es ist für alle Flüchtlinge sehr schwer, eine Wohnung zu finden“, erklärt Petra Rheinschmidt-Bender vom städtischen Presseteam.

Positiv sei jedoch, dass nach einem Aufruf Anfang März Angebote von Bürgern eingegangen seien: darunter auch Ferienwohnungen, ehemalige Wirtshäuser oder einzelne Zimmer. Trotzdem komme ein großer Teil der 110 geflüchteten Ukrainern in Gernsbach derzeit privat etwa bei Freunden unter.

Keinen kommunalen Wohnraum mehr in Weisenbach

Anders in Weisenbach: Von den insgesamt 15 Flüchtlingen ist nur einer im familiären Umfeld aufgenommen worden. Das berichtet Bürgermeister Daniel Retsch (CDU). „Für die weiteren 14 Personen wurde kommunaler und durch die Kommune angemieteter Wohnraum zur Verfügung gestellt.“ Kommunalen Wohnraum gebe es aber aktuell nicht mehr. Deshalb hofft Retsch, die Flüchtlinge in den kommenden Monaten in leerstehenden Räumen unterbringen zu können.

Loffenaus Bürgermeister Markus Burger (parteilos) berichtet derweil: „Wir haben zwei Wohnungen angeboten bekommen, die wir aber voraussichtlich nicht benötigen.“ Fünf der insgesamt zwölf ukrainischen Flüchtlinge seien privat in Wohnungen und sieben in Gemeindewohnungen untergebracht.

In Forbach leben derzeit 90 ukrainische Flüchtlinge

Auch in Forbach hat man noch keine Wohnungsangebote von Bürgern an Ukrainer vermittelt. Das berichtet Hauptamtsleiterin Margit Karcher. Derzeit leben rund 90 ukrainische Flüchtlinge in Forbach, allein 50 in der Gemeinschaftsunterkunft in der Eckstraße. Doch das könnte sich bald ändern: „Es werden weitere Aufnahmen anstehen“, sagt Karcher. Und dann benötige die Gemeinde auch die Räume, die Bürger in Aussicht gestellt haben.

Judith Feuerer von der Stadt Gaggenau zeigt sich optimistisch: „Aller Voraussicht nach werden wir unsere Quotenanforderungen bis Ende 2022 erfüllen können.“ Bürger wie Stephanie Herrmann aus Bad Rotenfels helfen dabei – was bei den Gemeinden gern gesehen ist. Herrmann hat inzwischen Fahrräder für die ukrainische Familie organisiert. Auf den Drahteseln will sie mit ihnen die Gegend erkunden und „ihnen das wunderschöne Murgtal zeigen“.

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