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Interview

„Rheinblick“: Acherner Autorin stellt ihren neuen Roman vor

Nachdem Brigitte Glaser aus Achern sich in ihrem vorherigen Roman „Bühlerhöhe“ Konrad Adenauer widmete, geht es in ihrem neuen Roman „Rheinblick“ um einen weiteren deutschen Kanzler: Willy Brandt.

Brigitte Glaser sitzt mit einer Tasse an einem Glastisch
Zurück in der Heimat: Brigitte Glaser, Autorin des Spiegel-Bestsellers „Bühlerhöhe“, liest am 19. März in Achern aus ihrem Roman „Rheinblick“. Foto: Meyer Originals

Die in Fautenbach aufgewachsene Autorin Brigitte Glaser macht auf ihrer Lese-Tour durch Deutschland auch in Ihrem Heimatort Achern halt. Ihr neuer Roman „Rheinblick“ versammelt die Geschichten von vier Personen um das schicksalhafte Bundestagswahljahr 1972, als Willy Brandt kurz nach dem epochalen Sieg der SPD an den Stimmbändern operiert werden musste und zum Schweigen verurteilt war.

Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Frauen: Hilde Kessel ist Wirtin im „Rheinblick“, einem Lokal, in dem die Bonner Promis und Politiker verkehren, und wird bald in zwielichtige Machenschaften hinter der öffentlichen Kulisse verwickelt. Die ambitionierte Logopädin Sonja ringt um die sprachtherapeutische Betreuung des Bundeskanzlers.

Lotti möchte für die Kehler Nachrichten eigentlich ein Stück über Wolfgang Schäuble schreiben, der 1972 zum ersten Mal im Parlament sitzt. Und der Student Max bessert mit Taxifahrten seinen stets knappen Studentenhaushalt auf. Und dann gibt es da noch eine mysteriöse „Mädchenleiche in Heilsarmeeuniform“, die die Bonner Gesellschaft beschäftigt.

Im neuen Roman von Brigitte Glaser geht es um Macht und darum, was Menschen bereit sind, dafür zu tun. Mit der Acherner Erfolgsautorin hat BNN-Redakteur Philipp Fess gesprochen.

Frau Glaser, am 19. März sind Sie wieder einmal zurück in Ihrer Heimatstadt und lesen aus Ihrem neuen Buch. Freuen Sie sich?
Glaser

Es macht mir große Freude, dass meine Bücher da gelesen werden, wo ich herkomme. Das Schreiben selber ist erst einmal einfach ein Prozess. Ein Roman kostet mich etwa ein Jahr, da bin ich sehr für mich, sehr alleine. Das Schöne am Autorinnen-Sein ist, wenn das Buch dann fertig ist und die Lesereisen kommen. Das ist etwas, was ich sehr gerne tue. Und Achern hat den frühestmöglichen Termin bekommen, das ist mir ein Anliegen, da komme ich her.

Ihr neues Buch schließt unmittelbar an ihren Bestseller „Bühlerhöhe“ an. Zwar nicht thematisch, aber im Hinblick auf die historische Einbettung – und weil sie sich nach Konrad Adenauer mit Willy Brandt wieder einer politischen Persönlichkeit zugewandt haben. Warum gerade Willy Brandt?
Glaser

Nach „Bühlerhöhe“ habe ich mir überlegt, welcher deutsche Kanzler nach Adenauer wohl der bedeutendste war, und da fand ich Willy Brandt ganz klar am spannendsten. In der Bundestagswahl von 1972 hatte die SPD zum ersten Mal in der Geschichte der Republik mehr Stimmen als die CDU, und das war eindeutig auch ein persönlicher Sieg für Willy Brandt. Brandt war vom Habitus her der erste entschieden demokratische Kanzler, während Adenauer ja noch mehr Autokrat war. Brandt liebte den Disput, die Auseinandersetzung. Und hat sich gerne mit Leuten umgeben, die anderer Meinung waren als er. Er war einfach ein Mann von großer persönlicher und politischer Integrität.

Was mich in Bezug auf meinen Roman aber besonders interessiert hat, war die Zeit nach dieser Sternstunde der Sozialdemokratie, als Brandt im wahrsten Sinne seine Stimme verloren hat und nach seiner Operation ein absolutes Sprechverbot einhalten musste. Was passiert, wenn jemand so erfolgreich ist und das dann nicht nutzen kann? Diese Frage, dieser Zusammenhang zwischen Erfolg und Niederlage, aber auch der zwischen Loyalität und Verrat, der mit dem innerparteilichen Zwist zwischen dem reformorientierten Brandt und dem konservativen Schmidt aufkam, war spannend. Und außerdem der Aspekt, dass Brandt durch seine Sprachlosigkeit für sein unmittelbares Umfeld – und damit auch für meine Romanfigur Sonja Engel – zu einer Projektionsfläche wurde.

War es Ihre Absicht, diese Glanzzeit der Sozialdemokraten mit der vermeintlichen Profillosigkeit der heutigen SPD zu konterkarieren? War die SPD unter Brandt einzigartig?
Glaser

Nein, einen solchen Bezug zur Gegenwart herzustellen, war nicht meine Absicht. Was mich als Romanautorin eher interessiert, sind die persönlichen Verwicklungen innerhalb dieser Sphäre von Macht und Politik. Aber es war definitiv eine andere, besondere Zeit. Politische Auseinandersetzungen haben eine größere Rolle gespielt als heute. Die SPD war damals schon eine mächtige Partei, Willy Brandt war ein großer Visionär. Und solche Persönlichkeiten wie ihn gibt es in der Politik selten.

Während „Bühlerhöhe“ ja noch Heimat und Historie miteinander verbindet, steht bei „Rheinblick“ doch die Zeitgeschichte im Vordergrund. Woher kommt dieser Impuls für historische Romane und wie haben Sie sich auf „Rheinblick“ vorbereitet?
Glaser

Bei meinen historischen Romanen geht es mir in erster Linie darum, die Zeit im Text lebendig werden zu lassen. Sie richten sich an alle Altersklassen, auch an junge Leute, die diese Zeit gar nicht erlebt haben, sich aber eventuell mit einer meiner drei jungen Romanfiguren identifizieren können und so einen Zugang finden. Deshalb verbringe ich auch viel Zeit mit dem Sammeln von Stoff – die Recherche muss so gründlich wie möglich sein, wenn man über vergangene Zeiten schreiben möchte. Bei historischen Geschichten brauche ich etwa ein Jahr für die Recherche und ein weiteres Jahr fürs Schreiben. Bei „Rheinblick“ hatte ich auch das Glück, mit vielen Zeitzeugen sprechen zu können. In Bonn habe ich mich zum Beispiel mit dem Betreiber eines Jazzclubs unterhalten, um ein Gefühl für die Atmosphäre der Stadt zu dieser Zeit zu bekommen, habe mich mit zwei Journalistinnen unterhalten, die seinerzeit für die SPD-Zeitung „Vorwärts“ geschrieben haben. Und in der Friedrich-Ebert-Stiftung durfte ich mir die Originalkorrespondenzen von Willy Brandt ansehen.

Sie sind Krimiautorin. „Bühlerhöhe“ und „Rheinblick“ fallen aber ein bisschen aus dem Rahmen im Vergleich zu den Geschichten um Katharina Schweitzer, die in ihren badischen Romanen „Kirschtote“ und „Bienenstich“ die Hauptrolle spielt. Was hat Sie zur Handlung von „Rheinblick“ inspiriert? Würde der Plot ohne Leiche nicht funktionieren?
Glaser

Also erstmal mag ich das fiktionale Schreiben. Ich bin sehr glücklich, dass ich in Bereichen schreiben kann, wo ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Journalismus wäre zum Beispiel nichts für mich. Aber die Inspiration kommt natürlich auch von außen. Eine der vier Hauptfiguren von „Rheinblick“ arbeitet für die Kehler Zeitung und reist nach Bonn, um den mittlerweile dienstältesten Bundestagsabgeordneten, Wolfgang Schäuble, zu interviewen, der 1972 erstmals im Deutschen Bundestag saß – und gerät dann in den Sog um Willy Brandt. Da bin ich bei der Recherche drauf gestoßen. Und was die Handlung angeht: Ja, ein Krimi ohne Mordfall geht natürlich. Wobei ich „Rheinblick“ gar nicht als Krimi sehe. Es gibt zwar diesen Krimistrang, aber den brauchte ich auch für die politische Geschichte. Ich habe bei „Rheinblick“ vier verschiedene Handlungsstränge entwickelt, die zuerst isoliert scheinen und je weiter man dann liest, desto mehr merkt man, wie alles zusammenhängt.

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