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Neue Doku-Serie

„Zum Schwarzwälder Hirsch“ stellt Menschen mit Down-Syndrom in den Fokus

Die Dokumentation „Zum Schwarzwälder Hirsch“ von Tim Mälzer zeigt, wie Erwachsene mit dem Down-Syndrom eine Gastronomie leiten sollen. Was man im Murgtal davon hält.

TV-Koch Tim Mälzer und Laura in einer Szene der Dokuserie «Zum Schwarzwälder Hirsch». Mälzer mag Herausforderungen. Ob neue Formate, Experimente oder Wettbewerbe - der 51-Jährige probiert es aus. Nun hat er sich an ein Projekt gewagt, das er zunächst unterschätzt hat und das zugleich zu einem Herzensthema wurde. Der erste Teil der im Sommer in Süddeutschland gedrehten Dokuserie wird am 24.10.2022 um 20.15 Uhr auf Vox ausgestrahlt. (zu dpa "Tim Mälzer trifft auf besondere Küchencrew - «Haben sie unterfordert») +++ dpa-Bildfunk +++
Lehrer und Schüler zugleich: Tim Mälzer in der Küche des Hofguts Himmelreich in Kirchzarten, wo die Dokumentation „Zum Schwarzwälder Hirsch“ gedreht wurde. Foto: Thomas Niedermüller picture alliance/dpa/RTL/VOX

Eine Gruppe von Menschen wird gecoacht, um nach zwei Monaten eine Gastronomie im Schwarzwald für vier Wochen selbst zu leiten, in der Küche und im Service. Mit dabei: Fernsehkoch Tim Mälzer.

Und eine Kamera, die das Projekt intensiv begleitet und sämtliche Höhen und Tiefen bei den Teilnehmern einfängt. Das Besondere: Die 13 Menschen, die bei der Vox-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch“ mitmachen, haben alle das Down-Syndrom. Die Frage: Darf man das?

Eine Frage, die Martin Bleier erstaunt. Er ist Geschäftsführer der Murgtalwerkstätten und befasst sich täglich mit dem Thema der Inklusion behinderter Menschen.

Wir haben doch auch Dokumentationen über Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund oder Demenzkranken.
Martin Bleier, Geschäftsführer der Murgtalwerkstätten

„Wir haben doch auch Dokumentationen über Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund oder Demenzkranken. Stellen wir uns diese Frage dort auch?“ Bleiers Frage ist rhetorisch gemeint, die Antwort liegt auf der Hand: „Nein.“

Die Tatsache, dass die Frage im Zusammenhang mit behinderten Menschen gestellt werde, zeigt in Bleiers Augen vor allem, dass es nach wie vor viele Kopfbarrieren gibt.

„Wir haben täglich mit solchen Hemmschwellen und Berührungsängsten zu tun“, sagt Bleier. Den Einsatz des eher aus Action-Kochformaten bekannten Mälzer schätzt er daher durchaus.

„Ich finde es gut, dass es solche Menschen wie Tim Mälzer gibt. Auch wenn es noch besser wäre, wenn es solche Menschen nicht bräuchte, um die Inklusion in der breiten Gesellschaft ankommen zu lassen.“

Ewald Glaser vom Aspichhof befürwortet das Format

Auch Ewald Glaser findet den Ansatz gut. Er ist Geschäftsführer des Aspichhofs in Ottersweier, auf dem behinderte oder psychisch erkrankte Menschen arbeiten.

Genau so wie dies auf dem Hofgut Himmelreich in Kirchzarten der Fall ist, auf dem die Doku gedreht wurde. „Wir brauchen viele Einzelbeispiele, um etwas zu bewegen, um das Thema zu verankern und zur Diskussion anzuregen“, betont Glaser.

Für den Mann vom Aspichhof ist daher klar: „Ich finde es stark, dass das Thema in die Öffentlichkeit getragen wird.“ Die Dokuserie zeige, dass man auch Menschen mit geistigen Behinderungen ins Berufsleben bringen könne.

Einen Durchbruch für die Inklusion an sich sieht er allerdings nicht: „Ich warne davor, zu glauben, dass man sowas nun 100fach übertragen kann.“

Dafür sei das Thema Inklusion viel zu vielschichtig. Ideen, wie sie in der Doku gezeigt werden, „können ein Weg sein, müssen aber nicht der Weg sein“.

Auch für Bleier von den Murgtalwerkstätten ist die wichtigste Botschaft der Dokumentation: „Die Menschen haben eine Berechtigung, am ersten Arbeitsmarkt zu landen.“

Wenngleich die Zielsetzung der Mälzer-Dokumentation nicht unbedingt realistisch sei: Nach zwei Monaten Coaching leiten die 13 Menschen mit Down Syndrom die Gastronomie einen Monat lang überwiegend selbstständig.

Eine Situation, die Bleier skeptisch macht. „Ich glaube nicht, dass das dauerhaft funktionieren kann ohne eine gute und intensive Begleitung.“

Er spricht aus Erfahrung: Auch die Murgtalwerkstätten haben Schützlinge, die den Sprung in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt schaffen. „Ihnen stellen wir sogenannte Jobbegleiter an die Seite“, erklärt Bleier.

Ein hochgestecktes Ziel sei andererseits wichtig, um den Ansporn und die Herausforderung zu haben – und die Botschaft zu senden: „Es gelingt dort teilweise sehr gut zu zeigen, wie Stärken in den Vordergrund gestellt werden können und die Behinderung darüber in Vergessenheit gerät“, sagt Bleier.

Auch wenn er die Kritik, die in an Behindertenwerkstätten geübt wird, berufsbedingt nicht teilt und von sich weist („Auch wir ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe.“), ist er von der Sendung überzeugt. „Ich frage mich schon, was auch wir daraus noch mitnehmen können.“

Einen Lerneffekt sieht der Geschäftsführer der Murgtalwerkstätten übrigens nicht nur bei den Menschen mit Behinderung. Ganz im Gegenteil.

In der zweiten Folge, die am vergangenen Montag ausgestrahlt wurde, kommen immer wieder die nicht-behinderten Coaches an ihre Grenzen, müssen ihre Konzepte über den Haufen werfen und neu denken, die Perspektive wechseln. „Am Ende spricht Mälzer von Kollegen“, sagt Bleier. „Das ist ein Riesenschritt.“

„Zum Schwarzwälder Hirsch“

Die dreiteilige Dokuserie „Zum Schwarzwälder Hirsch“ läuft seit dem 24. Oktober immer montags auf Vox.

Der dritte Teil wird am 7. November um 20.15 Uhr gezeigt. Alle Teile sind derzeit in der Vox-Mediathek verfügbar.

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